Yeboah-Prozess. Justizbeamte führen den Angeklagten in den Gerichtssaal des Oberlandesgerichts.  (Foto: Imago/BeckerBredel)

Yeboah-Prozess: Angeklagter beschuldigt Dritten als Haupttäter

mit Informationen von Thomas Gerber   09.05.2023 | 12:43 Uhr

Im Prozess um den Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in Saarlouis hat der Angeklagte einem ehemaligen Mitglied der Neonazi-Szene die Hauptschuld zugeschoben. Dieser habe das Feuer gelegt - er selbst sei nur dabei gewesen.

Am Dienstag hat der 51-jährige Angeklagte Peter S. im sogenannten Yeboah-Prozess vor dem Oberlandesgericht Koblenz das angekündigte Geständnis abgegeben. Über seinen Verteidiger räumte der 51-Jährige die Tat zwar ein, belastete zugleich aber seinen ehemaligen Neonazi-Kameraden Heiko S. schwer.

Video [aktueller bericht, 09.05.2023, Länge: 2:56 Min.]
Angeklagter beschuldigt Dritten als Haupttäter im Fall Yeboah

"Randale" machen

Nach einem gemeinsamen Kneipenbesuch mit dem damaligen Anführer der Skinheadszene, Peter St., und reichlich Alkohol habe er sich in der Nacht zum 19. September 1991 gemeinsam mit Heiko S. am Saarlouiser Hauptbahnhof verabredet, um "Randale" zu machen - wie zuvor in Ostdeutschland.

Man sei zu der nahegelegenen Asylbewerberunterkunft gegangen, habe die Lage ausgekundschaftet und schließlich im Treppenhaus Feuer gelegt. Heiko S. habe das Benzin in einem Kanister mitgebracht und auf dem Treppenabsatz vergossen und anschließend das Feuer gelegt.

"Das Geständnis war von dem Bemühen geprägt, seine eigene Rolle runterzuspielen"
Audio [SR 3, Moderation: Simin Sadeghi, 09.05.2023, Länge: 04:54 Min.]
"Das Geständnis war von dem Bemühen geprägt, seine eigene Rolle runterzuspielen"

Anführer der Skinheadszene sei nicht involviert gewesen

Der Beschuldigte hat am Dienstag damit zwar ein Geständnis abgelegt, seine Tatbeteiligung aber heruntergespielt. Zugleich betonte er, dass die Tat ohne Wissen des Anführers Peter St. geplant und ausgeführt worden sei.

Der nun beschuldigte Heiko S. war seinerzeit ein bekennender Neonazi gewesen, ist in den 90er Jahren aber aus der Szene ausgestiegen. Ob die Schilderungen des Angeklagten glaubhaft sind, will das Gericht nun prüfen.

Peter S. fügte bei seiner Einlassung hinzu, dass er den Vorfall zutiefst bedaure. Er habe sich aus Angst vor der linken Szene nicht früher geäußert. Bisher hatte er die Tat stets bestritten.

Nebenklage zweifelt Aussage an

Ein Vertreter der Nebenklage erklärte, die Einlassung entspreche nicht der Beweisaufnahme und lasse Zweifel offen. Der Prozess wird mit der Vernehmung von Ermittlungbeamten fortgesetzt.

Peter S. muss sich seit November unter anderem wegen Mordes aus rassistischer Gesinnung verantworten. Bei dem Brandanschlag vor mehr als 30 Jahren auf ein Asylbewerberheim in Saarlouis war der ghanaische Flüchtling Samuel Yeboah verstorben.

Rückblick:

Ankündigung der Verteidigung
Angeklagter im Yeboah-Prozess will Geständnis ablegen
Im Prozess um den tödlichen Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in Saarlouis vor 30 Jahren gibt es offenbar eine Wende. Wie die Verteidigung mitteilte, will der Angeklagte am Dienstag ein Geständnis ablegen. Unterdessen schilderten frühere Streetworker ihre Erfahrungen mit der damaligen Skinheadszene in Saarlouis – und widersprachen auch der Polizei.

Mehr zum Thema

Die Podcast-Serie zum Mordprozess
Der Fall Yeboah – Rassismus vor Gericht
1991 stirbt Samuel Yeboah durch einen Brandanschlag auf die Asylunterkunft in Saarlouis. Erst über 30 Jahre später wird der Mord als rassistisch motivierte Tat verfolgt und steht möglicherweise vor der Aufklärung. Warum erst jetzt? Dieser Frage gehen die SR-Journalistin Lisa Krauser und ihre beiden Kollegen Thomas Gerber und Jochen Marmit in einem mehrteiligen Podcast nach.

Über dieses Thema berichteten auch die SR-Hörfunknachrichten am 09.05.2023.


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