Logo der Uniklinik Homburg (Foto: Pasquale D'Angiolillo)

Keine Infos an Eltern: Ministerium wusste Bescheid

Thomas Gerber   10.07.2019 | 18:19 Uhr

Dem Justizministerium lagen bereits Mitte 2016 Hinweise vor, dass im Homburger Missbrauchsskandal zunächst keinerlei Information der Eltern geplant war. Die damalige Justizstaatssekretärin Anke Morsch (SPD) hatte zuletzt erklärt, sie sei "selbstverständlich" davon ausgegangen, dass dies durch die Uniklinik erfolgt sei.

"Nach unserer Einschätzung wäre es im Sinne der ehemaligen Patienten und ihrer Eltern am günstigsten, wenn die Familien überhaupt nicht kontaktiert werden. Zum Schutz der Patienten halten wir eine allgemeine Information für nicht zielführend." Zu dieser Einschätzung kommt die Justitiarin des Universitätsklinikums des Saarlandes (UKS) am 22.07.2016 in einem Schreiben an die ermittelnde Staatsanwältin, die zu diesem Zeitpunkt nach dem Tod des Assistenzarztes Matthias S. die Eltern seiner mutmaßlichen Opfer noch anschreiben wollte. Das Vorhaben gab die Staatsanwältin später auf und entsprach damit der Bitte der Uniklinik.

Über diesen Sinneswandel war das Justizministerium von der Staatsanwaltschaft informiert worden. Den damals Verantwortlichen lag auch das Schreiben der UKS-Justitiarin vor, bestätigte das Ministerium dem SR. Auch wenn sich das Schreiben fast schon wie ein psychiatrisches Gutachten und Plädoyer für eine Nicht-Information der Betroffenen liest (um diese "vor psychischen Belastungen und Verunsicherungen zu schützen"), Ex-Staatssekretärin Morsch hat es anders interpretiert.

Keine Hinweise an Kollegen

Dem SR teilt sie mit, dass es ihrer "Erinnerung nach nur um die Frage einer Information (der Eltern) durch die Staatsanwaltschaft ging", die nach dem Tod von Matthias S. ihre Ermittlungen einstellen musste. Im Übrigen habe sich ihre Rolle als "Amtschefin im Justizministerium darauf beschränkt, ob aufgrund einer evidenten Rechtswidrigkeit vom Weisungsrecht des Ministeriums (gegenüber der Staatsanwaltschaft) Gebrauch gemacht werden muss." Dies sei damals nicht der Fall gewesen.

Auch dass sie ihren Staatssekretärskollegen im Wissenschafts- bzw. Gesundheitsministerium keinen Hinweis gab, hält Morsch für korrekt: "Eine Weitergabe von Informationen innerhalb der Landesregierung wäre nicht zulässig gewesen". Das habe rechtliche Gründe gehabt.

Schuldzuweisung an UKS

Morsch kann also keine eigenen Fehler beim Umgang mit dem Missbrauchsskandal erkennen. Stattdessen legt sie bei ihrer Kritik am Vorgehen der Uniklinik nach. Sie sei davon ausgegangen, dass sich eine "öffentliche Einrichtung wie das UKS an Recht und Gesetz hält und ihrer Pflicht nachkommt, die Eltern zu informieren." Es bleibe "vollkommen unverständlich", dass die Uniklinik weder die Rechts- noch die Fachaufsicht eingeschaltet habe. Die Ex-Staatssekretärin und aktuelle Präsidentin des Finanzgerichts nennt das Vorgehen der Klinik "mit dem Wissen von heute skandalös", da es schon früh Hinweise und Beschwerden über den Assistenzarzt gegeben habe.

Die frühere Präsidentin der Psychotherapeutenkammer, Ilse Rohr, warf der Homburger Uniklinik im SR-Interview Versagen vor. Die Begründung des Klinikums gehe von Dingen aus, die so in der Realität nicht gegeben seien. „Kinder merken eigentlich immer, wenn in einer Situation etwas kippt, wenn der Erwachsene sexuelle Hintergedanken oder Begleiterscheinungen hat, das Kind sehr gerne auf den Schoß nimmt oder ähnliches. Dann merken Kinder: Irgendwas wird komisch.“ Wichtig sei dann, so Rohr, dass das Kind so etwas mitteilen können muss, dass es verstanden und ernst genommen wird.   

Lafontaine: U-Ausschuss "unvermeidlich"

Mit der einseitigen Schuldzuweisung Morschs in Richtung Uniklinik wollen sich die Linken im Landtag allerdings nicht zufriedengeben. Fraktionschef Oskar Lafontaine erinnert daran, dass Morsch zur fraglichen Zeit faktisch Justizministerin war. Minister Reinhold Jost (SPD) habe sein Amt ruhen lassen, da gegen ihn in der "Rote-Hosen-Affäre" der SPD-Landtagsfraktion ermittelt worden sei. Morsch sei als "Ministerin" von der Staatsanwaltschaft ständig auf dem Laufenden gehalten worden und ihrer Informationspflicht gegenüber der damaligen Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) dann nicht nachgekommen.

Das geht für Lafontaine auch mit AKK heim, die als Regierungschefin sozusagen ihren Laden nicht im Griff gehabt habe. Für Lafontaine ist ein Untersuchungsausschuss zum Homburger Missbrauchsskandal inzwischen "unvermeidlich".

Über dieses Thema haben auch die SR-Hörfunknachrichten am 10.07.2019 berichtet.

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