40 Tage Zuckerverzicht – wie sinnvoll ist das wirklich?
Vielen mögen's süß – ob morgens beim Frühstück oder abends als Nascherei auf der Couch. Doch zu viel Zucker kann zu gefährlichen Krankheiten führen. Ein 40-tägiger Verzicht zur Fastenzeit kann da mit Sicherheit nicht schaden. Was das bringt, hat Oberärztin Dr. Verena Keller vom Universitätsklinikum des Saarlandes verraten.
Die traditionelle Fastenzeit kann ein guter Einstieg sein, sich mal bewusst in Verzicht zu üben. Der Zeitpunkt allein sollte jedoch nicht das ausschlaggebende Argument sein. Denn wer sich einer Herausforderung stellt – ganz gleich welcher –, der sollte auch zu einhundert Prozent dahinter stehen, sagt die Oberärztin Dr. Verena Keller vom Universitätsklinikum des Saarlandes. "Beim Entschluss zum Fasten ist es vor allem wichtig, sich mit dieser Entscheidung wohlzufühlen."
Immer beliebter wird dabei der Verzicht auf Zucker. Zahlreiche Ernährungsratgeber oder Kochbücher zum Thema stapeln sich inzwischen in den Regalen der Buchhandlungen, während im Internet zuhauf Berichte über Selbstversuche nachzulesen sind. Was aber bringt es wirklich, 40 Tage lang die Finger von Zucker zu lassen? Und was gilt es dabei zu beachten?
Deutsche nehmen zu viel Zucker zu sich
"Fakt ist, wir nehmen in Deutschland zu viel Zucker zu uns", sagt Keller. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, maximal zehn Prozent seiner täglichen Kalorien in Form von "freiem Zucker" aufzunehmen – was bei einem erwachsenen Menschen mit einer täglichen Kalorienzufuhr von 2000 kcal etwa 50 Gramm bzw. zwölf Teelöffeln pro Tag entspricht.
Die American Heart Association beschränkt die Zufuhrempfehlung sogar auf sechs Teelöffel pro Tag. "Daten aus Verzehrstudien zeigen, dass die Zufuhr freier Zucker in Deutschland vor allem bei Kindern deutlich über dieser Empfehlung liegt", so Keller.
Freie Zucker umfassen nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Monosaccharide bzw. Einfachzucker (Glukose, Fruktose, Galaktose) und Disaccharide bzw. Zweifachzucker (Saccharose, Laktose, Maltose, Trehalose), die Hersteller oder Verbraucher Lebensmitteln zusetzen. Zudem kommen sie natürlich in Honig, Sirupen, Fruchtsaftkonzentraten und Fruchtsäften vor.
Zucker ist nicht gleich Zucker
Ganz auf Zucker verzichten kann der Mensch allerdings auch nicht: "Sich komplett zuckerfrei zu ernähren, ist überhaupt nicht möglich, der Körper ist darauf ausgelegt, sämtliche Kohlenhydrate zu verwertbarem Zucker aufzuschlüsseln", betont Keller.
Gerade die Zelltypen, die selbst keine Energie herstellen könnten – wie etwa die roten Blutkörperchen –, aber auch das Gehirn seien extrem abhängig von Zucker in Form von Glukose, wobei letzteres im Hungerstoffwechsel zumindest auf alternative Energiequellen zurückgreifen könne.
Nun kommt es hierbei aber auf die Art des Zuckerlieferanten an, denn Zucker ist eben nicht gleich Zucker. Neben den Einfach- und Zweifachzuckern gibt es noch die Polysaccharide bzw. Mehrfachzucker, worunter Stärke, Ballaststoffe aus Pflanzen und das tierische Glykogen fallen. "Zucker können wir auch auf Basis von komplexen Kohlenhydraten, zum Beispiel Stärke, zu uns nehmen, indem wir etwa mehr Vollkornprodukte essen. Der Körper ist in der Lage, das umzuwandeln."
Gibt jemand an, sich zuckerfrei zu ernähren, meint er damit also eigentlich: Er verzichtet auf die freien Zucker, also den Zucker, der Lebensmitteln zugesetzt und in Säften enthalten ist – und der bei einem zu hohen Konsum verschiedenen Studien zufolge als Auslöser verschiedener Krankheiten wie Adipositas, Diabetes Typ 2, Herzkreislaufstörungen, Gicht und Karies gilt.
40 Tage zuckerfrei – wie wirkt sich das auf den Körper aus?
Wer die freien Zucker von jetzt auf gleich aus seinem Speiseplan verbannt, der sollte sich zu Beginn auf unerwünschte Nebeneffekte einstellen, sagt Keller. Möglich seien hierbei unter anderem Kopfschmerzen, Müdigkeit, Heißhungerattacken, abnehmende Konzentrationsfähigkeit sowie eine innere Gereiztheit oder Unruhe.
"Freier Zucker kann durch bestimmte Stoffwechselprozesse im Gehirn eine gewisse Abhängigkeit auslösen, sodass es bei einem abrupten Verzicht wie bei einem Alkohol- oder Zigarettenverzicht zu Entzugserscheinungen kommen kann", erklärt Keller. Wie schwer diese ausfielen und wie lange sie dauerten, sei individuell unterschiedlich. "Nach spätestens sieben Tagen sollten die Symptome abgeklungen sein."
Ist diese Zeit überstanden, sollte man sich aber schon bald energiegeladener fühlen, unter anderem auch durch einen verbesserten Schlaf. "Das liegt daran, dass sich unser Insulinhaushalt und Blutzuckerspiegel besser einpegeln." Der Zuckerverzicht habe zudem positive Auswirkungen auf den Blutdruck sowie die Fettspeicherung in der Leber, ergänzt Keller. Auch die Waage dürfte zum Teil deutlich weniger Kilos anzeigen. "Und was noch von Vielen beschrieben wird, ist, dass sich das Hautbild deutlich verbessert, gerade, wenn man zuvor mit Entzündungen zu kämpfen hatte."
All das seien Effekte, die bereits binnen 40 Tagen feststellbar seien. Allerdings: Kehrt man danach wieder zu seinem ursprünglichen Ernährungsverhalten zurück, verpuffen diese recht schnell auch wieder. "Das heißt, sinnvoller wäre es, nicht nur für eine kurze Zeit beispielsweise in der Fastenzeit auf die freien Zucker zu verzichten, sondern seinen Konsum generell zu überdenken und ihn zumindest zu reduzieren, idealerweise aber ganz einzustellen." Eine 40-Tage-Zuckerfrei-Challenge könne vor allem aus psychologischer Sicht dafür ein guter Einstieg sein.
Wie gut sind Zuckeralternativen?
Auf ein Stück Kuchen oder den Löffel Zucker im Tee können oder wollen jedoch nur die Wenigsten ihr Leben lang verzichten. Wie für Vieles im Leben gibt es aber auch beim Zucker Alternativen. Statt den Löffel Zucker also Honig oder Agavendicksaft in den Tee? Das hält Keller langfristig für keine gute Idee. "Beides wird sehr ähnlich wie Zucker verstoffwechselt, sie sind also kein wirklicher Ersatz."
Süßstoffe hingegen hätten den Vorteil, wenige bis gar keine Kalorien zu haben. "Letztlich werden hier aber andere negative Effekte kontrovers diskutiert, zum Beispiel sollen sie Heißhungerattacken auslösen und eine Fettleber begünstigen. Als langfristige Alternative sind sie somit ebensowenig geeignet."
Bei Xylit, Stevia und Co. gibt es Keller zufolge zu wenig langfristige wissenschaftliche Daten, um seriöse Urteile zu fällen. "Auch dieses Thema wird aktuell sehr kontrovers diskutiert. Zumindest in der Kurzzeitanwendung erscheinen sie aufgrund einer besseren Wirkung auf unseren Blutzuckerspiegel und eines geringeren Risikos von Kariesbildung gesünder." Während die einen überzeugt davon seien, geben sich die anderen ob der fehlenden Langzeitdaten aber eher skeptisch.
"Was ich als Alternative zu industriellem Zucker zum Beispiel beim Kuchenbacken stattdessen bedenkenlos empfehlen kann, sind natürliche Süßungsmittel wie Datteln oder reife Bananen. Der Schlüssel zur Gesundheit und zum Wohlbefinden liegt jedoch wie bei vielen Dingen fast unabhängig von der (alternativen) Süßungsquelle, die wir wählen, in einer ausgewogenen und moderaten Verwendung", sagt die Medizinerin.