Die Sammlung umfasst auch alte Werbe-Plakate, Bäcker-Zeitungen und Fotos (Foto: Wolfgang Felk)

"Im Buxesack Rezepte mitgeschrieb’..."

Das Saarländische Bäckereimuseum Ottweiler

 

Wenn man nach Ottweiler kommt, dann ist das immer wie eine kleine Zeitreise durch die Jahrhunderte: am Rathausplatz stehen Wand an Wand Gebäude aus Renaissance, Barock und Biedermeier, gesäumt von Teilen der mittelalterlichen Stadtmauer, überragt von der „Zibbelkapp“ des alten Turms, dem weithin sichtbaren Wahrzeichen der Stadt. Wir stehen vor einem der stattlichen Bürgerhäuser am Rathausplatz aus dem Jahr 1767.

Rathaus-Bäckerei in Ottweiler (Foto: Wolfgang Felk)
Rathaus-Bäckerei in Ottweiler

Kunstvoll geschwungene Giebel, schön restaurierte Fassade. Im Erdgeschoss eine kleine Bäckerei und Konditorei im Stil der 1980er Jahre. Vor der Tür ein paar Tischchen, an denen Passanten bei einem Cappuccino die ersten warmen Sonnenstrahlen genießen. Drinnen duftet es nach frischem Brot und Kaffee.

„Das hier war einst der Sitz eines hohen Beamten vom Nassau-Saarbrücker Hof“, erzählt uns Bäckermeister Roland Schäfer. Schon im 19. Jahrhundert beherbergte es eine Bäckerei, aber erst 1998 gelangte das Anwesen samt Bäckerei in den Besitz der Familie Schäfer. Roland Schäfer war bei seinem Vater in die Lehre gegangen, in dessen Bäckerei in der Ottweiler Klosterstraße. 1984 machte er sich zusammen mit seiner Frau Claudia selbständig und eröffnete eine eigene Bäckerei in Illingen-Hirzweiler. Heute ist sein Betrieb, der vom Sohn in der vierten Generation fortgeführt wird, längst über die alten Mauern hinaus gewachsen. Die heutige Backstube ist modern und großzügig im Industriegebiet von Illingen-Welschbach angesiedelt und beliefert elf eigene Filialen rund um Illingen und Ottweiler. Doch Roland Schäfers Herz hängt an dem gemütlichen alten Haus in der Ottweiler Altstadt. Er hat es aufwendig restaurieren lassen und wohnt inzwischen auch dort. Und er hat in der alten Backstube zusammen mit seiner Frau ein kleines Bäckerei-Museum eingerichtet.

Die alte Backstube ist jetzt ein Museum (Foto: Wolfgang Felk)
Die alte Backstube ist jetzt ein Museum

Stolz steht er vor dem „Herzstück“ seiner Backstubb, einer Maschine mit Elektro-Antrieb, die, ähnlich wie in einer Mühle, über breite Lederriemen alles antreibt, was sich in einer Backstube so bewegt: sämtliche Teigrühr- und Knetmaschinen, Mehlsiebmaschinen, ja sogar den Lastenaufzug, der die Mehlsäcke hoch transportiert hat. Mit einem Knopfdruck setzt Meister Schäfer alles in Bewegung, es rumpelt und rattert, dass man sein eigenes Wort nicht mehr versteht. „Diese Riemen da“, so schreit er in den Lärm, „da habe ich lange gebraucht, um einen Schuhmacher zu finden, der die noch mal näht. So dickes Material macht heute kein Mensch mehr.“ Das gleiche gilt für die von den Bäckern selbst hergestellten Wellhölzer, Backformen und Models, richtige kleine Kunstwerke aus Holz, die beweisen, dass Bäcker und Konditoren nicht nur Grobmotoriker, sondern manchmal auch künstlerisch begabte Feinmechaniker waren. Kunstvoll gestaltet sind auch die handgeschriebenen und reich ornamentierten Handwerksbriefe aus verschiedenen Epochen, „unsere historischen Schätze, die viel über die Wertschätzung des Bäckerhandwerks und der Zünfte erzählen, auch aus der Fürstenzeit von 1770, aus der der älteste stammt.“ Claudia Schäfer hat sich sehr mit der Geschichte des Handwerks befasst, dabei viel gelernt, vor allem auch von Bruno Stock aus Wiebelskirchen, von Beruf eigentlich Spengler. Aber „ein ganz Verrückter, der sein Leben lang Bäckerei-Utensilien gesammelt hat bis zum Geht-nicht-mehr“, weiß Roland Schäfer. Diese Utensilien sollten den Grundstock des Museums bilden, all das wollte Bruno Stock eigentlich mit den Schäfers zusammen ausstellen und präsentieren, doch er starb kurz vor der geplanten Museums-Eröffnung. Nun ist es allein an den Schäfers, Leben und Ideen ins Bäckerei-Museum zu bringen. Natürlich können und wollen sie nicht alles zeigen, was Bruno Stock gesammelt hat, es handelt sich schließlich um 3.000 Teile! (Rund 1.200 da­von kann man sich auf der Website des Saarländischen Museumsverbandes ansehen: www.saarland.digicult-museen.net).

Kunstvoll gestalteter Handwerksbrief (Foto: Wolfgang Felk)
Kunstvoll gestalteter Handwerksbrief

In der alten Backstubb, die über zwei Etagen geht, haben die Schäfers mit ihrer Auswahl dafür gesorgt, dass eine vielfältige, atmosphärisch dichte Ausstellung entstanden ist: dominierend die große Teigmaschine, dazu das traditionelle Handwerkszeug des Bäckers, der Tisch mit Backmulde und Brotform. In Ecken und Nischen dann die Legionen der Backformen für Kuchen, Plätzchen, Zuckerguss, erst aus Holz, später aus Blech gefertigt. Kaffeedosen, Werbe-Plakate, Bäcker-Zeitungen und Fotos saarländischer Cafés aus der Boom-Zeit der 1950er-Jahre. Kurioses wie eine Sackklopfmaschine oder eine Backofenleuchte. Auch der gute alte Sarotti-Mohr aus politisch noch nicht so korrekten Zeiten darf da nicht fehlen. Man merkt schnell: das ist keine „wissenschaftliche“ Sammlung, eher ein nostalgisch-berufsstolzer Rückblick auf zwei Jahrhunderte Bäckereihandwerk. Auf nicht immer nur gute alte Zeiten: unter der Treppe wurde ein kleiner Verschlag nachgebaut, in dem früher der Lehrbub oder Geselle hausen musste, um den Sauerteig anzusetzen und den Ofen beim Anheizen in der Früh und später beim Backen im Auge zu behalten. Auch Roland Schäfer erinnert sich noch gut an seine eigene Lehrzeit, als er „im Buxesack heimlich Rezepte mitgeschrieben hat, mit einem Bleistiftstummel auf einen Fetzen Papier, damit’s keiner merkt.“ Auch dies ein Merkmal des kleinen Museums: es lebt nicht nur durch seine Exponate, es lebt vor allem durch die launigen Erzählungen des Bäcker-Ehepaares Schäfer.

Die Sammlung umfasst auch alte Werbe-Plakate, Bäcker-Zeitungen und Fotos (Foto: Wolfgang Felk)
Die Sammlung umfasst auch alte Werbe-Plakate, Bäcker-Zeitungen und Fotos

Und das würde gerne noch mehr Leben reinbringen in ihr Museum. So soll der alte Backofen in der Backstube irgendwann wieder hergestellt werden, damit künftige Museums-Besucher auch mal selber zupacken können: für einen Tag Bäcker spielen, selbst den Teig rühren und kneten und das eigene Brot backen. Bis es soweit ist, bringen die Schäfers Brot und Gebäck mit aus ihrer Backstubb in Welschbach, um die Besucher nach der Führung mit einer kleinen Brotzeit oder einer gemütlichen Kaffee-Tafel zu verwöhnen. Und wenn dann der Ofen fertig ist, dann riecht’s hier auch wieder so wie früher, als die Backstubb einer jeden Bäckerei direkt hinter dem Geschäft war und das Brot immer frisch und knusprig direkt aus dem Ofen in die Regale hinter dem Ladentisch wanderte. So wie wir’s eigentlich gerne wieder hätten. Nicht nur im Museum.

Wolfgang Felk


Kontakt


Saarländisches Bäckereimuseum
Rathaus-Bäckerei
Rathausplatz 12
66564 Ottweiler

Tel: (06824) 22 28

Mobil: (0170) 83 62 477 (Claudia Schäfer)


Öffnungszeiten


Mo – Fr: 8.00 – 18.00 Uhr
Sa: 8.00 – 12.00 Uhr

Führungen für Gruppen nach Vereinbarung.


Eintritt


Erwachsene: 2,50 €
Studenten, Azubis, Schüler: 1,50 €
Kinder bis 14 Jahre haben freien Eintritt
Führungen für Gruppen bis maximal 15 Personen: 20,- €


Anfahrt


Mit PKW aus Richtung Saarbrücken: auf der A 623/A 8 bis Ausfahrt Neunkirchen-City/Ottweiler/St. Wendel, weiter auf der B 41 bis Ottweiler, dort Abzweigung Rathausplatz (Stadtmitte).

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