Geldstücke auf einer Waage (Foto: dpa)

Der große Streit um den kommunalen Finanzausgleich

Denise Friemann   31.01.2023 | 16:27 Uhr

Die einen sollen mehr Geld bekommen, die anderen weniger: Die Reform des kommunalen Finanzausgleichs ist einer der größten Streitpunkte in der saarländischen Politik. Das Beispiel zweier Kommunen zeigt, wie festgefahren die Situation ist.

Eigentlich sieht die St. Josef Grundschule in Merzig auf den ersten Blick ganz in Ordnung aus. Wie eine normale Grundschule eben – mit Spielgeräten, einem großen Schulhof und sogar einem Klettergerüst. Und trotzdem gibt es an der Schule dringenden Sanierungsbedarf.

Video [aktueller bericht, 31.01.2023, Länge: 4:04 Min.]
Kommune66 – Reform des kommunalen Finanzausgleichs

Die Fenster müssen laut dem Merziger Bürgermeister Marcus Hoffeld (CDU) dringend ausgetauscht werden. Kostenpunkt: zwischen 600.000 und 800.000 Euro. Und auch bei den Schultoiletten gebe es Verbesserungs- und Umbaubedarf. Das große Problem aber: Es fehlt der Kommune an Geld, um diese Maßnahmen umzusetzen.

"Kommune 66 - große Politik vor Ort": Der kommunale Finanzausgleich
Audio [SR 3, Emil Mura, 31.01.2023, Länge: 03:01 Min.]
"Kommune 66 - große Politik vor Ort": Der kommunale Finanzausgleich

Gewinner- und Verliererkommunen beim kommunalen Finanzausgleich

Seit der geplanten Reform des kommunalen Finanzausgleichs, für die es schon vor zwei Jahren den ersten Gesetzesentwurf gab, gibt es Streit. Streit zwischen den Kommunen und dem Land, aber auch unter den Kommunen selbst. Denn das neue Modell hätte Gewinner und Verlierer.

Bisher wurde das Geld, das den saarländischen Kommunen gesetzlich durch das Kommunalfinanzausgleichsgesetz zusteht, so verteilt, dass zum Beispiel Gemeinden mit besonders vielen Einwohnern, hohen Soziallasten oder einem überdurchschnittlich langen Straßennetz Zuschüsse bekommen haben. Nach dem Vorschlag des Landes, der bislang auf dem Tisch liegt, soll die Verteilung der Mittel anhand der tatsächlichen Finanzkraft und am Finanzbedarf der einzelnen Kommunen berechnet werden.

Dadurch würde vor allem den Kommunen im Nordsaarland und dem Bliesgau mehr Geld zustehen, während größere Städte wie Saarbrücken, Völklingen und Neunkirchen eher Geld verlieren würden. Und es geht um viel Geld: Im Landeshaushalt 2023 sind rund 800 Millionen Euro für den kommunalen Finanzausgleich vorgesehen. Er ist damit einer der größten Posten im Haushalt.

Kommunaler Finanzausgleich
Mehr Geld für Saar-Kommunen gefordert

Gewinner-Kommune Merzig: Jedes Jahr fehlen über eine Million Euro

Merzig wäre eigentlich eine der Kommunen, die von der geplanten Reform profitieren würde. Aber: "Wir verlieren als Kreisstadt Merzig jedes Jahr über eine Million Euro, wenn ich von dem Gutachten ausgehe, das ursprünglich aufgestellt worden ist", so Bürgermeister Hoffeld.

Dieses Geld könne die Kommune gut gebrauchen, nicht nur für die Grundschule. "Wir könnten auch im Bereich der Veranstaltungen deutlich mehr machen. Auch unsere Vereine könnten wir noch besser unterstützen."

Verlierer-Kommune Neunkirchen: Hier reicht das Geld jetzt schon nicht aus

Aber dann gibt es da ja noch die andere Seite. Die Kommunen, denen durch die Reform weniger Geld zustehen würde – oder kurz gesagt: die Verlierer. Zwar sind sich eigentlich alle einig, dass das Konzept des kommunalen Finanzausgleichs, das mittlerweile schon 40 Jahre alt ist, reformiert werden muss. Nur Geld abgeben, das will eigentlich niemand.

"Es ist ein zu kleiner Kuchen für zu viele hungrige Mäuler. Und das betrifft sowohl die, die nach dem bisherigen Entwurf einer Reform besser, als auch die, die relativ schlechter dagestanden hätten”, so der Neunkircher Oberbürgermeister und Präsident des Städte- und Gemeindetages, Jörg Aumann (SPD).

Die von der Landesregierung geplante Reform hätte Neunkirchen jedes Jahr zwölf Millionen Euro gekostet, so Aumann. Und das zusätzlich zu den Defiziten, die die Kommune jetzt schon verzeichnet. “Wenn jetzt diese zwölf Millionen noch on top gekommen wären, hätten wir ein Haushaltsdefizit von 25 Millionen Euro pro Jahr gehabt.”

Neues Gutachten soll Einigkeit bringen

Aumann fordert eine Überprüfung sowohl des vertikalen Finanzausgleichs, also der Summe, die das Land an die Kommunen weitergibt, als auch des horizontalen Finanzausgleichs, also die Verteilung unter den Kommunen. “Wir betreiben auch schon viel interkommunale Zusammenarbeit auf vielen Ebenen. Aber es bleibt im Endeffekt einfach so, dass wir zu wenig Geld haben”, so Aumann.

Ein neues Gutachten, bei dem Land und Kommunen gemeinsam die Gutachter und die Kriterien bestimmen, soll jetzt für Einigkeit sorgen. Dort soll laut Aumann dann auch der vertikale Finanzausgleich berücksichtigt werden. Dabei hatte Finanzminister Jakob von Weizsäcker (SPD) bei der Haushaltsdebatte im vergangenen Jahr noch gesagt: Mehr Geld vom Land wird es nicht geben.

Dass es keine Lösung geben wird, mit der alle zufrieden sein werden, das ist auch Aumann klar: "Trotzdem muss es gelingen, eine Reform hinzubekommen, bei der sich jedenfalls niemand als deutlicher Verlierer fühlt."

Und auch auf der vermeintlichen Gewinner-Seite wird auf das Gutachten gewartet. Der Kreis Merzig-Wadern hatte zuvor schon mehrfach Klage angedroht, sollte die Reform nicht umgesetzt werden. “Wir wollen aber erstmal abwarten, was die Gespräche mit der Landesregierung bringen”, so Hoffeld. Einen genauen Zeitplan dafür gibt es allerdings noch nicht – weder für die Gespräche, noch für das neue Gutachten.


Zum Projekt Kommune 66

Eins eint alle Kommunen im Saarland: Die Postleitzahl beginnt mit 66. Aber auch darüber hinaus gibt es viele Gemeinsamkeiten. Egal ob Kirkel, Oberthal oder Dillingen, Kommunen und Kreise müssen umsetzen, was in Brüssel, Berlin oder der Landeshauptstadt Saarbrücken entschieden wird. Bestellt wird oben, bezahlt werden muss oft unten – trotz klammer kommunaler Kassen.

In einer monatlichen Serie werden Reporterinnen und Reporter des SR in diesem Jahr noch genauer hinschauen, wo die Kommunen politisch der Schuh drückt.


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