"Kinder und Jugendliche sind nicht der Hotspot dieser Pandemie"
Ein Gespräch mit Prof. Markus Knuf, Leiter der Kinder- und Jugendabteilung der Helios Kliniken in Wiesbaden
Der Kinder- und Jugendarzt Prof. Markus Knuf hat die Pläne zu erneuten Schulschließungen im SR-Interview kritisiert. Anstatt Lösungen für den Präsenzunterricht zu präsentieren, greife die Politik nun schon wieder auf diese "sehr einfachen Maßnahme" zurück - zum vielfältigen Nachteil der Betroffenen.
Angesichts der absehbaren Lockdown-Verlängerung durch Bund und Länder werden Kinder und Jugendliche wohl zumindest teilweise schon wieder auf ihren Präsenzunterricht verzichten müssen.
Bessere Lösung versäumt
Für Prof. Dr. Markus Knuf, den Leiter der Kinder- und Jugendabteilung der Helios Kliniken in Wiesbaden, zugleich Mitglied der DAKJ-Kommission für Infektionskrankheiten und Impffragen, wäre das "eine sehr bedauerliche Entscheidung". Der Mediziner betonte, dass Kinder und Jugendliche "nicht der Hotspot dieser Pandemie" seien: "Sie sind eher Opfer als Täter", stellte Knuf im Gespräch mit SR-Moderator Jochen Marmit fest.
Seiner Überzeugung nach hätte die Politik "im Vorfeld nach Lösungen suchen können", um einen Schulunterricht vor Ort zu gewährleisten. Zum Beispiel mit AHA-Maßnahmen, die durch "intelligente Lösungen zu verstärken" seien. Knuf erinnerte daran, dass das Home-Schooling per Internet-Leitung keineswegs bei allen Kindern sinnvoll möglich sei - etwa bei bildungsferneren oder IT-technisch schlechter ausgestatteten Familien.
"Deutliche Spannungen"
Mit der "sehr einfachen Maßnahme" Schulschließung würden Kinder und Jugendlichen nun bereits im zweiten Jahr benachteiligt, was ihre Bildungs- und Entwicklungsförderung angehe. Zudem hätten erste Untersuchungen bereits gezeigt, dass u. a. das Nicht-Treffen von Gleichaltrigen "zu deutlichen Spannungen" in den Familien geführt und sich für Kinder und Jugendliche nachteilig ausgewirkt habe. In der Folge seien vermehrt Aggressionen, Depressionen und Entwicklungsdefizite zu befürchten. Knuf rief Kinder- und Jugendärzte auf, zu intervenieren: "Es kann nicht sein, dass diese Aspekte dabei außer acht gelassen werden", sagte Knuf.
Kinderbedürfnisse "relativ spät bedacht"
Überhaupt stellten er und seine Kolleginnen und Kollegen immer wieder fest, dass die Interessen und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen von Seiten der Politik "relativ spät bedacht" würden: "Das gilt für die Entwicklung von Medikamenten genauso wie für die Entwicklung von Impfstoffen; in diesem Fall eben auch für das Entwickeln von Hygienekonzepten, um die Beschulung weiter durchzuführen", sagte Knuf.
Hintergrund
Mehr zum Thema im Archiv:
Ein Thema u. a. in der Sendung "Der Nachmittag" am 05.01.2021 auf SR 2 KulturRadio.