Kritik am geplanten Endlager in Bure – aus Frankreich
Vor fast einer Woche wurde die letzten drei deutschen AKW abgeschaltet. Doch beendet ist die Ära der Atomkraft in Deutschland damit noch nicht: Wohin mit dem Atommüll? Frankreich plant derzeit ein Endlager für hochradioaktiven Müll, fast vor der saarländischen Haustür. Doch auch bei den Nachbarn wächst langsam Widerstand.
Fässer mit Atommüll im ehemaligen Salzbergwerk Asse in Niedersachsen – für Atomkraft-Gegner sind sie eine unterirdische Katastrophe. Weil Wasser einsickert, gilt das Lager als nicht sicher, es soll geräumt werden – ein Fiasko. Trotz solcher Risiken wird seit 2017 wieder nach einem Endlager-Standort gesucht.
Endlager 144 Kilometer von Saarbrücken entfernt
Das Saarland wurde bereits ausgeschlossen. Doch die Pläne für ein Endlager im lothringischen Bure, rund 144 Kilometer Luftlinie von Saarbrücken entfernt, konkretisieren sich. Wie von den Gegnern, die im Dorf eine Basis haben, befürchtet, hat der Betreiber ANDRA im Januar eine Genehmigung für den Bau eines Endlagers für hochradioaktiven Atommüll beantragt.
Die Agence Nationale pour la Gestion des Déchets Radioactifs (Nationale Agentur für das Management radioaktiver Abfälle; ANDRA) ist in Frankreich für die Entsorgung und vor allem Endlagerung des anfallenden Atommülls verantwortlich.
Bislang wenig Kritik
Einer der wenigen Gegner aus der Region ist Jean-Pierre Simon, Landwirt und schon seit 30 Jahren unerschrocken. „Ich bin nicht der Einzige, der dagegen ist. Ich bin nur der Einzige, der sich traut, das offen zu sagen – trotz des Drucks vom Betreiber ANDRA. Ich war einer der ersten, dem die Gefahren des Endlagers bewusst waren, und ich habe das von Anfang an klar gesagt.“
Er habe – anders als andere Bauern in der Region – schon mehrfach ein Kaufangebot von ANDRA für sein Land abgelehnt, sagt der 63-Jährige. Er will für seine Region kämpfen, nicht zulassen, dass sie zur Atommüllkippe wird, nur weil sie so dünn besiedelt ist.
Mit Gemüsegarten gegen Castoren
Unterstützung bekommt Simon seit einiger Zeit auch von einem Gorleben-erprobten Endlager-Gegner aus Deutschland, dem 42-jährigen Gemüsegärtner Luc. „Wir wollen nicht, dass hier ein atomares Endlager entsteht. Wir werden viel dagegen tun. Wir sind auf der Castortrasse mit unserem Gemüsebauprojekt, stehen dort im Weg und werden so lange im Weg stehen, wie es sein muss.“
Der Gemüsegarten der Gegner – er ist gerade einmal einen Kilometer von Simons Hof entfernt und grenzt an die künftige Bahntrasse für die Castortransporte. Für die Gegner ist er ein wichtiger Teil ihres Widerstands gegen das Projekt.
Die ersten Bauarbeiten für die Infrastruktur könnten hier schon 2025 beginnen. „Es ist klar, dass wir die Bauarbeiten und den Transport der Castoren behindern werden, nach dem Vorbild unserer Nachbarn, insbesondere in Deutschland“, sagt Simon.
Müll soll in Tonschicht gelagert werden
ANDRA erkundet seit über 20 Jahren in einem unterirdischen Labor in der Region das Gestein. Der hochradioaktive Atommüll soll in eine Tonschicht 500 Meter unter der Erde versenkt werden – für eine Million Jahre. Ton eigne sich wegen seiner Wasserundurchlässigkeit gut als Wirtsgestein, schirme auf lange Zeit die radioaktive Strahlung von der Umwelt ab.
Beim Collectif contre l’Enfouissement des Déchets Radioactifs, dem Kollektiv gegen das Vergraben Radioaktiver Abfälle (CEDRA), sieht man das anders. „Wenn diese Lagerung von radioaktiven Abfällen in Ton nicht wie geplant läuft und die Grundwasserleiter gestört und verseucht werden, dann läuft das ins Bariser Becken, ins Meuse-Becken, nach Nordosteuropa“, sagt Jacques Leray. „Es betrifft also die Saarländer genauso wie uns.“
Auch Simon ist überzeugt, dass die Menschen in der Grenzregion die Risiken des Endlagers bisher viel zu wenig auf dem Schirm haben. Doch spätestens, wenn in ein paar Jahren die ersten Castoren anrollen, werde sich das ändern, das habe Gorleben gezeigt. Bis dahin wollen er und seine Mitstreiter die Stellung halten.
Über dieses Thema hat auch der aktuelle bericht vom 21.04.2023 berichtet.