SR 2-Kolumnist Brunner (Foto: SR)

„Trübe Aussichten“

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 12.05.2023 16:45 Uhr

Nr. 935

Nicht dass Sie denken, ich hätte besonders heftige Angst vor dem… naja, Sie wissen schon, man sprichts ja nicht gerne aus. Vor dem Ableben. Aber ich bin ja nun doch in einem Alter, in dem man beim Überfliegen der Todesanzeigen unwillkürlich ins Rechnen gerät. Nachdem man erleichtert festgestellt hat, dass der eigene Name nicht dabei ist.

Dieser Tage blieb mir aber nun doch fast der Getreidebratling im Halse stecken, als das Radio das neueste Ranking der Lebenserwartungszahlen in Westeuropa verkündete. Von 16 berücksichtigten Ländern landete unsere Bundesrepublik für die Männer auf Platz 15, die Frauen nur wenig besser auf Platz 14. In erschreckenden Jahresangaben heißt das: Knapp bemessene 78,8 Jahre für uns Männer! Barscheck und ihre Geschlechtsgenossinnen können sich dann noch weitere fünf Jahre ihren Aperol schmecken lassen.

78, 8 Jahre – da gerät einem jenseits der 70 das drohende Ende doch trotz zunehmender Kurzsichtigkeit in beängstigende Sichtweite. Schuld daran sind – sagen die Wissenschaftler – hauptsächlich Herz- und Kreislauferkrankungen. Mangelnde Vorsorge, vor allem natürlich bei Männern. Keine Ahnung, welche unglückliche Kombination von Hormonen uns die Evolution da zugeteilt hat, die verhindert, dass wir uns zu einem Arzt begeben, wenn’s nicht dramatisch blutet, unaushaltbar schmerzt oder irgend ein Körperteil offenkundig nicht mehr an seinem Platz ist. Ist halt so. Pflaster drauf, Schnäpschen dabei, geht schon.

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Ableben
Podcast [SR 2, Peter Tiefenbrunner, 12.05.2023, Länge: 04:20 Min.]
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Unerfreulicherweise ist zur gleichen Zeit wieder mal – oder noch immer? - die gute alte Rentendebatte im Gange. Könnte man nicht doch vielleicht bis 70 oder wenigstens bis 69 arbeiten? Bei dem Facharbeitermangel! Und den schwächelnden Rentenkassen. Und bevor man sowas wie eine Bürgerversicherung in Erwägung zieht, bei der sich dann auch die gehobeneren Einkommensschichten am Solidarpakt beteiligen müssten. Die Ökonomen der Deutschen Bank, einer Institution, die ja seit jeher als Hort sozialen Vordenkens gilt, schlägt vor, dass man das Renteneintrittsalter doch an die Lebenserwartung koppeln könnte. Also: Wer droht, länger zu leben, kann auch länger arbeiten. Das „würde den Druck verringern, immer wieder andere Stellgrößen wie den Beitragssatz oder die steuerfinanzierten Mittel des Bundes für die Rentenkasse anpassen zu müssen“, heißt es da. Und  es würde „verhindern, dass die Rentenjahre stärker steigen als die Beitragsjahre“. Ja, nee, ist klar. Eine andere Studie hat ja auch festgestellt, dass längere Lebensarbeitszeit die Lebenserwartung deutlich verkürzt. Das müssen die Deutsche-Bank-Ökonomen wohl auch gelesen haben. Eine echte win-win-Situation.

Sogar Robert Habeck lehnt sich in der Debatte aus dem Fenster. Aus dem Renteneintrittsfenster genauer gesagt, denn so eines wünscht er sicht statt eines fixen Rentenalters. Einfacher gesagt: Wer will darf länger arbeiten, bevor er aus dem Fenster steigt. Hieß das nicht schon mal Flexirente oder so? Und was heißt schon: „wer will“? Wenn die Alternative Flaschensammlung und Tafel heißt.

Um aber nochmal auf die Lebenserwartung zurück zu kommen: Die ist im westeuropäischen Vergleich am höchsten bei den Frauen in Spanien - mit 86,2 Jahren. Also, liebe Mitmänner: Sollte es eines fernen Tages knöchern an Ihre Türe klopfen und Sie durch den Türspion etwas aufblitzen sehen, dass eventuell die Reflexion eines frischgeschliffenen Sensenblattes sein könnte - zögern Sie nicht im schönsten Falsett anzustimmen: "L'amour est un oiseau rebelle". Sie wissen schon: Carmen, erster Akt. Tatammtamtam- tatammtatam…

Mit etwas Glück dreht der unerwünschte Gevatter dann nochmal ab. Oder der Schornsteinfeger wundert sich. Aber der soll ja auch Glück bringen.

Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 12.05.2023 und in "Der Morgen" am 13.05.2023 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

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