Soldaten im Ersten Weltkrieg bei der Mobilmachung (Foto: dpa)

Notizbuch 1914 - Als der Große Krieg begann

 

Feldpost und Fotos aus der Zeit des Ersten Weltkrieges (Foto: dpa)

SR 2-Redakteur Jochen Marmit gab in den Wochen bis Anfang September immer wieder Einblicke in das Alltagsleben der Menschen in den Sommertagen 1914 - den Tagen des Beginns des Ersten Weltkrieges. Das "Notizbuch 1914 - Als der Große Krieg begann" können Sie auch online hören.

Der Morgen
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Am 28. Juli 1914 - genau einen Monat nach dem Attentat von Sarajevo - erklärte die Österreichisch-Ungarische Monarchie mit der Unterschrift ihres Kaisers Franz Joseph dem Königreich Serbien den Krieg, der später als "Erster Weltkrieg" Eintrag in die Geschichtsbücher fand.

Mit "Geschichtsbüchern" ganz anderer Art hat sich SR 2-Redakteur Jochen Marmit beschäftigt - nämlich mit überwiegend privaten Notizbüchern und Tagebuchaufzeichnungen aus der Zeit von Juni bis September 1914, die er in den Archiven der Region zu Tage fördern konnte. Herausgekommen ist nicht nur das lange SR 2-Feature "Zwischen Kleinkram und Kleinkrieg", sondern auch die Reihe "Notizbuch 1914 - Als der Große Krieg begann" - bis zum 5. September 2014 jede Woche im Programm von SR 2 KulturRadio.


Interview mit Notizbuch-Autor Jochen Marmit


SR 2-Moderator Holger Büchner: Jochen, was steht drin - in diesem Notizbuch 1914?

SR 2-Redakteur Jochen Marmit: Es sind Einblicke in eine Welt vor dem Untergang - man muss das so drastisch beschreiben, denn mit Ausbruch des Krieges hat sich innerhalb von vier quälenden Jahren alles verändert, was beispielsweise Johanna Wahlster aus Alt-Saarbrücken kannte. Sie ist zehn Jahre alt, beschreibt das Leben und die Stadt in den Jahren vor dem Krieg. Das sind die Tagebucheinträge, die im Notizbuch auftauchen. Familienleben - eine strenge Mutter und ein über alles geliebter Vater, den der Krieg ihr mit einem Paukenschlag entreißen wird. Ein zweiter ist der Blick über die Grenze nach Luxemburg. Dort schreibt der Zeitungsjournalist Batty Weber jeden Tag seine Kolumne - den "Abreißkalender". Er beobachtet Phänomene des Alltags - wie die betörende Akazienblüte, gesellschaftliche Ereignisse, wie die Wahlen und Anti-Preußenstimmung, aber auch Überlegungen zu Krieg und Frieden - denn so ganz sicher ist es auch Mitte Juni 1914 schon nicht mehr - dass es friedlich bleibt.

Büchner: Und das wird auch aus den anderen Einträgen erkennbar, die im Notizbuch 1914 stehen?

Marmit: So ist es. Ich habe mich bei meiner Spurensuche auch in die "Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch" vertieft - und zwar jene, die im Auswärtigen Amt 1914 gelandet sind. Das sind über tausend Telegramme und Depeschen, die zwischen den Botschaften, Konsulaten, Staatssekretären, dem Reichskanzler sowie den Kaisern DR und Österreich und dem Zaren in Russland hin und her geschickt wurden. Und zwar zwischen Juni und September 1914. Das sind wirklich faszinierende Zeugnisse aus einer Zeit, die von Umbruch, Fehleinschätzungen, imperialem Stolz und blindem Vaterlandsvertrauen geprägt war. Als Beispiel ein Telegramm von Kaiser Wilhelm dem Zweiten an den russischen Zaren, als der Krieg noch nicht erklärt, aber greifbar ist. Er bittet ihn um Einlenken und Maßhalten - schreibt aber auch, dass es nun nicht mehr an ihm sei, den Krieg zu verhindern, sonder allein in Händen des Zaren - grüßt ihn freundlich mit "Dein Freund Willy" und es ist klar - mit diesem Schreiben ist das Schicksal von Millionen Menschen besiegelt.

Antiquariat (Foto: dpa)
Foto: dpa

Büchner: Und die Telegramme im Notizbuch werden in der MorgenMusik jeweils an dem Tag laufen, an dem sie vor genau 100 Jahren abgeschickt worden sind?

Marmit: Wir schlagen das Notizbuch auf und lesen, welche Randnotizen Kaiser Wilhelm an das Telegramm aus Wien heute genau vor 100 geschrieben hat - sein Lieblingskommentar war übrigens "Blech!", wenn ihm was nicht gefallen hat. Und bekommen einen Blick auf den Tag in Luxemburg und Alt-Saarbrücken.

Büchner: Und ab Anfang August ändern sich dann die Einträge - der Krieg hat begonnen...?

Marmit: Was das Notizbuch aber weiterhin leistet, ist ein Einblick in die Welt jener, die vom Krieg betroffen sind, aber nicht als Soldaten in ihn ziehen. Kriegstagebücher wollte ich nicht schon wieder lesen. Vielmehr wird es dann Notizen aus Lothringen und dem Saargebiet geben: so aus dem Tagebuch der Anna Steinmetz, einer Hausfrau aus Uchtelfangen, die den Krieg zu Hause erlebt und dort ums Überleben kämpft. Außerdem habe ich im Archives de la Moselle in Metz das Kriegstagebuch eines Abtes entdeckt, der die Truppen und Kämpfe, die Veränderungen und Ereignisse dokumentiert - sehr präzise Ausschnitte von vor 100 Jahren - die vielleicht ja auch unser eigenes Erinnern oder Geschichtsbild in Bewegung bringen.


Banner: ARD Spezial zum Beginn des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren (Foto: ard.de)

Hintergrund

Die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts

Der Erste Weltkrieg (1914 - 1918) war der erste industriell geführte Massenkrieg in der Geschichte der Menschheit. Niemals zuvor kämpften Armeen in solch gigantischen Größenordnungen gegeneinander. Am Ende befanden sich drei Viertel der Weltbevölkerung im Kriegszustand - mehr als 17 Millionen Menschen starben.

Ein ARD.de-Spezial anlässlich des Kriegsbeginns vor 100 Jahren.



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