Musée Guerre et Paix  (Foto: SR/Lisa Huth)

Drei Kriege verstehen

Das in Europa einzigartige Musée Guerre et Paix in Novion-Porcien

Lisa Huth   25.07.2022 | 06:00 Uhr

Es ist schon ein seltsames Gefühl, zwischen zerschossenen Dorfhäusern durchzugehen, während aus dunklen Fensteröffnungen Gewehrläufe ragen. Man fühlt sich, als ziele der dahinter stehende Soldat genau auf einen selbst. Und so berühren die drei Kriege, an denen Deutsche und Franzosen beteiligt waren, die Besucherinnen und Besucher fast hautnah.

Für Deutsche ist das wichtig. Denn, Frage an Sie: Wo haben sich die drei Kriege hauptsächlich abgespielt? In Deutschland und in Frankreich? Nein. Dort, wo die Erinnerung daran am Lebendigsten ist: im Elsass, in Lothringen und in den Ardennen.

Darum gibt es in Deutschland so wenig Erinnerungen an diese Zeit?

Musée Guerre et Paix  (Foto: SR/Lisa Huth)

Der deutsche Boden war vom Ersten Weltkrieg und dem davor 1870/71 gar nicht berührt. Und der Zweite Weltkrieg bedeutet für Elsass und Lothringen die Besetzung, in den Ardennen wurde jedes Mal gekämpft. Stichwort etwa die Ardennenoffensive von 1944.

Die Feldkommandatur 684 der Deutschen wurde im heutigen Haus des Départements in Charleville-Mézières errichtet. Auf den Tischen dort wurden Schlachtpläne entworfen, an den Wänden hingen Karten mit der militärischen Entwicklung. Auch davon wird in diesem Museum erzählt.

Natürlich spielten sich der Erste und Zweite Weltkrieg auch anderswo auf dem Planeten ab, und im zweiten wurde auch Deutschland völlig zerbombt. Aber die Kriege von 1870/71 und 1914-18 bedeuteten vor allem für die Franzosen viel Leid.

Zu sehen: eine Entwicklung von 75 Jahren

Das Besondere an diesem Museum: Es wird nicht nur ein Aspekt der Geschichte beleuchtet. Hier ist eine Entwicklung von 75 Jahren zu sehen. Und: Von Anfang an wurden Deutsche beteiligt. Das ist sehr ungewöhnlich für Frankreich. Üblicherweise erzählt ja jedes Volk die Geschichte aus der eigenen Sicht. Und da treffen sehr unterschiedliche Ansichten aufeinander. Etwa, wer schuld am Ersten Weltkrieg war. Nach 1918 wurde den Deutschen ja die Alleinschuld gegeben. Heute sehen die Historiker das differenzierter. Auch das wird in diesem Museum deutlich. 

Musée Guerre et Paix  (Foto: SR/Lisa Huth)

Ursprünglich gab es im Museum vor allem Uniformen und Waffen zu sehen. Dann wurde es für viele Jahre geschlossen und komplett umgestaltet. Wer heute dorthin fährt, sieht einen überwachsenen Hügel, in der Mitte gezackt gespalten, wie ein Schützengraben.

Musée Guerre et Paix  (Foto: SR/Lisa Huth)

Bei der Ankunft wirkt das Museum nicht besonders groß. Wer jedoch eintritt, dem öffnet sich ein Riesengebäude. Hauptblickfang ist das weinende Gesicht eines Mannes. Die Emotion ist ihm ins Gesicht gegraben. Ausgelöst wurde sie, weil die Deutschen mit den Panzern in Paris einfuhren.

Auch Jahre nach der Wiedereröffnung des Museums arbeitet noch ein Deutscher mit, Alfred Umhey, ein Herr mit Backenbart wie aus wilhelminischer Zeit. Umhey ist Sammlungsleiter und Ausstellungsgestalter im Musée Guerre et Paix. 

Militärgerät

Musée Guerre et Paix  (Foto: SR/Lisa Huth)

Zu allen drei Kriegen werden Uniformen der Deutschen und Franzosen, aber auch anderer beteiligter Nationen einander gegenüber gestellt. Auch Gewehre. Na ja, mögen Sie denken, Gewehre halt. Auch hier wieder: Nein! So hatten die Franzosen im Krieg von 1870/71 den damals allerletzten Schrei der Gewehrtechnik: das Chassepot-Gewehr. Es verfügte über eine höhere Reichweite und besaß den militärisch unschätzbaren Vorteil, dass es nicht im Stehen geladen werden musste. Die Deutschen dagegen mussten zum Laden aufstehen und boten in diesen Momenten ein hervorragendes Ziel.

Musée Guerre et Paix  (Foto: SR/Lisa Huth)

Eine Menge Autos, Panzer, Motorräder und Kanonen mussten in das Museum hinein gefahren werden. Das heißt, die ganz schweren Geräte wurden als erstes hineingebracht. Erst danach wurde das Museum drum herum gebaut.

Musée Guerre et Paix  (Foto: SR/Lisa Huth)

Dann kam viel französische Leichtigkeit hinzu: die Schatten zweier Soldaten, die einander etwas zurufen, auf einer Mauer voller Ankündigungsplakate. Oder ein Mörderspiel in mehreren Räumen: Ein General ist ermordet worden. Eine Reihe von Leuten könnten Motive gehabt haben. Die Besucher müssen selbst herausfinden, wer dahinter stecken könnte. Es ist ein bisschen wie in einem Escape-Room: Rätsel müssen gelöst werden, um weiter zukommen.

An Kinder angepasst gibt es einen eigenen Parcours mit in Frankreich sehr bekannten Zeichenfiguren. Alle Rundgänge werden auch auf Deutsch angeboten.

Viele Nachbildungen in Groß und Klein, dazu gehören auch viele militärische Figuren und Nachstellungen des Grabenkrieges im Ersten Weltkrieg, ermöglichen es den Besuchern, sich in die Geschehnisse einzufühlen.

Musée Guerre et Paix  (Foto: SR/Lisa Huth)

So gibt es auch das Käsegeschäft Au bon Beurre, dessen Besitzer sich mit allen Seiten gut zu stellen wusste, was letztendlich aber auch nicht gut endete.

Auch wenn es in diesem Museum fast ausschließlich um die drei Kriege geht, so kommt die Zeit dazwischen und das Alltagsleben der Menschen auch nicht zu kurz.

Insgesamt ist das Musée Guerre et Paix für Franzosen eine wichtige Erinnerung, für Deutsche ein Teil ihrer Geschichte und für alle Besucherinnen und Besucher eine Mahnung: Kriege lange vorher zu verhindern, bevor sie entstehen können. Und wenn sie dennoch geschehen sind, zeigt dieses Museum die Aufgabe der Nachfahren: die Freundschaft suchen und Frieden schaffen.


Audio

Tour de Kultur 2022: Das Musée Guerre et Paix in Novion-Porcien
Audio [SR 3, Lisa Huth (c) SR, 08.08.2022, Länge: 03:09 Min.]
Tour de Kultur 2022: Das Musée Guerre et Paix in Novion-Porcien


Auf einen Blick


Kontakt
Imp. du Musée
F-08270 Novion-Porcien
Tel.: (0033 3) 24 72 69 50
E-Mail: conseil-departemental-ardennes@cd08.fr
www.guerreetpaix.fr

Öffnungszeiten

Dienstag bis Sonntag von 10.00 – 17.00 Uhr
geschlossen: 01. bis 31. Januar

Eintritt
regulär: 8 Euro
ermäßigt: 5 Euro

Tipp
Novion-Porcien liegt neben Woinic. Dort steht auf einem kleinen Hügel das größte Wildschwein der Welt. Der Anblick lohnt sich!


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