Die "Dame von Génicourt" (Foto: Office de Tourisme du Val de Meuse)

Weltkunst in der Dorfkirche

Église Ste Marie Madeleine in Génicourt

 

(18.07.2013) Man könnte achtlos an ihr vorbei fahren. Von außen wirkt diese wuchtige Kirche eben wie eine gotische Dorfkirche. Sie ist ja auch eine Dorfkirche, die Eglise Ste Marie Madeleine in Génicourt sur Meuse. Einem kleinen Weiler, oberhalb der Maas gelegen, etwa 20 Kilometer südöstlich vor Verdun. Doch wer sich entschließt anzuhalten – der Blickfang könnten die gotischen Kirchenfenster im gotischen Flamboyant-Stil sein – und den Kirchberg erklimmt, sich Einlass in diese geduckte Kirche verschafft, der kommt dann aus dem Stauen nicht mehr heraus. Denn der kleine Innenraum entpuppt sich als Tresor für wahre Kirchenkunstschätze aus der Renaissance. Freilich: Die Kirche selbst ist in einem bedauernswerten Zustand. Wie so oft in Frankreich, da die Kirchen keine Steuer erhalten, somit finanziell klamm sind und sich nicht um all die Kirchenschätze adäquat kümmern können. Doch trotz aller pittoresker Baufälligkeit, oder vielleicht sogar wegen dieser, steht man mit offenem Mund in diesem kleinen Kirchlein und bestaunt Retables, Gemälde, einen calvaire, also eine Kreuzigungsgruppe und nicht zuletzt kostbare Kirchenfenster aus der Renaissance-Zeit. Wahnsinn!

Die "Dame von Génicourt" (Foto: Office de Tourisme du Val de Meuse)
Die "Dame von Génicourt"

Wie aber kommen diese Kunstschätze in ein lothringisches Bauerndorf? Eine märchenhafte Geschichte, die im Mittelalter beginnt. Das Dörfchen Génicourt sur Meuse fiel im Mittelalter der bekannten und noblen Familie Apremont zu. Eine Familie mit viel Einfluss und edler Verwandtschaft wie der Adelsfamilie von Barr oder dem Bischof von Toul. Im 16. Jahrhundert jedenfalls ließ Nicole d’Apremont die damalige Kirchenruine in Génicourt wieder aufbauen und aufwändig ausstatten. Der wohl berühmteste lothringische Bildhauer der Renaissance, Ligier Richier, der sein Handwerk immerhin bei Michelangelo erlernt haben soll, schuf den calvaire sowie eine Madonna, auch die Dame von Génicourt genannt. Der Passions-Retabel wird einem Schüler Ligier Richiers zugeschrieben. Einige der Statuen sind nicht mehr in dieser Kirche zu finden. Sie sind heute im Kirchenkunst-Museum in St. Mihiel zu bewundern, nur wenige Kilometer von Géni­court sur Meuse entfernt. Das Besondere an dem Besuch in dieser Kirche ist aber diese originale Aura, die Kirchenraum und Kunst­werke schaffen. In dieser Kirche wirken die Kunstgegenstände lebendig und strahlen im Sonnenlicht, das durch die Kirchen­fenster scheint. Eben keine aseptische Museumspräsentation, sondern gelebte Kirchenkultur.

Apropos Kirchenfenster: auch die sind zu bewundern. Kräftige Farben, rot und blau. Sie werden dem Glaskünstler Valentin Bronsch zugeschrieben, der auch für die Kathedrale in Metz gearbeitet hat, und ebenfalls Mitte des 16. Jahrhunderts geschaffen worden sind. Renaissance-Kunst vom Feinsten, am Ende der Welt, in einer der schönsten Landschaften Lothringens, dem Maas-Gebiet. Eine echte Entdeckungsreise …

Barbara Grech


Kontakt


Office de Tourisme du Val de Meuse
43, rue du Rattentout
F-55320 Dieue sur Meuse

Tel: (00333) 29 87 60 75

E-Mail: valdemeuse-dieue@wanadoo.fr


Öffnungszeiten


Die Kirche ist an folgenden Sonntagen von 14.30 – 17.00 Uhr geöffnet:
12. Mai, 9. Juni, 14. Juli, 11. August, 8. September, 14. und 15. September (journées du patrimoine).


Eintritt


Der Eintritt ist frei.


Anfahrt


Von Saarbrücken aus Autobahn A 4 über Metz nach Paris nehmen. Bei Verdun Aus­fahrt 31 Verdun nehmen. Dann in Rich­tung St. Mihiel fahren. Die Straße D 984 führt direkt an Génicourt sur Meuse vorbei.

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