Saint-Quirin gehört zu den schönsten Dörfern Frankreichs (Foto: Jochen Marmit)

Gebeine, eine Orgel und ein Titel

 

Das lothringische Saint-Quirin ist ausgezeichnet "schön"

Saint-Quirin gehört zu den schönsten Dörfern Frankreichs (Foto: Jochen Marmit)
Saint-Quirin gehört zu den schönsten Dörfern Frankreichs

Zu den Schönsten zu gehören ist nicht immer einfach. Das hat das lothringische Dorf Saint-Quirin auch schon gemerkt. Auch wenn die Besucher meist wegen der Auszeichnung Les plus beaux villages de France (eines der schönsten Dörfer Frankreichs) kommen, so muss der Titel regelmäßig bestätigt werden. Und so lohnt sich im verschlafenen Ort nahe der Saarquellen am waldigen Vogesenrand ein genauer Blick auf das historische Erbe, das sich vor allem um Gebeine dreht.

Vom Dorf auf die Anhöhe und zurück

Die Haute Chapelle (Foto: Jochen Marmit)
Die Haute Chapelle

Wer im Ortskern von Saint-Quirin eintrifft, hat in der Regel schon einige Hügel und Hänge erklommen und findet sich nun in einem kleinen Tal wieder, das vom Bach Ruisseau de Saint-Quirin geformt wurde. Nicht zu übersehen ist die Haute Chapelle, die auf einer kleinen Anhöhe über dem Ort thront. Unser Spaziergang dorthin folgt der Hauptstraße Rue du Général de Gaulle von der Touristeninformation an der Hostellerie du Prieuré vorbei, dann links in die Rue de l’Eglise, gegenüber der Eglise Priorale dann rechts bergauf zur Haute Chapelle. Sie steht denn auch auf jenem historischen Boden, der dem Ort seinen Namen eingebracht hat. Die Legende will es, dass im Jahr 1050 eine Gruppe Durchreisender auf diesem Hügel Station machte, auf dem sich zu jener Zeit eine Einsiedelei befand. Eine Reisende war Gepa, die Schwester von Papst Leo IX., die aus Rom kommend die Gebeine des Heiligen Quirinus bei sich trug. Am nächsten Morgen wollte die Gesellschaft weiterreisen, konnte aber die Truhe mit den Gebeinen nicht mehr anheben. So entschied sich Gepa, zwei Reliquien an diesem Ort zurückzulassen. Sie nahm nur die Schädelreliquie mit (und gründete damit in Neuss eine der großen Pilgerstätten Westeuropas, heute Quirinus-Münster. Auch das saarländische Perl hat von den Reliquien etwas abbekommen, mit Saint-Quirin besteht eine freundschaftliche Beziehung). Die Haute Chapelle wurde im 12. Jahrhundert errichtet – gewiss um die beiden Reliquien des Heiligen Quirinus zu schützen. Es ist eine einfache, mit Ziegelsteinen gemauerte Kapelle mit einem gotischen Chorraum und natürlich erzählen die sechs bunten Fenster die Geschichte des römischen Tribuns Quirinus (er war der Sage nach der Gefängniswärter des Heiligen Alexander in Rom und ist zusammen mit seiner Tochter Balbina zum Christentum konvertiert. Kaiser Hadrian lies den Christen um 115 enthaupten). Von der Haute Chapelle überblickt man das gesamte Dorf mit seiner Hauptstraße und den abgehenden wenigen Seitenstraßen, die zu beiden Seiten aus dem Ort hinausführen. Der Weg geht nun zurück mit einem schönen Blick auf die zweite Hauptattraktion des Ortes.

Prioratskirche und Silbermann-Orgel

 (Foto: Jochen Marmit)

Auffällig sind die Zwiebeltürme – denn solche prachtvollen Rundungen in süddeutscher Tradition gibt es selten in Lothringen. Warum gerade die Prioratskirche von Saint-Quirin gleich drei davon hat, erklärt sich aus der besonderen Geschichte des Ortes. Erbaut wurde sie 1722 und steht in barocker Ausgestaltung auf den Ruinen eines spätromanischen Baus. Als Dorf war Saint-Quirin schon im 16. Jahrhundert einer der vielen Orte der Region mit Glasbau-Handwerk. Nach der völligen Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg siedelte sich im 18. Jahrhundert wieder neues Leben an, auch aus kirchlicher Sicht. Denn der Abt von Marmoutier wollte seine Schäflein im äußersten Osten Lothringens samt den Reliquien nicht missen und übertrug ein Priorat auf das Nest Saint-Quirin. Die prachtvolle Kirche wurde samt einer kleinen Abtei erbaut – die Nebengebäude bilden mit dem Kirchenbau ein kleines Ensemble samt Innenhof. Weil sich in diesen Jahren auch die Glasindustrie in der Gemeinde ausbreitete, wuchs der Ort rasch an. Die Handwerker, die dadurch vor allem aus Süddeutschland und dem Voralpenraum nach Saint-Quirin kamen, sollten natürlich auch zur Kirchengemeinde gehören – sie durften zur Steigerung der eigenen „Heimatgefühle“ Zwiebeltürme bauen. Voilà! Im benachbarten Weiler Lettenbach blühte die Glas- und Kristallproduktion bis 1844. Weil Saint-Quirin keine ausreichenden Anbauflächen für Nahrungsmittel aufwies, wurden einige Kilometer weiter eigens Bauernhöfe und Pflanzgärten angelegt. Doch auch diese Boomzeit hatte ein Ende, die Glasindustrie verließ die Gemeinde, was blieb war ein geschrumpfter Ort und ein geschrumpftes Priorat – die Revolution hatte hier bereits Spuren hinterlassen. Gerettet wurde das Ganze schließlich von der Familie Chevandier de Valdrôme. Sie hatte Land gekauft und sich mit dem Erhalt des Prioratsbaus ein eigenes (Grab-)Denkmal gesetzt. Und damit wohl auch die Orgelanlage gerettet – sie wurde von keinem geringeren als Jean-André Silbermann aus Straßburg gebaut (1746). Sie ist eine der wenigen, die von der technischen Seite her und was die Ausstattung der Pfeifen angeht, dem Originalzustand sehr nahe kommt. Auch Radio Saarbrücken zeichnete regelmäßig Konzerte auf, die auf der Silbermann Orgel in Saint-Quirin gegeben wurden. Wer einmal ein Konzert oder auch nur Übungen des Orgelmeisters von Saint-Quirin hören kann, wird verstehen, warum der Ort zu Recht sehr stolz auf dieses „historische Denkmal“ ist. Insgesamt ist die Prioratskirche in freundlichen Gelbtönen gehalten, ein nicht überladenes barockes Bild, dominiert vom Heiligen Quirin über dem Altar – natürlich mit seinen neun Goldknöpfen in römischer Tradition am Gürtel. Und rechts und links des Altars sind die Truhen mit den Reliquien des Heiligen in Seitennischen eingelassen. Sie werden übrigens fünfmal pro Jahr von der Prioratskirche zur Haute Chapelle und wieder zurückgetragen – damit der Ort auch weiterhin von Übel und Niedergang verschont bleibt.

"Les plus beaux villages de France"

Fontaine Miraculeuse (Foto: Jochen Marmit)
Fontaine Miraculeuse

Womit wir bei den Herausforderungen des heutigen Saint-Quirin wären. Wer den Weg rund um das Priorat rechts an der Kirche vorbei zum Bach geht, kommt auch zur Fontaine Miraculeuse, einer Quelle, die direkt unter der Straße zu entspringen scheint und in den plätschernden Bach führt (Saint- Quirin ist als Statue natürlich auch mit dabei …). Der Fußweg führt nun am Bach entlang zurück zur Hauptstraße. Wer sich nun fragt, warum dieser Ort zu den les plus beaux villages de France zählt, sollte folgendes wissen: Gegründet wurde die Vereinigung 1982 von einem findigen Bürgermeister im Département Corrèze (Massif Centrale). Gefördert werden sollte der Tourismus im ländlichen Raum, in kleinen Orten mit reichem historischen Erbe. Bedingungen: Nicht mehr als 2.000 Einwohner (Saint-Quirin hat rund 900), mindestens drei monuments historiques, also drei „historische Denkmäler“, die nationalen Charakter haben. Und seit 1989 ist Saint-Quirin mit der Haute Chapelle, der Prioratskirche und der Silbermann-Orgel eben eines von „Frankreichs schönsten Dörfern“. Derzeit sind 157 Dörfer in ganz Frankreich gelistet, der Titel kann aber jederzeit aberkannt werden, wenn die Auflagen nicht dauerhaft erfüllt werden. Und so wird sich der kleine Ort weiter bemühen müssen, auch neben den drei Hauptattraktionen etwas zu bieten.

Gallo-Romanisches im Wald und Kunst aus Glas

Ein kleiner Ausflug zum Croix Guillaume (gelegen an der Straße zwischen Lettenbach und Saint-Quirin) führt zum ältesten Teil des Ortes. Wer zunächst dem geteerten, dann nach circa einem Kilometer links dem sandigen Waldweg folgt (Auto abstellen), kommt nach fünf Minuten zu einer Anhöhe (site archéologique), auf der im 2. Jahrhundert n. Chr. eine galloromanische Siedlung stand. Der kleine Rundweg führt zu den Ausgrabungen – Häuser, Ställe, Kultstätten und ein Steinbruch sind gut erkennbar, kleine Tafeln erläutern die Anlagen. Ein verwunschener Ort, direkt am Fernwanderweg GR 5 gelegen.

Aus der Vergangenheit bis ins Heute „gerettet“ worden ist die Glasmalerei in der Galerie Atelier Verre-Luisant. Hier gibt es seit 1999 Glaskunstkurse, Kreationen aller Art aus Glas und ein kleines Geschäft, wo man auch Andenken erwerben kann – die meisten hat die Besitzerin Anne Holtzer selbst entworfen (ebenfalls an der Straße nach Lettenbach).

Jochen Marmit


Kontakt


Office du Tourisme
Mairie de Saint-Quirin
F-57560 Saint-Quirin

Tel: (00333) 87 08 08 56

E-Mail: officedutourisme57560@orange.fr

htttp://saint.quirin.free.fr

Hostellerie du Prieuré
163, rue du Général de Gaulle
F-57560 Saint-Quirin

Tel: (00333) 87 08 66 52

www.saint-quirin.com

Atelier Verre-Luisant
91, rue de la Verrerie
F-57560 Saint-Quirin

Tel: (00333) 87 08 67 88

www.auverreluisant.com 


Öffnungszeiten


Ganzjährig.


Eintritt


Der Eintritt ist frei.


Anfahrt


Von Saarbrücken aus A 4 Richtung Straß­burg, Abfahrt Phalsbourg, dann entlang der N 4 nach Sarrebourg folgen, dort Abfahrt Richtung Abreschviller über Hesse, Nitting. St. Quirin ist ab dort ausgeschildert (circa 140 km). Alternative Rückfahrt über Abreschviller, Walscheid, Lutzelbourg (siehe auch TdK 2013), Phalsbourg (circa 160 Kilometer) oder dem Tal der Zorn folgend über Saverne (circa 200 Kilometer).

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