Warum Frankreich an seiner Atompolitik festhält
Ein Gespräch mit SR-Frankreichexpertin Lisa Huth über die historischen Hintergründe der französischen Atompolitik
Die Beurteilung der Atomkraft als Energiequelle gehört traditionell zu den Konfliktthemen zwischen Deutschland und Frankreich. Anlässlich der Laufzeitverlängerung vieler älterer AKWs durch die französische Atomaufsichtsbehörde erläutert SR-Frankreichexpertin Lisa Huth die historischen Hintergründe.
Vor gut einem Jahr, am 22. Februar 2020, war in Frankreich der erste Atomreaktor im AKW Fessenheim heruntergefahren worden, einige Monate später folgte der zweite - und seitdem ist Fessenheim vom Netz. 56 andere Kernkraft-Reaktoren aber sind frankreichweit noch im Einsatz - und bei von 32 von ihnen mit einer Gesamtleistung von 900 Megawatt soll die erlaubte Lebensdauer auf bis zu 50 Jahre verlängert werden. Darauf hat sich die französische Atomaufsicht mit dem Betreiber EDF nach jahrelangen Gespräch vor Kurzem geeinigt.
Unterschiedliche Traumata
SR-Frankreich-Reporterin Lisa Huth erläutert im Gespräch mit SR-Moderatorin Katrin Aue den Stand der Dinge in Frankreichs Energiepolitik - und die historischen Hintergründe der unterschiedlichen Sichtweisen dies- und jenseits der deutsch-französischen Grenze. Die gehen nach ihren Recherchen nämlich zurück auf die unterschiedlichen Traumata der beiden Länder.
Unabhängigkeit in Frankreich hohes Gut
In Deutschland habe der "völlige Kontrollverlust" der Inflation des Jahres 1923 letztlich zur "harten D-Mark und zum harten Euro" geführt. "Das französische Trauma" dagegen sei die Erkkenntnis, "keine Bodenschätze zu haben bzw. nicht genügend, energetisch von Algerien, Russland, dem nahen Osten abhängig zu sein". Von daher garantiere die Atomkraft Frankreich, das längst sogar die Privatwohnungen per Atomstrom heize, "ein großes Stück Unabhängigkeit". Und relativ zu Deutschland gesehen sei Atomstrom in Frankreich "sehr viel billiger".
Stolz auf technische Fähigkeiten
Zudem vertraue Frankreich auf seine Fähigkeit, die Kernkraft kontrollieren zu können, sei "sehr stolz" auf seine "Ingenieure und Techniker". Und nicht zuletzt wolle man "im Winter nicht im Dunkeln erfrieren müssen", erklärte Huth. "Wer also mit französischen Vertreten verhandelt , der muss so was immer im Hinterkopf haben".
Auch ein Thema in "ici et là" vom 23. Februar:
Mehr zum Thema im Archiv:
Ein Thema in der Sendung "Der Morgen" am 01.03.2021 auf SR 2 KulturRadio. Das Symbolbild ganz oben zeigt die Kühltürme des Kernkraftwerks im französischen Cattenom (Archivfoto: SR Fernsehen).