„Wer führt Krieg?“
Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören
Sendung: Freitag 27.01.2023 16:45 Uhr
Nr. 920
Nicht dass Sie denken, ich wollte unsere Außenministerin belehren. Schon allein nicht wegen der Sinnlosigkeit eines solchen Unterfangens: Ich glaube nicht, dass Frau Baerbock eine regelmäßige Hörerin dieser Sendung ist. Andererseits: Weiß man's? Eine kleine Anmerkung will ich mir also doch gestatten, vielleicht hört es ja auch jemand, der oder die jemanden kennt, der wiederum Frau Baerbock... und dann auch Lust und Gelegenheit hat, es ihr zu erzählen..? Und wenn nicht – auch gut.
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Also aus gegebenem Anlass: Liebe Annalena, nein, wir führen keinen Krieg gegen Russland. Wobei ich mal annehme, das „Wir“ in Ihrem Satz bei der Sitzung des Europarates meinte eben diese Organisation. Oder vielleicht auch Deutschland, dessen Ministerin Sie ja sind. Diesen Krieg führen Russland und die Ukraine, letztere gezwungenermaßen. Wie Sie vermutlich wissen, verwenden alle Staaten, die der Ukraine in diesem Kampf beistehen, beträchtliche Mühen darauf, das klar zu machen und bei jeder Gelegenheit zu betonen. Denn zumindest verbal sind sich alle Beteiligten an der Debatte darin einig, dass auf keinen Fall die NATO oder eines der ihr angehörenden Länder zur Kriegspartei werden darf.
Und das ist ja schon wahrlich schwer genug. Wann wird da die „rote Linie“ überschritten? Welche Waffen kann man liefern, ohne zur Kriegspartei zu werden? Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat schon vor geraumer Zeit angemerkt, dass zum Beispiel die Ausbildung von ukrainischen Soldaten auf deutschem Boden durchaus als direkte Beteiligung im Sinne der völkerrechtlichen Bestimmungen gewertet werden könnte. Aber bekanntlich werden ja die Ausführungen des wissenschaftlichen Dienstes unseres Parlaments nur berücksichtigt, wenn sie den Politiker:innen in den Kram passen. Ein Schicksal, das sie mit vielen in Auftrag gegebenen Studien und Berichten teilen. Zu viel Fakten und Realität sind nicht gut für das politische Geschäft.
Also, werte Frau Baerbock, vielleicht bedenken Sie das noch einmal und rücken Ihre Äußerung dann wieder zurecht? Falsch verstanden, Übersetzungsfehler, aus dem Zusammenhang gerissen, unglückliche Formulierung, die Ihnen natürlich Leid tut – da gibt’s ja einige Vorlagen. Die „verrutschte Maus“ kommt leider in diesem Fall nicht in Betracht, sie haben ja nicht geschrieben, sondern gesprochen. Aber ich bin sicher, Ihnen oder einer Ihrer Beraterinnen fällt da schon was ein. Nicht dass ich dächte, Herrn Putin würde das besonders beeindrucken, aber mir wäre einfach wohler, wenn Sie das klarstellen würden. Meiner Nachbarin Barscheck übrigens auch, lässt sie ausrichten.
Soviel dazu. Man kommt ja ohnehin kaum dazu einen klaren Gedanken zu fassen bei der momentanen Begeisterung über die Lieferung von 14 Leopard-Panzern aus deutschen Beständen an die Ukraine. Endlich! So tönt es aus allen Radiogeräten und den online vertretenen Medien. Die Erleichterung scheint groß zu sein bei der Strack-Zimmermännin und dem grünen Hofreiter, wenn nun auch natürlich die Debatte losgeht: War das nicht zu spät, viel zu zögerlich, zu bedenkenträgerisch? Einfach zu scholzig? Hat der Kanzler noch genug Wumms? Oder sollten die FDP und die Grünen doch vielleicht flugs eine neue Koalition der Willigen mit der Union eingehen, wie es Thorsten Frei von der CDU vorschlug? Und dann endlich „Feuer frei“?
Ich finde das alles sehr verwirrend. Heute sah ich ein Foto einer Demonstrantin mit einem gelben Papp-Vieh im Arm. Auf dem stand: Free the Leopards, Olaf! War vielleicht der Tierschutzverein. Wer weiß da noch Bescheid?
Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 27.01.2023 und in "Der Morgen" am 28.01.2023 auf SR 2 KulturRadio.
Brunners Welt
Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!
Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.