Kräftiger Anstieg der Dispozinsen zu erwarten
Durch die von der Europäischen Zentralbank eingeleitete Zinswende steigen die Dispozinsen, zum Teil horrend. Auch einige saarländische Banken und Sparkassen haben oder werden die Dispozinsen wohl noch erhöhen.
Seit vielen Jahren kritisieren Verbraucherschützer die hohen Dispozinsen. Wer ein Girokonto hat, kann dies meist bis zu einer festgelegten Summe überziehen. Wird dieser Kredit in Anspruch genommen, müssen Bankkundinnen und -kunden dafür in den allermeisten Fällen Zinsen, die sogenannten Dispozinsen, zahlen.
In den vergangen Jahren hätten sich die Dispozinsen auf hohem Niveau kaum bewegt, berichtet Thomas Beutler von der Verbraucherzentrale Saarland. „Auch in der Phase der ganz niedrigen Zinsen hatten wir keine besonderen Veränderungen.“
Stiftung Warentest: Teils deutlich steigende Dispozinsen
Doch nun steigen die Dispozinsen wieder. Das zeigt auch eine aktuelle Auswertung der Stiftung Warentest. „Seit Mai 2022 beobachten wir einen dynamischen Anstieg der Dispozinsen“, erklärt Heike Nicodemus, Finanzexpertin der Stiftung Warentest.
Ende Juli hatte die Europäische Zentralbank die Zinsen erstmals seit elf Jahren angehoben und damit die Zinswende eingeleitet. Auch einige saarländische Sparkassen haben zuletzt die Dispozinsen erhöht. „Es hat bei einzelnen Sparkassen in den vergangen Monaten entsprechend den Anpassungsklauseln Zinserhöhungen gegeben“, so die saarländische Sparkassenpräsidentin Cornelia Hoffmann-Bethscheider auf SR-Anfrage.
Die Vereinigte Volksbank hat hingegen bis dato die Dispozinsen noch nicht erhöht. Sie seien seit Anfang 2022 konstant bei 11,25 Prozent, teilte das genossenschaftliche Kreditinstitut mit. Bei der Bank1Saar erfolgt die Anpassung automatisch monatlich, heißt es auf SR-Anfrage.
Dispo-Durchschnittszins bei 9,94 Prozent
Eine Auswertung der Stiftung Warentest von rund 170 Banken mit insgesamt 450 Kontomodellen zeigt für Januar 2023 einen durchschnittlichen Dispozins von 9,94 Prozent. Im Mai 2022 hatte dieser Dispo-Durchschnittszins noch bei 9,22 Prozent gelegen.
„Der Zins ist an ein Referenzzinssystem gekoppelt und die Banken können bei steigenden Marktzinsen die Erhöhung umsetzen, müssen aber nicht“, erklärt Finanzexpertin Heike Nicodemus. Ein üblicher Referenzwert ist der Drei-Monats-Euribor – der Zinssatz, zu dem sich europäische Banken mit sehr guter Kreditwürdigkeit untereinander Geld leihen, heißt es bei der Stiftung Warentest.
Die aktuellen Dispozinsen der saarländischen Sparkassen bewegen sich derzeit in einer Spanne von knapp unter zehn Prozent bei der Sparkasse Neunkirchen und Kreissparkasse Saarlouis bis rund 12,5 Prozent in Saarbrücken, teilte der Verband mit. Bei der Bank1Saar liegt die Spanne zwischen 8,56 und 13,56 Prozent. Die Sparda-Bank Südwest nimmt, nach Auskunft auf der Homepage, einen Dispozins von 11,40 Prozent, die Levo-Bank 10,8 Prozent.
Inflation trifft auf höhere Dispozinsen
Die Verbraucherzentrale im Saarland kritisiert die hohen Dispozinsen. „Generell muss die Bank bei solchen Dispo-Krediten auch etwas anders kalkulieren. Dass die nicht so günstig sind wie normale Ratenkredite ist nachvollziehbar. Aber ich glaube, dass zweistellige Zinssätze dann doch zu hoch sind“, sagt Verbraucherschützer Thomas Beutler.
Dabei gehen die Verbraucherberater davon aus, dass in den kommenden Monaten immer mehr Menschen den „Dispo“ in Anspruch nehmen müssen. „Es ist zu vermuten, dass Verbraucherinnen und Verbraucher angesichts der höheren Kosten zum Beispiel für Energie schneller in den Dispo rutschen werden als in der Vergangenheit“, so die Einschätzung von Heike Nicodemus.
Zudem ist es möglich, dass die Dispozinsen weiter steigen. So heißt es vom Sparkassenverband: „bei den kurzfristigen Zinsen dürfte es, angetrieben durch weitere Leitzinserhöhungen der EZB, noch eine Tendenz nach oben geben.“ Auch die VVB, die den Dispozins in den vergangenen Jahren stabil gehalten hat, geht davon aus, dass es für ihre Kunden zu höheren Dispozinsen kommen wird.
Dispokredit nur ausnahmsweise und für kurze Zeit
Schon jetzt gebe es jetzt viel Beratungsbedarf in der Verbraucherzentrale, was das Thema „Dispo“ angehe, so die Beobachtung von Thomas Beutler. „Ich glaube schon, dass es eine relativ große Gruppe von Menschen gibt, die den Dispo auch relativ häufig nutzt und auch braucht. Er verführt auch dazu Geld auszugeben, das man eigentlich gar nicht hat.“
Und genau deshalb sieht er in dem Dispokredit auch die Gefahr, in eine Schuldenfalle zu rutschen. Gerade wenn die monatlichen Einkommen und die Ausgaben nicht zusammengingen, so Thomas Beutler, könne dies dazu führen, dass man von Monat zu Monat immer tiefer in die Schuldenfalle gerät. Irgendwann gebe es nur noch die Möglichkeit umzuschulden.
Wichtig: Der Dispokredit zum Girokonto ist meist der teuerste Kredit der Bank. Er sollte nur ausnahmsweise und für kurze Zeit in Anspruch genommen werden. Statt eines Dispo auf Dauer sollte besser ein Ratenkredit aufgenommen werden, so etwa auch der Rat der Stiftung Warentest.