SR 2-Kolumnist Brunner (Foto: SR)

Atomkraft - ja bitte !

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 21.04.2023 16:45 Uhr

Nr. 932

Nicht dass Sie denken, ich hätte mir keine Gedanken gemacht. Der 15.April 2023, also der vergangene Samstag, war doch ein historisches Datum! Die endgültige Abschaltung der noch im Betrieb befindlichen Kernkraftwerke Deutschlands! Unser Treppenabsatz, dessen Bewohner:innen, also meine Nachbarin Barscheck und ich, ja nun mal ausgewiesene, altgediente Kämpfer:innen gegen die Atomkraft sind, hatte da schon eine kleine Feierstunde für den Sonntagnachmittag geplant.

Das sorgfältig gehütete Album der Bots lag bereit – „Sieben Tage lang“, wissen Sie noch? -, das Loriot-Video vom Weihnachtsfest mit dem AKW-Bausatz, der so schön „Puff gemacht“ hat stand auf Anfang, und ich war eben dabei aus Schaumküssen und Keksröllchen kleine Reaktor-Naschwerke anzurichten, als mich die Nachricht erreichte. Ganz Deutschland hat abgeschaltet? Nein! Ein kleines Land am Südrande der Republik, beziehungsweise dessen Häuptling, will weitermachen. Markus Söder, der bekanntlich nichts weiter fürchtet, als dass ihm der weißblaue Himmel auf den Kopf fallen könnte und allenfalls eine weitere krachende Wahlschlappe, will weitermachen! Wenn’s sein muss, allein.

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„Jedes Fitzelchen Energie“ brauche sein Land, sagt er. Und deswegen ist es eine Dummheit jetzt abzuschalten, da macht er nicht mit und deswegen soll halt Isar 2 in Landesverantwortung weiter laufen. Geht nicht gibts nicht – da müssen eben das Grundgesetz und das Atomgesetz geändert werden, Und zwar gschwind. Nun ist zwar der Söder-Bua Träger des Karl-Valentin-Preises, zusammen mit solchen Humor-Koryphäen wie Heino, Volksrocker Andreas Gabalier und den Klitschko-Brüdern, aber es stellte sich bald heraus: Das mit dem bayerischen AKW-Alleingang war ernst gemeint.

Und damit da kein Missverständnis aufkommt: Den Atommüll will er dann nicht etwa auch in seinem Land lagern, weil „der Freistaat Bayern als  Standort für ein Atommüll-Endlager ungeeignet“ ist. Warum? „Wir haben gute fachliche Argumente, die dagegen sprechen.“ Verrät er aber nicht. Einen Standort im niedersächsischen Gorleben hält er dagegen für geeignet. Aber das wird natürlich nicht mehr diskutiert. „Die Frage ist bis heute nicht beantwortet, warum“, sagt Söder. Doch schon. Weil die Fachleute vom BGE „nicht ausräumbare Zweifel an der geologischen Eignung“ haben. Deswegen ist Gorleben von der Liste gestrichen, seit September 2021 übrigens, noch unter Schwarz-Rot! Aber das ist dem Söder wurschd, was früher mal war.

Früher, da hat er auch schon mal gesagt, dass er zurücktreten würde, wenn der Atomausstieg nicht 2022 käme. Aber das war 2011, da hat er noch grüne Krawatten getragen und war Umweltminister in Bayern. Da kann man ihm doch heute nicht mehr kommen damit. Überhaupt, so einer wie der Söder sagt halt immer das, was es grad braucht. Um sich an der Macht zu halten. Da umarmt er halt Bienen, streichelt Bäume und rettet Hundewelpen. Oder umgekehrt, wurschd.

Ich frag mich ja bloß: Weiß der denn nicht, dass so eine Gesetzesänderung für sein Bayern-AKW eine Zwei-Drittel-Mehrheit braucht? Und es die nicht gibt? Doch, das weiß er, sagt Barscheck. Aber es ist noch ein halbes Jahr bis zu den Landtagswahlen. Grad genug Zeit um zu schauen, wie sein Getöse beim Wahlvolk ankommt. Und falls es nicht so der Hit wird, auch noch genug Zeit, dass die Leut es bis zum Kreuzel-Machen wieder vergessen haben. Irgendwas zum Streicheln und Umarmen wird sich schon finden lassen.

Wie hat der Markus mal gesagt: „Moral ist in der Politik selbstverständlich keine Kategorie, außer wir wollen jemandem schaden.“ Dann schaun mer mal.


Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 21.04.2023 und in "Der Morgen" am 22.04.2023 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

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