Leben nach der Flut
Es war die schwerste Naturkatastrophe in Deutschland seit der Sturmflut von 1962: Heute jährt sich das Jahrhunderthochwasser in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mit mehr als 180 Toten zum ersten Mal. Sintflutartige Regenfälle führten am 14. und 15. Juli vergangenen Jahres zu Überflutungen, die ganze Landstriche verwüsteten.
Die Jahrhundertflut in Zahlen
BIS ZU 150 LITER REGEN PRO QUADRATMETER
Sturmtief "Bernd" sorgte im vergangenen Juli für anhaltenden Starkregen im Süden und Westen Deutschlands.
In den Flutregionen fiel innerhalb von nur zwei Tagen mehr Niederschlag als durchschnittlich im gesamten Monat Juli. Über das kurze Zeitfenster stürzten laut dem Deutschen Wetterdienst teils hundert bis 150 Liter Regen pro Quadratmeter auf Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen herab.
Infolgedessen kam es zu Sturzfluten und Überschwemmungen. Der Pegel der Ahr erreichte mit über fünf Metern ein historisches Rekordhoch. Das kleine Flüsschen Erft schwoll stellenweise auf vier Meter Tiefe an und trat über die Ufer. Eine Kiesgrube in Erftstadt-Blessem stürzte infolge der Überflutung ein, zahlreiche Häuser wurden in die Tiefe gerissen.
Es sind alleine im Ahrtal rund 42.000 Menschen von der Flutkatastrophe und rund 8.800 Häuser von einer Beschädigung bis zu einer vollständigen Zerstörung betroffen.
MEHR ALS 180 TOTE UND HUNDERTE VERLETZTE
Durch das Hochwasser wurden etliche Gemeinden verwüstet, tausende Häuser beschädigt oder zerstört und ganze Brücken weggerissen. In Rheinland-Pfalz kamen insgesamt 135 Menschen ums Leben, 766 weitere wurden teils schwer verletzt. Zwei Menschen werden immer noch vermisst.
Im besonders stark betroffenen Ahrtal hinterließen reißende Wassermassen eine 40 Kilometer lange Schneise der Verwüstung. In Nordrhein-Westfalen starben 48 Menschen. Darunter waren auch zwölf Bewohner eines Behindertenwohnheims in Sinzig, die nicht mehr in Sicherheit gebracht werden konnten und hilflos ertranken. Ganze Ortschaften waren nach der Katastrophe von der Außenwelt abgeschnitten.
TAUSENDE HELFER IM EINSATZ
Bis heute sind in den Flutgebieten Hilfsorganisationen und ehrenamtliche Helfende im Einsatz. In den Tagen und Wochen nach der Hochwasserkatastrophe halfen täglich tausende Einsatzkräfte und Freiwillige in den zerstörten Regionen, zudem wurden zeitweise 2000 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr entsandt.
Zur Menschenrettung, für Aufräumarbeiten und zum Wiederaufbau der wichtigsten Infrastruktur waren in der Spitze allein vom Technischen Hilfswerk täglich rund 4000 ehren- und hauptamtliche Helfer im Einsatz. Hinzu kamen tausende Freiwillige aus ganz Deutschland, die zum Teil mit Shuttlebussen anreisten. Zu Spitzenzeiten wurden im gesamten Schadensgebiet rund 20.000 Mahlzeiten täglich gekocht und ausgegeben.
Mit Hilfe von Hubschraubern wurden 304 Menschen von Gebäuden gerettet. Es wurden Lebensmittel und Trinkwasser per Hubschrauber in schwer erreichbare Orte geflogen, zu Spitzenzeiten über 20 Tonnen am Tag.
30 MILLIARDEN FÜR DEN WIEDERAUFBAU
Im vergangenen August brachten Bund und Länder einen gemeinsamen Fonds für Wiederaufbauhilfe auf den Weg, der mit insgesamt 30 Milliarden Euro gefüllt ist.
Für das Land Nordrhein-Westfalen stehen 12,3 Milliarden Euro zur Verfügung, für das Nachbarland Rheinland-Pfalz 15 Milliarden. Innerhalb eines Jahres wurde erst ein Bruchteil dieser Summe abgerufen: In Nordrhein-Westfalen wurden bis Juli 2022 rund 1,6 Milliarden Euro ausgezahlt beziehungsweise bewilligt, in Rheinland-Pfalz war es rund eine halbe Milliarde Euro. Das Geld kommt sowohl Privatpersonen als auch Kommunen, Unternehmen und der Land- beziehungsweise Forstwirtschaft zugute.
ACHTEINHALB MILLIARDEN EURO VON VERSICHERUNGEN
Im Jahr nach der Katastrophe erhielten Flutbetroffene achteinhalb Milliarden Euro von Versicherungen. Nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft ist ein Viertel aller Versicherungsfälle noch offen.
Allein im Kreis Ahrweiler habe der durchschnittliche Schaden pro Wohngebäude 210.000 Euro betragen. Das war der höchste jemals gemessene Schadensdurchschnitt.
Insgesamt verzeichneten die Versicherer 213.000 Schadensfälle - darunter 40.000 beschädigte Autos, 54.000 Versicherungsfälle in der Hausratversicherung, 91.000 beschädigte Wohngebäude und 28.000 Firmen, die durch die starken Regenfälle Sachschäden und Betriebsunterbrechungen meldeten.
Weitere Informationen
Thema in der Sendung "SR 1 - Die Morningshow" am 14.7.2022.