Impfen (Foto: SR)

Die Angst vor dem Impfen

Ein Interview mit dem Psychiater und Angstforscher Prof. Borwin Bandelow

Interview: Kai Schmieding   18.03.2021 | 09:45 Uhr

Sieben Fälle von Hirnvenenthrombosen bei 1,6 Millionen Impfungen - das ist nicht besonders viel. Trotzdem wurden die Impfungen mit dem Vakzin AstraZeneca wegen Vermutung auf Nebenwirkungen in mehreren EU-Staaten vorläufig ausgesetzt. Das hat zu einer allgemeinen Verunsicherung und Angst vor dem Impfen geführt. Eine ganz natürliche Reaktion, meint der Psychiater und Angstforscher Prof. Borwin Bandelow.

Überproportionale Angst entsteht laut Prof. Borwin Bandelow vor allem durch neuartige Gefahren. So habe etwa die Gefahr durch das Corona-Virus noch vor weniger als einem Jahr Menschen weltweit in Panik versetzt, inzwischen habe man sich zum Teil daran gewöhnt. Nun sei die Impfung diese neue Gefahr und die Angst vor Nebenwirkungen bei vielen Menschen momentan stärker als die Angst vor dem Virus selbst.

Der Vertrauensverlust ist unwiderruflich

Als Ursache für die Angstreaktion nennt Bandelow das sogenannte "Angst-Gehirn". Es handelt sich dabei um ein primitives Überlebenssystem, das nicht mit Wahrscheinlichkeiten und Zahlen umgehen kann. Der Versuch der Politik, wissenschaftlich zu argumentieren, sei deshalb aktuell wenig zielführend, der allgemeine Vertrauensverlust, den die Aussetzung des Vakzins in den vergangenen Tagen angerichtet habe, unwiderruflich.

Die Gefahr bleibt das Virus selbst

Bandelow wünscht sich, dass das Risiko einer Impfung stärker in Relation gesetzt wird zum weitaus größeren Risiko,nicht-geimpft am Corona-Virus zu sterben. Außerdem warnt der Angstforscher davor, die Schuldigen in der Politik zu suchen. Die Gefahr sei nach wie vor das Virus selbst und die Überraschungen, die es mit sich bringe, auch für politische Verantwortungsträger nicht vorhersehbar.

Ein Thema in der Sendung "Der Morgen" vom 18.03.2021 auf SR 2 KulturRadio.

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