Dichtung oder Wahrheit? Abenteuer und heimische Tiere im Escher Tierpark.  (Foto: Escher Baumhaiser)

Zu Besuch bei Doktor Dachs

Schlafen über den Baumwipfeln im Escher Tierpark

Eva Lippold   29.06.2019 | 11:07 Uhr

Mitten im Tierpark in Esch an der Alzette werden Kinderträume wahr. Denn seit letztem Herbst können Besucher hier eine Nacht im Baumhaus verbringen. Oben auf dem Galgenberg und in vier Metern Höhe in den Baumwipfeln. Eva Lippold hat sich mit ihrem Sohn in das Wildnisabenteuer gestürzt.



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Tour de Kultur 2019: "Zu Besuch bei Doktor Dachs"
Audio [SR 3, Eva Lippold, 18.07.2019, Länge: 03:15 Min.]
Tour de Kultur 2019: "Zu Besuch bei Doktor Dachs"

Schon die Anreise in unser heutiges Domizil ist ungewohnt. Besser hätten wir nur einen kleinen Rucksack mit­genommen, denn der Rollkoffer macht mächtig Lärm auf dem Schotter. Noch viel mehr Lärm aber macht der kleine graue Hahn. Sein Kikeriki tönt weit über den Galgenberg – und sein Gehege im Escher Déierepark liegt gleich neben den Baumhäusern. Er ist also unser Nachbar für heute Nacht.

Zwei, drei Nächte im Baumhaus

Natürlich haben wir warme Sachen eingepackt. Wie schläft es sich wohl in einem Baumhaus? Ist das nicht zugig und frisch? Und wackelt das nicht? Ob wohl manche Gäste sogar länger bleiben? Anne Meyers, die Leiterin des Tierparks, beantwortet geduldig unsere Fragen.

Höchstens zwei, drei Nächte bleiben die Gäste, sagt Meyers. „Es bleibt ein Baumhaus. Da kann man nicht noch das Beauty Case und den Anzug unterbringen. Und wenn man länger bleiben will, dann sollte man wenigstens von Haus zu Haus wechseln – so hat man immer wieder was Neues zu entdecken.“

Dichtung oder Wahrheit? Abenteuer und heimische Tiere im Escher Tierpark.  (Foto: Visit Luxemburg)
Hoch droben in den Bäumen und trotzdem kein Schwanken.

Nirgendwo rechte Winkel

Da leuchten sie auch schon oben zwischen den Baumwipfeln – die Galgenberg-Baumhäuser. Drei sind es an der Zahl – und schon von außen sehen sie gemütlich aus. In rot-orange, mit Holzschindeln auf dem Dach, mit kleinen Veranden und vielen spitzen Türmchen. Nichts hier ist im rechten Winkel gebaut. Kein Fenster, keine Wand gleicht der anderen, alles ist schief und verwinkelt. 

Man erreicht die Baumhäuser bequem über einen langen Holzsteg, der zwischen den Baumwipfeln entlangführt. Auf dem scheppert der Rollkoffer zwar nicht weniger als auf dem Schotter – doch für ein Baumhaus ist diese Anreise äußerst komfortabel. Klettern müssen wir jedenfalls nicht.

Die Häuser sind bewohnt! Aber...

Vor dem ersten Häuschen prangt eine Holztafel: Maisy vom Kueleberg steht darauf. „Das ist von der Kohlmeise abgeleitet, von dem Vogel. Die Maisy sammelt alles, was mit Vögeln zu tun hat, Eier und Federn …“ Eine Vogelliebhaberin, alles klar. Na, das passt ja zu einem Baumhaus. Aber wohnt die etwa hier?

Dichtung oder Wahrheit? Abenteuer und heimische Tiere im Escher Tierpark.  (Foto: Eva Lippold)
Ins Baumhaus klettern muss man nicht.

„In jedem der Baumhäuser wohnt eigentlich eine Person, die verschiedene Vorlieben hat“, erzählt Anne Meyers. Eigentlich? Hier lebt eigentlich jemand? Na sowas! Und wir dürfen trotzdem heute Nacht hier schlafen? „Wenn sie nicht zuhause ist, darf man in ihrem Haus übernachten.“ Soso. Na, das ist ja aufregend. 

Man kann auch einfach dran glauben

Weiter geht’s zwischen hohen Bäumen über den Steg. Im nächsten Haus lebt eine Mia Morilla. So steht es auf dem Türschild. Eine Italienerin. Und mit Tieren habe DIE es nicht so. Denn: „Die trinkt gerne Rotwein und redet zu viel.“ Aber sie sei eine echte Pilzkennerin. Daher auch der Name: Morilla, die Morchel. Aber, mal unter uns, das ist doch alles nur Fiktion?!?

Anne Meyers setzt ein geheimnisvolles Lächeln auf. „Fiktiv, das ist, wie man’s sieht. Man ist ihr noch nicht im Tierpark begegnet, es gibt aber Leute, die dran glauben, dass es sie gibt.“ Da beschließen wir, das auch zu tun. Schon aus Höflichkeit. Schließlich lassen sie uns in ihren Baumhäusern schlafen – dann wollen wir auch an sie glauben.

Dichtung oder Wahrheit? Abenteuer und heimische Tiere im Escher Tierpark.  (Foto: Escher Baumhaiser)
Fast schon luxuriös: die Baumhausausstattung.

Doktor Dachs liebt den Luxus

An „unserer“ Tür steht: Doktor Dachs. Ein echter Arzt, ein Medikus? Ein Veterinär im Ruhestand, erklärt Anne Meyers. Und einer mit ganz besonderen Qualitäten. „Der versteht die Sprache der Tiere und möchte, dass jeder gut auf die Tiere im Park aufpasst.“

Und dann erzählt sie etwas, was uns sehr gefällt. Der Herr Doktor habe es nämlich auf seinen vielen Reisen in ferne Länder zu Wohlstand gebracht. „Der ist reich, deshalb ist sein Haus ein bisschen schicker. Der hat alles von seinen Reisen, auf denen er Tiere beobachtet hat, mitgebracht. Und das findet man jetzt hier in seinem Haus.“ Jetzt sind wir aber gespannt. Auf Doktor Dachs – und auf sein Luxus-Baumhaus. 

Der Dachs kann sehr gut zeichnen

Dass hier ein älterer Herr wohnt, sieht man gleich. Regenschirm und Spazierstock hängen noch an der Garderobe, daneben ein Schuhanzieher – alte Herren brauchen sowas. Ein Perserteppich schmückt den Boden, ein Globus das Regal und an den Wänden hängen Stiche von wilden Tieren. Und da: Mehrere anatomische Zeichnungen vom Dachs. Offenbar eine Spezialität des Doktors. 

Dichtung oder Wahrheit? Abenteuer und heimische Tiere im Escher Tierpark.  (Foto: Visit Luxemburg)
Viel liebevolle Detailgestaltung.

Doch das gute Leben scheint er auch zu mögen: In der kleinen verwinkelten Küchenzeile mit Kupferwaschbecken finden wir Süßigkeiten und erlesenes Knabberzeug, im winzigen Kühlschrank warten Crémant, Weißwein, Säfte und Bier. Kochen kann man in dieser Junggesellenbude zwar nicht, aber das Wichtigste ist da: ein Wasserkocher, eine Kaffeekanne und ein Döschen mit Kaffee. Danke, Doktor Dachs. Perfekt. 

Alles fest, nichts wackelt

Wackeln und schwanken tut in Doktor Dachs’ Gemächern nichts: Das Baumhaus schwebt zwar vier Meter über dem Waldboden – aber es ist sicher und fest auf Pfählen gebaut. Seekrank werden wir also heute Nacht nicht. Eigentlich schade, findet Pablo.

Dichtung oder Wahrheit? Abenteuer und heimische Tiere im Escher Tierpark.  (Foto: Escher Baumhaiser)
Im gleichen urigen Stil: die Gemeinschaftsräume.

Links von der Wohnküche mit Tisch und Sitzecke gehen noch zwei Räume ab – ein kleines Schlafzimmer mit weichem Doppelbett – und daneben ein Badezimmer. Und von wegen kein Platz fürs Beauty-Case: Hier wäre Platz für eine Großfamilie mit drei halbwüchsigen Töchtern. Die Ausmaße der Dusche – für ein Baumhaus nahezu gigantisch.

Als wäre man bei jemandem zu Gast

Zwar ist alles schief, aber dabei todschick – der Herr Doktor hat Geschmack. Und überall stoßen wir auf seine Spuren: gekritzelte Notizen über die Eigenarten verschiedenster Tierarten, Zeichnungen, Bücher. Und eine hübsche Sammlung an Gesellschaftsspielen hat der Doktor auch.

Und da führt sogar noch ein winziges Treppchen in ein Obergeschoss: Wir finden ein Alkoven-Bett mit Vorhang und Blick auf die Baumwipfel – und eine große Terrasse. Hier kann man ungestört die Vögel beobachten und natürlich auch unseren Nachbarn, den Hahn, mit seinem Gefolge. In der Ferne äst das Rotwild in seinem Gehege, ein Zicklein meckert – und hinter dem Galgenberg geht die Sonne unter. 

Geschlafen wird ganz oben

Dichtung oder Wahrheit? Abenteuer und heimische Tiere im Escher Tierpark.  (Foto: Escher Baumhaiser)
Ganz oben im Alkoven: das Schlafzimmerchen.

Wir schlafen im Alkoven, das steht schon einmal fest. Aber bevor wir unsere erste Nacht im Baumhaus antreten, müssen wir noch einmal an die frische Luft. Den Tieren „Gute Nacht“ sagen. Also eine Runde durch den zwei Hektar großen Tierpark – und die entpuppt sich als länger als erwartet.

Klar, man könnte einfach gemütlich auf den Wegen an den Gehegen vorbei schlendern. Aber das wäre ja langweilig. Denn neben den Wegen gibt’s allerlei Brückchen und Treppchen und Tunnel – auf ihnen kann man über und unter den Gehegen herumklettern und die Tiere aus ungeahnten Perspektiven beobachten.

Tunnel sind ein Spaß für die Kinder

Dichtung oder Wahrheit? Abenteuer und heimische Tiere im Escher Tierpark.  (Foto: Eva Lippold)
Mit der Rutsche ins Tierpark-Abenteuer.

Manchmal geht es dabei im engen Tunnel sogar quer unter der Wiese durch – ein Riesenspaß für die Kinder – die Erwachsenen quetschen sich eher missmutig hinterdrein. Schon anstrengend, so ein Spaziergang im Tierpark.

Dichtung oder Wahrheit? Abenteuer und heimische Tiere im Escher Tierpark.  (Foto: Eva Lippold)
Abenteuer-Spielplätze und Klettertunnel gibt es auch.

1912 für die Arbeiter zur Erholung gebaut

Der Escher Déierepark wurde im Jahr 1912 erbaut – er sollte den Arbeitern der nahegelegenen Eisenbergwerke zur Erholung dienen. Das erste Naherholungsgebiet Luxemburgs – und schon kurz darauf siedelte man auch die ersten Tiere an, hauptsächlich einheimische Arten.

Neben Gänsen, Hähnen und Kaninchen auch Bambis, Ziegen, Rotwild, Steinböcke, Waschbär, Esel und, vielleicht am exotischsten, ein paar Hochlandrinder. Heute leben hier 25 verschiedene Tierarten, insgesamt etwa 150 Tiere. Die Bienen nicht mitgerechnet, sonst wären es etwas mehr. 

Dichtung oder Wahrheit? Abenteuer und heimische Tiere im Escher Tierpark.  (Foto: Escher Baumhaiser)
Stege führen von Baumhaus zu Baumhaus.

Hundert Jahre später generalüberholt

2012, zu seinem 100. Geburtstag, wurde der Park dann einer Generalüberholung unterzogen. Abenteuer-Spielplätze und die Klettertunnel wurden angelegt. Und vor allem das Thema Tierhaltung wurde komplett neu gedacht, erzählt Parkleiterin Anne Meyers. 

Heute steht der direkte Kontakt von Mensch und Tier im Fokus: Natürlich dürfen die Kinder die Tiere füttern, immer dienstags ist der Streichelzoo eröffnet, und den ganzen Sommer über werden Aktivitäten angeboten. Man kann in Workshops lernen, wie man Wolle filzt oder Bienenhonig herstellt.

Ein Kaninchenführerschein? Ja bitte

Dichtung oder Wahrheit? Abenteuer und heimische Tiere im Escher Tierpark.  (Foto: Escher Baumhaiser)
Von oben hat es einen tollen Ausblick auf den Tierpark.

Man kann einen Kaninchenführerschein machen. „Dabei lernen die Kinder, wie man das Tier richtig füttert, ein richtiges Gehege baut und wie man ein Kaninchen trainieren kann – damit es trotz Gefangenschaft ein erfülltes Kaninchenleben hat“, erklärt Meyers. Und für einen Tag kann man auch selbst zum Tierpfleger werden, und zwischen zehn und 15 Uhr beim Ausmisten und Füttern helfen.

Für die Menschen gibt’s Kaffee und Kuchen im Baumhauscafé, das täglich bis 18 Uhr geöffnet hat. Und wer was Deftiges braucht, auf den warten fußläufig gleich mehrere Restaurants.

Gute Hausmannskost gibt’s laut Meyers gleich nebenan in der Gaststätte auf dem Campingplatz Gaalgebierg, ein bisschen schicker ist es beim Italiener neben dem Tennisplatz und gehobene spanische Küche gibt’s im The Seven Hotel, etwa fünf Minuten bergab.

Picknick zwischen den Baumwipfeln

Wir entscheiden uns für ein Picknick aus dem nahegelegenen Supermarkt – Käse, Salami, Tomaten, Quiche, Baguette, dazu Doktor Dachs’ kaltgestellter Crémant. Natürlich aus Luxemburger Kelterung. Auf der Terrasse zwischen den Baumwipfeln. 

Dichtung oder Wahrheit? Abenteuer und heimische Tiere im Escher Tierpark.  (Foto: Escher Baumhaiser)
Im gleichen urigen Stil: die Gemeinschaftsräume.

Danach fallen wir ins warme, weiche Alkovenbett – Tierparkluft macht eben müde. Wir betrachten noch ein wenig die Sterne und lauschen in den Wald – dann sind wir weg.

Frühstückskorb am Alkovenbett

Um vier Uhr morgens werde ich wach: Der Nachbar kräht. Schlaftrunken öffne ich das Fenster und halte das Aufnahmegerät in die Dunkelheit. Kikeriki tönt es durch die Nacht. Dann bin ich wieder weg. Bis gegen neun Uhr. Da klopft’s. Doktor Dachs?

Pablo geht nachschauen. Und kommt kurz darauf mit einem Frühstückskorb ans Alkovenbett. Frische Croissants und Brötchen, dazu erlesene Marmeladen aus regionaler Herstellung. Ein Gastgeschenk von Doktor Dachs? Pablo jedenfalls will den alten Herren gerade noch von hinten gesehen haben, wie er über den Holzsteg von dannen humpelte.

Dichtung oder Wahrheit? Abenteuer und heimische Tiere im Escher Tierpark.  (Foto: Visit Luxemburg)
Urig gemütlich sind die Baumhäuser.

Ausflüge in der Umgebung

Wer mehr als nur eine Nacht in den Baumhäusern verbringt, der muss sich übrigens nicht langweilen. Rund um Esch an der Alzette warten zahlreiche Ausflugsziele für Familien mit Kindern. In nur 20 Minuten erreicht man den Parc Merveilleux, den Märchenpark Bettembourg. Dort leben nicht nur etwa 200 Tierarten aus fünf Kontinenten, sondern auch Schneewittchen, Dornröschen, Hänsel und Gretel in verwunschenen Häuschen im Wald.

Aufregend ist eine Fahrt mit der historischen Dampfeisenbahn Train 1900 ab Differdingen (siehe hierzu auch Tour de Kultur 1990). Und bei schlechtem Wetter kann man einen ganzen Tag im Science Center Differdingen (siehe Tour de Kultur 2018) auf Forschungstour gehen – hier gibt’s Wissenschaft zum Anfassen und Erleben.


Auf einen Blick


Kontakt
Baumhäuser Gaalgebierg
64, Gaalgebierg
L-4142 Esch-sur-Alzette
Tel.: (00352) 27 54 37 52
E-Mail: bamhaiser@villeesch.lu
www.bamhaiser.esch.lu
Escher Déierepark
64, Gaalgebierg
L-4142 Esch-sur-Alzette
Tel.: (00352) 27 54 37 50 
E-Mail: deierepark@villeesch. lu
https://deierepark.esch.lu
Touristeninformation:
Luxembourg for Tourism GIE
Tel.: (00352) 42 82 82 -1
Fax: (00352) 42 82 82 38
E-Mail: info@visitluxembourg.com
www.visitluxembourg.com

Öffnungszeiten:
Der Escher Déierepark ist immer geöffnet.

Eintritt:
Der Eintritt ist frei. 
Preise für die Übernachtung im Baumhaus: pro Nacht zwischen 145,- € (für 4 Personen) und 180,- € (für 6 Personen).

Anfahrt:
Aus Luxemburg Stadt über die A 4, Ausfahrt Esch-Centre (5). Aus Trier über die A 1 in Richtung Luxembourg, dann über die A 4 in Richtung Esch/Alzette (Ausfahrt 5).
Aus Nancy – Metz – Thionville über die A 31 in Richtung Luxembourg, dann über die A 1 3 und A 4 Ausfahrt Esch-Centre (5).
In Esch-sur-Alzette in Richtung Escher Bahnhof (Gare), dann in Richtung Rumelange/Kayl. Nach dem Viadukt, an der Ampel, nach rechts abbiegen und den Schildern „Camping“ folgen.
Ein kostenloser Parkplatz für die Baumhausbewohner befindet sich direkt vor dem Eingang.
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln: 
Vom Bahnhof Luxemburg mit dem Bus 319 bis nach Esch/Alzette, Auberge de Jeunesse. Anschließend muss man etwa 20 Minuten zu Fuß den Gaalgebierg hochlaufen. 

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