Homosexuelle und Trans-Personen können leichter Blut spenden – trotzdem wäre mehr möglich
Lange war diskutiert worden, 2023 kamen sie dann endlich – die Erleichterungen für Menschen aus der queeren Gemeinschaft, Blut zu spenden. Ein erhoffter Nebeneffekt – insgesamt deutlich mehr Blutspenden – scheint aber ausgeblieben zu sein. Und der LSVD-Landesverband sieht Raum für Nachbesserungen.
Gesetzlich hat sich in den vergangenen Jahren viel getan für Lesben, Schwule, Bisexuelle, für Transgeschlechtliche und Intersexuelle sowie für queere Menschen: Vor 30 Jahren fiel der Paragraf 175 weg, 2017 kam die „Ehe für alle“, und vor einem Jahr wurde das Transfusionsgesetz geändert. Seither dürfen die geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung bei der Blutspende keine Rolle mehr spielen.
LSVD: Schwule und Trans-Personen immer noch marginalisiert
Der Lesben- und Schwulenverband Saar (LSVD) begrüßt zwar die von der Ampel-Koalition durchgesetzte Reform. Das Gesetz berge aber nach wie vor Schwachstellen. „Denn immer noch werden homosexuelle Männer und Trans-Personen marginalisiert“, sagt LSVD-Vorstandsmitglied Tim Stefaniak dem SR.
Das sind die aktuellen Vorgaben
Die Bundesärztekammer hatte infolge der Gesetzesreform ihre Richtlinien für Blutspenden Ende August 2023 aktualisiert. Die Blutspendedienste mussten daraufhin neue Fragebögen erstellen. Beim DRK-Blutspendedienst West sind die neuen Fragebögen den Angaben zufolge seit Mitte November im Einsatz.
Statt zu sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität sollen Spendewillige nun also konkrete Angaben zu „risikobehaftetem Sexualverhalten“ machen.
Dazu zählt die Bundesärztekammer:
- Sexualverkehr mit mehr als zwei Personen
- Sexualverkehr mit einer neuen Person, wenn dabei Analverkehr praktiziert wurde
- Sexarbeit und deren Inanspruchnahme
- Sexualverkehr mit einer Person, die mit Hepatitis B, Hepatitis C oder HIV (Aids) infiziert ist oder die in einem Endemiegebiet bzw. Hochprävalenzland für diese Viren lebt. Eine Endemie meint eine Erkrankung, die nur in einer bestimmten Population in einem Gebiet auftritt. Prävalenz bezeichnet die Anzahl der Krankheitsfälle im betrachteten Teil der Bevölkerung zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Keine Rückmeldungen aus der Community
Das neue Gesetz mit den Richtlinien sei „natürlich ein Fortschritt“, so Stefaniak. „Aber der wäre noch ausbaubar.“ Rückmeldungen aus der Community zum Thema Blutspende hat der LSVD seit der Reform nicht bekommen, sagt Stefaniak.
Er selbst hatte vor 25 Jahren seinen Zivildienst in der Hämostaseologie (Blutgerinnung) an der Uniklinik Homburg absolviert, wozu auch die Blutspende- und Transfusionsmedizin gehört. „Da war das alles noch strenger“, erinnert er sich. „Ich habe jetzt gesehen, dass es durch diese Lockerungen möglich ist. Blut, Plasma oder Thrombozyten spenden zu gehen.“
Stefaniak: „Es ist jetzt halt verdeckt“
„Aber ich sehe immer noch, wie gesagt, diese Marginalisierung“, sagt er. „Es ist jetzt verdeckt, nicht mehr so offen, wie es vorher war, dass gefragt wird, ob man als Mann mit einem anderen Mann Sex hatte zum Beispiel. Es wird jetzt unter dem Deckmantel der allgemeinen Abfrage des Sexualverhaltens gefragt, was wechselnde Sexualpartner angeht, geschützten Geschlechtsverkehr oder so.“
Und er fügt, etwas sarkastisch, hinzu: „Es gibt das gute Blut und das weniger gute Blut – was ja totaler Quatsch ist.“ Bei der Nachuntersuchung der Blutkonserven damals hätten sich auch bei Heterosexuellen mitunter Geschlechtskrankheiten herausgestellt. „Da muss man den Blickwinkel auch ein bisschen verändern.“
DRK verweist auf Sicherheit der Blutprodukte
Für Stephan David Küpper, Pressesprecher des DRK-Blutspendedienstes West, ist die Kritik an den Fragen, die nicht nur vom LSVD kommt, nicht nachvollziehbar. Die Sicherheit der Blutprodukte müsse „nun einmal nach wie vor gewährleistet sein“, und alle Spendewilligen müssten die gleichen Fragen beantworten.
Der Blutspendedienst West des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) versorgt mit dem Zentrum für Transfusionsmedizin in Bad Kreuznach Kliniken und Praxen im Saarland und in Rheinland-Pfalz.
Kaum mehr Spender als vorher
Ob es seit der Gesetzesreform mehr Spender gebe sei schwer zu beantworten, so Küpper. „Überrannt“ werde man nicht, man erwarte aber langfristig schon spürbare Effekte – auch durch den Wegfall der Altersgrenze.
Nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts stagniert die Zahl der Blutspenden in Deutschland seit 2018. 2022 – das sind die aktuellsten Zahlen – wurden bundesweit insgesamt rund 6,5 Millionen Blutspenden abgegeben. Benötigt werden nach DRK-Angaben aus dem Jahr 2020 in Deutschland 15.000 Blutspenden – pro Tag.
Noch ein Positives kann Küpper der Neuregelung abgewinnen: Die „unangenehmen“ Fragen nach dem Sexualverhalten im Blutspenderfragebogen würden in der Regel problemlos beantwortet.
Der Weltblutspendetag
Seit 2004 wird am 14. Juni weltweit zum Blutspenden aufgerufen. Der Weltblutspendetag soll auf die Notwendigkeit der freiwilligen, unentgeltlichen Blutspende aufmerksam machen. Denn nach Angaben des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) sind 80 Prozent der Deutschen mindestens einmal im Leben auf das Blut anderer angewiesen – sei es nach einem Unfall, bei einer OP, Geburt oder aufgrund von Krankheiten.
Ins Leben gerufen haben den Weltblutspendetag die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Internationale Organisation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften, die Internationale Gesellschaft der Bluttransfusionen (ISBT) und die Internationale Föderation der Blutspendeorganisationen (IFBDO, FIODS).
Warum der 14. Juni? An diesem Tag wurde im Jahr 1868 Karl Landsteiner geboren, der Entdecker der Blutgruppen.
Über dieses Thema haben auch die SR-Hörfunknachrichten am 14.06.2024 berichtet.