Romaine Zieser in ihrem Bistrot (Foto: Gerd Holzer)

Frauenpower auf dem Land

Tour de Kultur 2021: Ein Bistrot im kleinsten Dorf Luxemburgs

Sven Behrmann   19.07.2021 | 06:00 Uhr

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Das 40 Kilometer nordwestlich von Luxemburg-Stadt gelegene Rindschleiden ist der kleinste Ort Luxemburgs. In ihm gibt es drei Gebäude: eine Kirche aus dem 10. Jahrhundert, die dem Heiligen Willibrord geweiht ist; das Museum Thillenvogtei, das Einblicke in das frühere Landleben gibt; und das Bistrot Miro.

Tour de Kultur 2021: Ein Bistrot im kleinsten Dorf Luxemburgs
Audio [SR 3, Sven Behrmann, 26.07.2021, Länge: 03:02 Min.]
Tour de Kultur 2021: Ein Bistrot im kleinsten Dorf Luxemburgs

Offiziell hat der Ort einen Einwohner. Er heißt Marco Ney. Er wohnt aber nur auf dem Papier in Rindschleiden, in Wahrheit jedoch im Nachbarort, wo er eine Familie gegründet hat. Deshalb zu behaupten, in Rindschleiden lebe „kein Schwein“, wäre aber falsch. Denn in dem Mini-Ort sind die beiden Hausschweine Horri und Fredi zu Hause, außerdem drei Katzen und ein paar Hühner.

Beileibe kein Geisterdorf

Luxemburgs kleinstes Dorf ist beileibe kein „Geister-Ort“. Tagsüber kommen Leute, um das Museum oder die alte Kirche zu besichtigen. Und abends, um ins Bistrot Miro zu gehen.

Die Inhaberin, Romaine Zieser, wohnt im zehn Kilometer entfernten Vichten. Rindschleiden aber fasziniert sie: „Das ist so ein magischer, besonderer Ort. Und das fühlt man auch gleich, wenn man hier herunterfährt. Wenn man hier auf der Straße runterkommt, dann ist man irgendwo anders auf der Welt.“ Und in ihrem Lokal auch in einer anderen Zeit.

Swing, Schlager und alte Hollywood-Filme

Romaine Zieser in ihrem Bistrot  (Foto: Gerd Holzer)

Romaines Vorliebe für die 1960er, 50er oder noch frühere Jahre ist nicht zu übersehen. An den Wänden hängen Fotos von Sängerinnen und Schauspielerinnen aus den 30er Jahren aufwärts. Dazu hat sie mit dem Edding in Schönschrift Namen und Zitate von ihnen geschrieben. Kein Zufall: Romaine steht auf Swing, Schlager und alte Hollywood-Filme.

„Als 15-Jährige war ich schon total fasziniert von der Mode, vor allem auch von den dunklen Frauenstimmen wie Zarah Leander, wie Marlene Dietrich, wie Lale Andersen“, erzählt sie mit einem Leuchten in den Augen. „Das hat mich eigentlich immer fasziniert. Aber ich habe mich damals geschämt. Ich konnte das nicht zugeben, das war gar nicht in und gar nicht modern.“ 

Nun lässt sie alle an ihrer Leidenschaft teilhaben. Mit ihrem Kurzhaarschnitt, den nachgezeichneten Augenbrauen und dem Lidschatten könnte Romaine selbst aus dieser Ära stammen, in der die Frauen immer selbstbewusster wurden.

"Wow, da ist eine Seele drin"

Ursprünglich war das Gebäude, in dem sich jetzt ihr Bistrot befindet, ein Schweinestall. Dann hat die Gemeinde ihn grundsaniert, um ihn zu verpachten. Damals wirkte der Raum wenig einladend, aber das hat Romaine nicht abgeschreckt: „Ich habe durch die Fenster geguckt und ich habe gedacht: Wow, da ist eine Seele drin. Da kann ich echt etwas Schnuckliges draus machen.“

Seit mittlerweile 27 Jahren ist Romaine Zieser Wirtin. Vorher arbeitete sie als Friseurin: „Ich wollte nicht mehr zur Schule gehen, da hatte ich zwei Möglichkeiten: Friseurin oder Verkäuferin. Da habe ich gedacht: mach ich halt Friseurin. Aber das war eigentlich nie mein Job oder das, was ich wirklich wollte. Und dann habe ich meinen damaligen Freund kennengelernt. Der war Koch. Wir haben zusammen ein Café angefangen. Und da habe ich bemerkt, dass das eigentlich mein Leben war: die Musik, die Atmosphäre und das ganze Drumherum.“

24 Plätze und fast immer ist es voll

Gäste in Romaine Ziesers Bistrot (Foto: Gerd Holzer)

Auch ohne Ortsansässige bekommt Romaine den Laden regelmäßig voll. Obwohl sie keine Werbung macht, wie sie sagt. Fast jeden Tag sind die 24 Plätze im Bistrot besetzt, auch die Bänke, die sie draußen hingestellt hat. Und es ist klar: „Laufkundschaft“ gibt es nicht, wer hierher kommt, tut das bewusst – weil das Bistrot ein bisschen außergewöhnlich ist, und weil es dort gut schmeckt. Gekocht wird frisch und bodenständig. Küchenchef Fernando kauft selbst ein – das meiste lokal.

Romaine ist mittlerweile Mitte 50 und steckt nach wie vor voller Tatendrang. Das Bistrot soll allerdings ihr letztes Projekt sein: „Ich will bleiben, bis ich 85 bin. Das habe ich der Gemeinde Wahl versprochen. Und das werde ich auch tun. Darum ist das Lokal auch so klein, und alles ist flach, wie Sie bemerkt haben. Jeder kann hier reinrollen oder -gehen oder wie immer er will.“

Bis zu Romaines Rente sind es noch ein paar Jahre. Und vielleicht lässt sich bis dahin ja doch jemand in Rindschleiden nieder. Und sei es nur, um den kürzesten Weg zu Romaines Bistrot zu haben.


Auf einen Blick


Bistrot Miro
2 Maison
L-8831 Rindschleiden (Randschelt)
Tel.: (00352) 62 15 03 710
E-Mail: cafehs@pt.lu

Öffnungszeiten
täglich 18.00 - 1.00 Uhr

Anfahrt
Mit dem Auto (anders geht’s nicht) über die A8 nach Luxemburg, die dort zur A13 wird. Nach 20 Kilometern auf die A3 Richtung Luxemburg/Brüssel abfahren, nach weiteren neun Kilometern auf die A1 Richtung Ettelbrück, danach geht es neun Kilometer auf der A7 weiter, ebenfalls nach Ettelbrück. Nach 27 Kilometern die Ausfahrt zur B7 nehmen, dann auf die N7 und die N15, immer in Richtung Bastogne. Nach elf Kilometern auf der N15 im Kreisverkehr die dritte Ausfahrt Richtung Eschdorf. Dann immer auf der CR308 bleiben. Sobald Sie auf die N12 treffen, links abbiegen (Bousserstrooss), bei der Weggabelung nach 350 Metern dann nach rechts fahren (Martelerstrooss). Nach drei Kilometern rechts abbiegen auf die CR306 Richtung Rindschleiden.


Die Tour de Kultur 2021


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