Sendung: Freitag 03.02.2023 16:45 Uhr
Nr. 921
Nicht dass Sie denken, ich machte es mir zu leicht. Suchte mir aus der Vielzahl der täglichen Meldungen nur noch das Harmlose und Unverfängliche aus. Oder folgte gar den Ratschlägen einiger Bekannter, sich am besten gar keine Nachrichtensendungen mehr anzuschauen und keine Zeitungen mehr zu lesen - zu deprimierend sei das alles. Natürlich wissen wir, dass das keine gute Strategie ist. Nicht nur dass der Sand, in den man den meldungsmüden Kopf steckt, doch arg in den Augen brennt und im Kragen scheuert – irgendwann muss man ja doch mal wieder auftauchen, sei es zum Luftholen, zur Nahrungsaufnahme oder zur letzten Folge der gerade angesagten Serienstaffel. Und dann feststellen muss: Die Welt hat sich in der Zwischenzeit nicht zum Besseren gewandelt.
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Also: Kopf hoch – und mal in den Himmel geschaut. Wo sich zur Zeit der grüne Komet tummelt. Nein, das ist nicht die Superhelden-Existenz von Robert Habeck, sondern ein kosmischer Eisklumpen, der sich alle 50.000 Jahre der Erde nähert und dann einen grünlich leuchtenden Gas-Schweif bildet. In dieser Woche am Donnerstag erreichte der Besucher aus dem All seine größte Erdnähe von rund 42 Millionen Kilometern und man kann ihn im Feldstecher sehen. C2022/E3 (ZTF) heißt das Ding offiziell. Oder einfacher „Neandertaler-Komet“, weil bei seinem letzten Vorbeiflug hierzulande diese Spezies das Sagen hatte. Etwa 10.000 Jahre später gab der Neandertaler dann auf und starb aus.
Vielleicht haben ihn unsere Vorfahren der Gattung „Homo sapiens“ auch ausgerottet – wer weiß das schon so genau. Kometen werden ja gerne als Unglücksboten gedeutet, da gibt es ja zur Zeit reichlich Anhaltspunkte. Krieg, Klimakatastrophe, Energiepreise und Volker Wissing, um nur die Schlimmsten zu nennen. Aber dafür habe ich ja den Kopf nicht erhoben, um mich dann doch wieder von den Niederungen der Welt deprimieren zu lassen. Stattdessen suche ich Erhebung in der Unendlichkeit des Universums. Von der Einstein ja gesagt haben soll: „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber beim Universum bin ich mir da noch nicht ganz sicher.“
Womit wir unsanft wieder auf der Erde gelandet wären, auf der angeblich ebenfalls der Gattung „sapiens“ angehörige Mit-Planetenbewohner lauthals nach der Lieferung von Kampfjets für die Ukraine rufen. Wobei mir schon wieder der gute alte Einstein durchs Hirn zieht: „Ich weiß nicht, welche Waffen in einem dritten Weltkrieg zur Anwendung kommen. Aber ich kann Ihnen sagen, was sie im vierten benutzen werden: Steine.“ Gut möglich, dass C2022/E3 (ZTF) bei seinem nächsten Vorbeiflug an der Erde von niemandem mehr beobachtet wird. Weil die dann herrschenden Kakerlaken in dieser Zeit noch nicht bis zum Bau eines Feldstechers gekommen sind. Mussten ja auch erst noch ein paar Waffen entwickeln.
Dieser Donnerstag war übrigens nicht nur dem Kometen geweiht, es war auch der „Welttag der Feuchtgebiete“. Was nichts mit dem Bestseller von Charlotte Roche zu tun hat, sondern uns daran erinnern soll, dass wir bereits einen gut Teil unserer lebenswichtigen Moore und Sümpfe trockengelegt und damit vernichtet haben. Zudem wird an diesem Tag auch der traurige Titel „Bedrohter See des Jahres“ verliehen. Gewinner - bzw. Verlierer - diesmal: Der Titicacasee. Wie meine Nachbarin Barscheck anmerkt, bereits zum zweiten Mal nach 2012.
Womit wir wieder einmal unsere Unbelehrbarkeit und Unfähigkeit als Spezies feiern können. Kopf hoch! Und mach's gut, grüner Komet. Vielleicht bis zum nächsten Mal.
Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 03.02.2023 und in "Der Morgen" am 04.02.2023 auf SR 2 KulturRadio.
Brunners Welt
Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!
Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.