„Da kräht das Huhn“
Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören
Sendung: Freitag 06.04.2023 16:45 Uhr
Nr. 930
Nicht dass Sie denken, ich merkte das nicht: Der Frühling naht. Hier und da flattert doch schon ein Zipfel des berühmten blauen Bandes durchs Blickfeld und auch die gütigen Schweizer Chocolatiers aus der Werbung zurren wieder liebevoll kleine Glöckchen um wehrlose Goldhasenhälse. Süßer die Glocken nie klingen.Wenn ich auch fühle, es muss ja Lüge sein - ich lüge auch, und beiß rein.
Aber nichts gegen das Osterfest! Die Feiertage sind auch für Ungläubige wie mich gut auszuhalten. Die Kirchen halten sich vergleichsweise zurück, und das, obwohl Ostern das wichtigste Fest im christlichen Kirchenjahr ist. Aber irgendwie tut sich das religiöse Marketing mit Ostern nicht so leicht. Dem profanen Rammler und seinen artfremden Eiern ist symbolmäßig nicht beizukommen. Und allüberalll heidnische Bräuche: Osterfeuer und Osterräder und was dergleichen unchristliches Gedöns mehr ist.
Dabei gab es durchaus vielversprechende Ansätze – früher. Noch bis etwa zur Reformation hatte der Priester im Ostergottesdienst die Aufgabe, seine Schäfchen in der Kirche zum Lachen zu bringen. Risus paschalis, wie der Kirchenlateiner sagt. Wie überliefert ist, kamen die Schwarzröcke dieser Pflicht durchaus freudig und auch schon mal mit wüsten Grimassen und deftigen Zoten nach. Weswegen der Kanzel-Comedyauch irgendwann der rechtgläubige Garaus gemacht wurde. Schade eigentlich. Sicher schlummern auch heutigen Tags noch unerkannte Talente im Klerus. Warum dann nicht der zunehmenden Leere in unseren Gotteshäusern mit ein bisschen Frohsinn begegnen? Kommt ne Frau zum Bischof – kennste, kennste, ne?
Aber Spaß beiseite, da gibt’s nix zu Lachen, schon gar nicht, wenn du ein Huhn bist. Sagenhafte 20 Milliarden Eier verdrücken die Deutschen jährlich, wovon etwa 250 Millionen allein auf die Ostertage entfallen. Ostern is nix für Weicheier – hartgekocht sollten sie schon sein. Und schön gefärbt. Selbstverständlich mit biologischen, abbaubaren Naturfarben in anthroposophischen Pastelltönen – wenn schon die Eier aus der Legebatterie kommen. Und auch die Holzwolle für den traditionellen Nestbau ergrünt dank kaltgepresster Naturfarben aus nachhaltiger Forstwirtschaft. Dafür guckt sogar der strenge Onkel Cem Özdemir dann mal nicht so genau auf die Fett- und Zuckerbomben, die der Osterhase ins Nestchen legt. Für die Kinder nur das Beste.
Wie der FDP-Hase Christian Lindner sagt: „Der Staat muss Prioritäten setzen“. Womit er natürlich nichts gegen den österlichen Konsumaufschwung gesagt haben wollte. Sondern nur gegen die Kindergrundsicherung. Für die sieht der Chefliberale finanziell keinen Spielraum im Etat. Macht aber auch nix, schließlich hat man den nichtsnutzigen Gierhälsen ja gerade eine satte Kindergelderhöhung um 30 Euro in den stets aufgerissenen Schlund geworfen. Von denen zwar nix bei den armen Familien ankommt, weil sie in voller Höhe vom Bürgergeld wieder abgezogen werden, aber hey, so läuft’s halt. Das Leben ist kein Hühnerhof. Nicht nur immer die Hand aufhalten, Deutschland braucht Macher. So wie der Christian einer ist, der schon knapp nach der Volljährigkeit sein erstes Start-Up in die Pleite gefahren hat. Voll auf Risiko.
Meine Nachbarin Barscheck erinnert sich aus ihrer Jugend noch an etliche alternative Verwendungszwecke für Eier. Nicht nur ihr sagenumwobener Eierlikör, der natürlich auch dieses Jahr nicht beim Fest fehlen darf. Sie berichtet auch gerne von den früheren Aktionen ihrer Frauengruppe gegen die allzu gockeligen Alphamännchen. Da soll auch schon mal das ein oder andere Ei geflogen sein. War ja nicht alles schlecht früher. Frohes Nest!
Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 07.04.2023 und in "Der Morgen" am 08.04..2023 auf SR 2 KulturRadio.
Brunners Welt
Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!
Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.