SR 2-Kolumnist Brunner (Foto: SR)

„Kommt Zeit kommt Rat“

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 28.04.2023 16:45 Uhr

Nr. 933

Nicht dass Sie denken, ich hielte viel von Weltuntergangspropheten. Jene Menschen, die sich beim Herannahen eines Kometen oder Ausbrechen eines Vulkanes sofort im nächstgelegenen Stadtpark oder in dern Shopping-Meilen der Großstädte auf eine Bierkiste stellen und das nahende Ende verkünden. Ein Verhalten, das ja auch deutlich abgenommen hat, seit virtuelle Bierkästen an jeder Ecke des Internets bereitstehen. Erreicht mehr Leute, man braucht nicht so zu brüllen und es regnet  im Internet auch seltener. Die Botschaften allerdings sind doch weitestgehend die gleichen geblieben.

Schön also, wenn sich dieser Tage nun eine neue Prophetenzunft zu Wort meldet, die die frohe Kunde bereitstellt, dass die Welt eben nicht untergeht. Zumindest nicht demnächst. Oder konkreter, wie es das Aushängeschild der Rosaseher in unserem Lande, Friedrich Merz, im ARD-Morgenmazin verkündete: „Es ist eben gerade nicht so, dass morgen die Welt untergeht.“ Und da hat er Recht gehabt, schließlich ist auch heute die Welt noch da – falls ich nichts verpasst habe. Was für eine schöne Botschaft am frühen Morgen – leider hat der Verkünder noch weitergesprochen. Hättest du geschwiegen, wärest du – ja, vielleicht nicht unbedingt ein Philosoph geblieben, aber doch wenigstens ein ernstzunehmender Diskussionspartner.

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Sein optimistischer Satz vom ausbleibenden Weltuntergang diente dem CDU-Chef nur als Einleitung zum Rundumschlag gegen all diejenigen, die sich ernsthafte Sorgen machen über den Klimawandel und seine Folgen. Klar: „Jeder von uns  nimmt das Thema Klimaschutz sehr ernst“, beteuert der famose Friedrich, aber „ wenn wir in den nächsten 10 Jahren die Weichen richtig stellen, sind wir auf einem guten Weg.“ Wo der dann allerdings hinführt, lässt sich sehr präzise im unlängst veröffentlichen Bericht des Weltklimarates nachlesen. „Das Zeitfenster, in dem eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle gesichert werden kann, schließt sich rapide.“

Aber das sind ja auch nur Wissenschaftler. Und das ist eben genau der „Alarmismus“ mit dem auch einige in der Bundesregierung und vor allem auch die Klimakleber unterwegs seien. Die Menschen dürften jedenfalls  „nicht so konfrontativ mit Verboten behandelt werden“. Kommt Zeit, kommt Rat, und den bieten „marktwirtschaftliche Instrumente“ allemal besser als irgendeine „Verbots- und Regulierungspolitik“. So isses, das hat sich ja bislang schon bestens bewährt. Wer weiß, auf welchem Wert ohne die berühmte und stets helfende unsichtbare Hand des Marktes das Weltthermometer heute stünde. Niemand, nicht einmal Friedrich Merz.

Wo die Temperaturmarke allerdings faktisch heute steht, wissen wir: Insgesamt schon 1,15 Grad höher als vor der Industrialisierung, über den Landflächen ist die 1,5 Grad-Latte  sogar schon gerissen. Ja, ja, aber da sind ja die Technologien, die es noch nicht gibt, auch noch nicht einberechnet! Und das ist „keine Wette auf die Zukunft“, sagt Friedrich Merz. Versteh ich, würd ich auch nicht drauf wetten. Merz jedenfalls sieht da noch „die nächsten 20 Jahre Zeit“. Heute würde das Thema in der politischen Debatte ohnehin überbewertet. „Für die Bevölkerung rangiert es schon seit langer Zeit“ gar nicht so weit oben.

Mittelfristig steht ja erstmal die Frage der Kanzlerkandidatur an. Dafür muss die CDU „runderneuert“ werden, damit „die Menschen draußen das Gefühl haben, dass diese CDU wieder regieren kann.“ Wie lang das allerdings dauert, weiß man auch nicht so genau. Meiner Nachbarin Barscheck jedenfalls ist da jeder Alarmismus fern. Aus ihrer Sicht wären auch da „die nächsten 20 Jahre Zeit“. Gut Ding will Weile haben.


Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 28.04.2023 und in "Der Morgen" am 29.04.2023 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

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