2 Die wahrhaft legendäre Florentiuskirche von Niederhaslach (Foto: Stefan Miller)

Sonnenstrahl als Kleiderhaken

Die wahrhaft legendäre Florentiuskirche von Niederhaslach

 

Tour de Kultur hat diesmal die Florentiuskirche in Niederhaslach zum Ziel, die vor allem für ihre kunstvollen Kirchenfenster bekannt ist, die sowohl den Dreißigjährigen Krieg, als auch der französischen Revoluzion überstanden haben und noch heute in satten Farben erstrahlen.

(05.08.2014) Eigentlich wollte Florentius wohl nur seine Ruhe haben. Er war ein irischer Adliger, der sich in der Nähe des heutigen Niederhaslach in den Wald der Vogesen zurückgezogen hatte, um da seinen Acker zu bestellen. Als friedlicher Einsiedler bestellte er das Land. Dann nervten ihn erst die wilden Tiere, die seine Pflanzen fraßen. Er betete, stellte an den Ecken seines Ackers Stäbe auf und die Tiere wurden zahm, ja sogar seine Freunde. Dann kamen die Soldaten des Merowinger Königs Dagobert II, misshandelten ihn und stahlen ihm sein Werkzeug. Aber auf dem Ritt nach Hause sanken sie in einem Sumpf ein, der zuvor nicht da gewesen war. Ihre Pferde steckten fest. Sie sahen das als Strafe Gottes an, kehrten zurück und baten Florentius um Verzeihung.

Als König Dagobert von dem wundertätigen Mann hörte, ließ er ihn kommen, damit er seine Tochter Rathildis von Blindheit und Stummheit heilte, denn an ihr hatte die Schulmedizin bisher versagt. Florentius kam, hing seinen Mantel mangels Haken mal eben an einem Sonnenstrahl auf und heilte die Prinzessin. Dafür erhielt er ein großes Grundstück, so viel, wie er mit seinem Esel einkreisen konnte, während der König badete. Entweder war der Esel wirklich sehr, sehr schnell oder der König sehr, sehr reinlich. Jedenfalls geriet das Grundstück so groß, dass es für die Ländereien eines Klosters ausreichte – so fing alles an. Später wurde Florentius Bischof von Straßburg und nach seinem Tod natürlich heilig gesprochen – heute werden Päpste für geringere Wunder heilig gesprochen.

4 Die wahrhaft legendäre Florentiuskirche von Niederhaslach (Foto: Stefan Miller)

Die Legende von Florentius

Diese Legende wird in Bildern erzählt, in Bildern aus Glas. Sie schmücken die Fenster der Kirche von Niederhaslach, eine große gotische Kirche in einem kleinen verborgenen Ort. Wer die Fenster geschaffen hat, ist nicht bekannt. Sie stammen aus dem 14. Jahrhundert – einige im Chor sogar aus dem 13. Jahrhundert – und haben die kriegerische Vergangenheit überraschend gut überstanden.

Die Kirche wurde im 13. Jahrhundert gebaut, brannte gleich ab, wurde dann im 14. Jahrhundert fertig gestellt, brannte im Dreißigjährigen Krieg wieder ab, wurde von Soldaten beschädigt, dann als Stall benutzt, ja im 18. Jahrhundert sogar als Schlachthaus. Der Kirchenschatz wurde vom Staat eingezogen. Aber die Fenster erstrahlen heute noch, als wären sie gerade erst restauriert worden. Auch die Rosette über dem Eingangsportal hat die Wirren der Zeit gut überstanden und leuchtet in satten Grundfarben. Fenster im Seitenschiff erzählen die abenteuerliche Geschichte des Heiligen Florentius. Diese Geschichte ist auch im Figurenfeld des gotischen Portals in Stein gehauen. Eine wunderschöne Steinmetzarbeit aus dem 14. Jahrhundert.

6 Die wahrhaft legendäre Florentiuskirche von Niederhaslach (Foto: Stefan Miller)

Aber es gibt noch viel mehr hier zu entdecken. Natürlich den Reliquienschrein mit den Gebeinen des Florentius, die am 7. November 810 von Straßburg hierher gebracht wurden und die Kirche zu einem beliebten Wallfahrtsort machten. In der Muttergotteskapelle findet sich eine Jesusfigur auf einem Sargdeckel. In dem Bauch der Figur ist ein Hohlraum. In ihm wurden früher die Hostien verwahrt. Die Füße der Figur scheinen über dem Grabmal zu schweben, als Zeichen, dass Jesus sozusagen schon fast auferstanden ist.

Der Kirche von Niederhaslach ist sowohl gotisch als auch neugotisch. Wenn man die Farbe der Mauern betrachtet, sieht man, bis zu welcher Höhe die Flammen im Dreißigjährigen Krieg die Mauern zerstört haben. Unten ist der Sandstein dunkler und manchmal auch rußgeschwärzt. Bis zu dieser Grenze war der Dachstuhl heruntergebrannt. Er wurde im 19. Jahrhundert ersetzt. Der Bau darunter ist vor allem ein Werk des Baumeisters Gerlach von Steinbach. Der Sohn des Erbauers des Straßburger Münsters fiel während der Arbeiten von einem Baugerüst und starb, so dass er den Bau nicht mehr selbst vollenden konnte. Er ist in der Muttergotteskapelle begraben.

Es gäbe noch vieles in dieser Kirche zu entdecken, aber auch ein Ausflug in die Umgebung, ins Haseltal etwa, lohnt sich. Sanfte Hügel – malerisch wechseln sich Felder und Wald ab. Der Wasserfall von Niedeck ist nicht weit, und die mittelalterlich geprägte Altstadt des nahen Molsheim lockt Touristen zum Flanieren. Und wenn Sie dort am Ringelsberg im Wald spazieren gehen, passen Sie gut auf, vielleicht sehen Sie ja irgendwo ein paar Stäbe in der Erde stecken, mit denen Florentius die wilden Tiere von seinem Acker fernhielt. Denn hier ist alles irgendwie sagenhaft.

Stefan Miller


Kontakt:

Mairie de Niederhaslach (Rathaus)
1, place de l’église
F-67280 Niederhaslach
Tel.: (00333) 88 50 90 29
Fax: (00333) 88 50 92 75
E-Mail: mairie@niederhaslach.fr
www.niederhaslach.fr

Öffnungszeiten:

Die Kirche ist tagsüber geöffnet.

Eintritt:

Der Eintritt ist frei.

Anfahrt:

Von Saarbrücken nach Saargemünd, dann über die B 51 und die A 8 nach Saverne. Von dort über die D 1004 nach Wasselonne, dort rechts abbiegen und über die D 75 nach Balbronn, Oberhaslach nach Niederhaslach (von Saarbrücken 114 Kilometer, circa 1 Stunde 40 Minuten).


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