Die Kirche wird Schritt für Schritt restauriert (Foto: Lisa Huth)

Ein Stück böhmische Heimat

Die Glasmacherkirche von Lettenbach

 

(12.07.2013) So wie die Schwarzwälder ihre Kuckucksuhren auch in Amerika weiter bauten, schafften sich die böhmischen Glasmacher in Lettenbach ein Stück Heimat, indem sie eine Kirche mit Tulpenturm bauten. Heute hätte man sie Gastarbeiter genannt, damals waren es Spezialisten, die aus den tiefen böhmischen Wäldern in die ebenso waldreichen Gegenden von Elsass-Lothringen gerufen worden waren. Um Glas zu machen, brauchte man Sand, Wasser, Wald und ein tief liegendes Tal. Nach ein paar Jahrzehnten war der Wald gerodet, und die Glashütten zogen weiter ins nächste Tal.

Die Kirche wird Schritt für Schritt restauriert (Foto: Lisa Huth)
Die Kirche wird Schritt für Schritt restauriert

Schon im 16. Jahrhundert gab es die ersten Glashütten um Saint-Quirin, ein Örtchen südlich von Saarburg, gelegen zwischen der Roten und Weißen Saar. Eine der größten Glashütten in ganz Frankreich stand in Lettenbach. 600 Menschen wohnten dort, ein großer Ort also für die damalige Zeit. Langgezogene Häuserzeilen zeugen heute noch von reger Bautätigkeit im 18. Jahrhundert. Die Glashüttenarbeiter wurden von der Herrschaft damals recht komfortabel untergebracht. Es gab auch Gastarbeiter aus Bayern und Italien, vor allem aber aus Böhmen. Sie kannten die Prozedur der Glasherstellung am Besten, die Geheimnisse wurden von Generation zu Generation weiter gegeben. Dabei war die Arbeit in der Glashütte ein Knochenjob: Ein Arbeiter verbrauchte in der Hitze mehr Energie als ein Stahlarbeiter. So standen überall Eimer mit Wasser und, vor allem, kostenlosem Bier in der Nähe der Schwerstarbeiter.

Innen wirkt die Kirche größer (Foto: Lisa Huth)
Innen wirkt die Kirche größer

Die Sechstagewoche war Normalität. Sonntags gingen alle in die Kirche. Eine Stunde hin und eine Stunde zurück. Anstrengend war das, nach der harten Arbeit in der Woche. Die tiefgläubigen Männer beschlossen daher, ihr eigenes Kirchlein zu bauen. Nach außen wirkt es klein und gedrungen, im Inneren öffnet sich dagegen ein großer Hallenbau. Dafür, dass sie von Glasmachern gebaut wurde, hat sie wenig Glas zu bieten, und das ist auch noch höchst modern. Anders als damals üblich, wurden auf den Kirchenfenstern keine biblischen Geschichten dargestellt, sie sind sogar völlig abstrakt. Das bunte Glas lässt aber die Kirche von Innen leuchten.

Nachdem die Produktion der Glashütte verlagert worden war, wechselten die Herrschaftsgebäude mehrfach den Besitzer, heute sind dort Kinder aus schwierigen Verhältnissen untergebracht. Geleitet wird die Einrichtung von der Kongregation der Barmherzigen Schwestern. 1984 wurde die Kirche unter Denkmalschutz gestellt. Die Schwestern und die Dorfbewohner nutzten sie zwar weiterhin, doch es war kein Geld da, sie zu unterhalten. Das massive Dachgebälk wurde morsch, die Mauern begannen zu verfallen. Vor allem das einzigartige Dach aus Holzschindeln löste sich zusehends auf. Bis sich die Vereinigung Fondation Vincent-de-Paul der Rettung der Glasmacher-Kirche annahm.

Heute hämmert und klopft es im Gebälk, die Schindeln werden Stück für Stück ersetzt, und der Tulpentrum erstrahlt bereits im neuen Glanz. Natürlich reicht das Geld bei solch einem Bau hinten und vorne nicht, und der Verein ersinnt immer wieder neue Methoden, die Öffentlichkeit auf dieses Kleinod der Glasmachergeschichte in Elsass-Lothringen aufmerksam zu machen. So gibt es eine typisch französisch Idee: ein Déjeuner de Prestige – ein nobles Mittagessen mit Sterneköchen.

Die Besichtigung der Kirche kostet nichts, eine Spende ist aber höchst willkommen. Wer ein bisschen wandern will und gut zu Fuß ist: Durch die herrliche Waldgegend kann man von der Glasmacherkirche hoch zum Wilhelmskreuz wandern und von dort wieder runter ins Nachbardorf Saint-Quirin. Dort ist übrigens die gleiche Architektur zu bewundern. Diese Kirche hat sogar gleich zwei Tulpentürme. Und apropos Schwarzwald: Die Sprecherin des Vereins versichert, wer vorher in der Auberge de la forêt in Lettenbach Bescheid sagt (www.au bergedelaforet57.com/fr/index.php, Tel: (00333) 87 03 71 78 oder Mail: reservation@aubergedelaforet57.com), kann hier auch auch Kaffee und Kuchen bekommen, für Schleckermäuler natürlich auch ein „Forêt noir“, ein Stück Schwarzwälder Kirsch.

Lisa Huth


Kontakt


Fondation Vincent-de-Paul
Fanny Douhaire
Chargée de Mission Communication et Recherche de fonds
15, rue de la Toussaint
F-67000 Straßburg

Tel: (00333) 88 21 76 96
Fax: (00333) 88 21 73 89

www.fondation-vincent-de-paul.org


Öffnungszeiten


Die Kirche ist zu normalen Zeiten geöffnet. Während der Bauphase empfiehlt es sich aber, vorher mit der Fondation Kontakt aufzunehmen.


Eintritt


Der Eintritt ist frei.


Anfahrt


Vom Saarland aus auf die E 25 Richtung Straßburg, an der Ausfahrt 44 Richtung Sarrebourg (N 4), auf der Höhe Sarrebourg auf die D 44, dieser folgen, durch Abreschviller hindurch, nach einem Kilometer geht es dann rechts nach Lettenbach.

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