Brunners Welt: „Gehören Sie dazu?“

„Gehören Sie dazu?“

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 19.04.2024 16:45 Uhr

Nr. 984

Nicht dass Sie denken, mir gefielen alle, die hierzulande wohnen, leben, arbeiten oder einfach nur rumlaufen. Geht Ihnen wahrscheinlich auch so. Allerdings teile ich die Menschen nicht ein in solche, die zu Deutschland gehören und solche, die das nicht tun. Ich bin da eher pragmatisch: Wer hier ist, gehört auch irgendwie dazu. Andernfalls tauchte ja auch sofort die Frage auf: Was sollen wir denn mit denen machen, die nicht dazu gehören? Umerziehen? Wegschaffen? Remigrieren? Schwierig.

Deswegen schreibt die CDU, die ja gerade an einem Grundsatzprogramm bastelt, zwar in den Text, wer nicht dazu gehört, vertraut aber darauf, dass die Frage nach den Konsequenzen niemand stellt. Zuerst stand im Entwurf der positiv formulierte Satz: „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland“. Das gab Kritik, besonders von den Muslimen, klar. Also nochmal ins Lektorat gegeben, raus kam: "Muslime sind Teil der religiösen Vielfalt Deutschlands und unserer Gesellschaft." Viel besser. Dummerweise blieb es dabei nicht, sondern es folgte noch die Abgrenzung: "Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland." Ist wie die allererste Fassung, nur noch schlimmer.

Außerdem hätte ich da nochmal eine Frage: Was ist mit Christen, die unsere Werte nicht teilen und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnen? Ja, doch, die gibt es. Oder Buddhisten, Hindus, Mormonen, Zeugen Jehovas – unter denen fänden sich bestimmt auch einige mit anderen Wertvorstellungen als die der CDU. Und was ist mit der AfD und den Menschen, die sie wählen? Gehören die zu Deutschland? Oder ist das einfach die falsche Frage? Es kann ja auch nicht danach gehen, was einer denkt oder meint, sondern allenfalls darum, was er tut. Und um gegen strafbares Tun vorzugehen, dafür gibt es Gesetze. Das reicht.

Ja, aber, sagt Unions-Vize Fry, da gäbe es doch Muslime, die glaubten, dass „die Scharia über den Gesetzen steht, über den weltlichen Gesetzen und dem Grundgesetz.“ Mag sein. Aber es gibt auch eine ehemalige saarländische Ministerpräsidentin, die Kruzifixe in Gerichtssälen befürwortet, weil sie auf „über dem Menschen stehende Rechtsnormen“ hinwiesen. Hat ja auch niemand ihre Zugehörigkeit zu Deutschland oder gar zum Saarland angezweifelt. Aber, sagt die CDU, bei den Muslimen gäbe es ja jede Menge Einfluss von ausländischen Regierungen und Religionsbehörden. Das könne man ja nun wirklich nicht tolerieren. Meine Nachbarin Barscheck erinnert höflich daran, dass es da in Italien einen kleinen Gottesstaat gebe, der massiven Einfluss auf die christliche katholische Kirche in Deutschland ausübe. Und zum Beispiel einen progressiveren Umgang mit Frauen, queeren Menschen oder Geschiedenen nach Kräften verhindere.

Ist wohl was anderes, weil die das schon so lange hier bei uns machen. Hat halt Tradition. Ach ja, und dann wäre ja noch die Frage: Welches sind denn „unsere“ Werte, die da teilen muss, wer zu Deutschland gehören will? Die der CDU? Und sind das die gleichen wie die der SPD, oder der Linken? Oder ist vielleicht einfach das Grundgesetz gemeint? Daran muss sich halten, wer hierzulande lebt. Klar. Aber selbst an der Richtigkeit dieser Verfassung darf man zweifeln – das meiste daran darf man sogar ändern, entsprechende Mehrheiten vorausgesetzt.

Vorschlag: Schreibt euch ins Grundsatzprogramm als ersten Satz: „Die CDU ist Teil der politischen und weltanschaulichen Vielfalt Deutschlands.“ Und vergesst nicht hinzuzufügen: „Christdemokraten, die unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnen, gehören nicht zu Deutschland.“ Oder besser: Lasst den Quatsch einfach weg.


Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 19.04.2024 und in "Der Morgen" am 20.04.2024 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

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