Tour de Kultur 2022: Das weiße Gold von Marsal (Foto: SR/Lisa Huth)

Das weiße Gold von Marsal

Von Reichtum, Fake News und sprechenden Bildern

Lisa Huth   25.07.2022 | 06:00 Uhr

Alternative Wahrheiten, so nannten die PR-Leute die Fake News von Donald Trump. Seine Gegner listeten Tausende von Tweets auf, in denen er nachweislich gelogen hatte. Er bezeichnete sie dagegen als „Truth“. So viele waren es, dass man fast glauben könnte, der frühere US-Präsident habe die Fake News selbst erfunden. Das stimmt aber nicht. Es gibt sie schon seit Jahrhunderten.

Hier ein besonders phantasievolles Beispiel: Es geht um Macht, um unermesslichen Reichtum und geostrategische Vorteile. Dazu kommt noch eine Familienintrige, und fertig ist die Instagram-Story.

Die Story von Marsal

Herzog Karl IV. von Lothringen konnte seinen Neffen und designierten Nachfolger Karl V. nicht leiden. Er unterschrieb daher einen Vertrag mit Louis XIV., dem König von Frankreich. Nach dem Tode des Herzogs sollten sämtliche Ländereien an Frankreich fallen. Bis dahin sollte er ungestört in Lothringen regieren dürfen. Einzig die Stadt Marsal sollte direkt an Frankreich gehen.

Karl IV. steht mit gebeugten Bein vor Louis XIV.  (Foto: SR/Lisa Huth)

Aber der Herzog hatte irgendwie keine Zeit, oder etwas Wichtigeres zu tun, jedenfalls vergaß er immer wieder, die Stadtschlüssel von Marsal dem König von Frankreich zu übergeben. Schließlich wurde es dem König zu bunt und er marschierte mit seiner Armée vor Marsal auf. Auf einem Bild von Charles Le Brun ist verewigt, was dann geschah: Karl IV. steht mit gebeugten Bein vor Louis XIV.

Der, hoch zu Ross, nimmt den Stadtschlüssel aus Karls Händen entgegen. Diese Schlüsselübergabe verbreitete sich schneller als heute ein Shitstorm auf Facebook. Von Malern wurde sie kopiert, in Wandteppiche geknüpft, auf Tischservices gebrannt. Sogar Jean de la Fontaine – das ist der mit den Fabeln wie „Der Fuchs und der Rabe“ – schrieb ein Spottgedicht auf Marsal. Im ganzen 17. Jahrhundert war das einer der Lieblingsgeschichten zu Tisch und am Hofe. Sie hat nur einen Haken: Sie ist so nie passiert. 

Im Museum von Marsal, heute ein kleines Dorf, ist dieser Story ein kompletter Raum gewidmet. Doch können Sie mir jetzt noch glauben, was ich Ihnen weiter erzähle? Prüfen Sie alles!

Von Jean de la Fontaine...

Jean de la Fontaine  (Foto: SR/Lisa Huth)

So wird etwa das Bild von Jean de la Fontaine lebendig, wenn sie das Tablet vor ihn halten, das Sie für den Museumsbesuch bekommen haben. Nicht nur das.

... und Salzbroten

Im größten Teil des Museums wird die Geschichte der Salzgewinnung in Marsal mit höchst modernen Mitteln erzählt. Möglicherweise wurde in Marsal bereits vor mehr als 4.000 Jahren Salz gewonnen. Irgendwann wurden Öfen in Girlandenform angelegt. Diese waren praktischerweise so hoch wie heute etwa Hochbeete, damit die „Salzbäcker“ sich nicht so tief bücken mussten.

Tour de Kultur 2022: Das weiße Gold von Marsal (Foto: SR/Lisa Huth)

Auf diesen Öfen wurde dem Salz das Wasser entzogen, so dass kleine handliche „Salzbrote“ entstanden, die über das Flüsschen Seille verschifft und in alle Welt verkauft wurden. Einer dieser Girlandenöfen ist im Museum nachgebaut. Halten Sie das Tablet davor, können Sie das Feuer von vor Tausenden Jahren noch lodern sehen.

Die Öfen und die Formen für die Salzlaibe waren aus Ton. Über die ganze Gegend verstreut hat man sie gefunden. Es müssen Tausende Öfen gewesen sein. Ton zerbricht irgendwann. Die Scherben wurden dann einfach irgendwo aufgehäuft. Das heutige Marsal ist auf dieser meterdicken Schicht gebaut. Weil das aber nicht ganz so standfest steht, ist etwa die Kirche von Marsal ein bisschen eingesackt. 

Ein Zeugnis aus der Römerzeit

Römische Stele (Foto: SR/Lisa Huth)

In einem anderen Raum steht ein Beweis dafür, wie wichtig und wie reich Marsal durch die Salzgewinnung wurde: Auf einer Stele zeugt eine dem römischen Kaiser Claudius gewidmete Inschrift aus dem Jahr 44 nach Christus, dass die Bewohner von Marsal genügend Geld hatten, sich damals solch teuren Späße wie ein Stele leisten zu können.

Marsal lag zu jener Zeit an der römischen Handelsstraße, die Metz mit Straßburg verband. Das war auch später für Louis XIV. interessant. Er hatte nämlich bereits Teile des Elsass in Besitz bekommen. Durch Marsal bekam er jetzt einen direkten Zugang zum Elsass. Und natürlich die immensen Salzvorkommen. Das ist auch ein Grund, warum Louis XIV. seinen Baumeister Vauban die Stadt befestigen ließ. Einige dieser Gebäude kann man heute noch sehen. Die Bewohner von Marsal kämpfen heute dafür, dass die Gebäude Teil des Vauban-Weltkulturerbes werden.

In einem der Räume können Sie auch miterleben, wie die Menschen das Salz gewonnen haben: Über Virtual-Reality-Brillen ist es fast, als wäre man selbst dabei. Heutzutage ist das leider nicht mehr möglich. Die Salzgewinnung wurde 1699 eingestellt. Die Wiesen um Marsal sind aber immer noch sehr salzig. So wachsen dort Pflanzen, die man sonst nur am Meer findet. Über für Touristen befestigte Wege kann man dort hinwandern, um etwa die Salicornes zu finden. Auf Deutsch heißen diese Pflanzen Queller. Am Atlantik isst man die Salicornes eingelegt zu Austern. In Marsal zu Brot und Schinken. Oder ist das jetzt auch wieder nur ein Fake? Überzeugen Sie sich selbst!


Audio


Tour de Kultur: Das weiße Gold von Marsal
Audio [SR 3, Lisa Huth, 16.08.2022, Länge: 03:08 Min.]
Tour de Kultur: Das weiße Gold von Marsal


Auf einen Blick


Tour de Kultur 2022: Das weiße Gold von Marsal (Foto: SR/Lisa Huth)

Kontakt
Musée du Sel
Place Porte de France
F-57630 Marsal 
Tel.: (0033 3) 87 35 01 50
E-Mail: mdsm@moselle.fr
www.museumspass.com

Öffnungszeiten

Geöffnet von Mitte Februar bis Mitte Dezember
Montag bis Sonntag 9.30 – 12.30 Uhr und 13.30 – 18.00 Uhr.

Eintritt
5 Euro
für Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre: Eintritt frei


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