Warum viele ehemalige Bergbau-Flächen noch brachliegen
Obwohl bereits seit elf Jahren im Saarland keine Steinkohle mehr abgebaut wird, sind immer noch hunderte Hektar Industriefläche ungenutzt. Nur langsam entstehen darauf Gewerbegebiete, Büros oder Wohnhäuser. Grund dafür sind unter anderem die aufwendigen Sanierungen verseuchter Böden.
Es sieht aus, als seien die letzten Mitarbeiter erst gestern ausgezogen. „Seit 361 Tagen ohne Unfall“, steht auf einer großen Tafel gleich neben der Eingangstür. Etwas kleiner geschrieben steht darunter, dass im Februar 9,9 Prozent der Belegschaft krank waren. Doch schon seit über elf Jahren kümmert sich niemand mehr darum, die Statistik zu aktualisieren.
In der „Hirschbach“, der RAG-Zentralwerkstatt in Sulzbach, ging mit dem Bergbauende 2012 das Licht aus. Die großen Grubenmaschinen weiter aus dem Ruhrgebiet ins Saarland zur Inspektion zu bringen, lohnte sich nicht.
Abriss alter Gebäude oft unausweichlich
Jetzt ist Fred Bier der einzige Mitarbeiter. Er ist sozusagen Nachlassverwalter des Bergbaus im Saarland, richtet Grundstücke so her, dass sie für Käufer interessant werden. Das heißt im Fall der „Hirschbach“: Abriss. Kein einziges Gebäude wird noch stehen, wenn irgendwann der Torschlüssel an einen neuen Besitzer übergeben wird.
Dabei sind die Hallen in gutem Zustand. Es gibt einen Wachschutz, Vandalismus meldet Bier sofort an die Polizei. Dass trotzdem nichts übrig bleiben wird, liegt am Alter der Gebäude. „Ein paar Interessenten haben sich das Gelände angeschaut. Und alle sind zu dem Schluss gekommen: Nutzen lässt es sich nur, wenn wir die Bauten abreißen.
Die sind teilweise über 70 Jahre alt und kaum gedämmt. Sie wären nur mit so großem Aufwand zu sanieren, dass es sich nicht mehr lohnen würde“, sagt Bier. Nostalgische Gefühle für die Bausubstanz hegt er nicht – das wäre bei seinem Job wohl sowieso hinderlich.
Hirschbach hatte eigenen Bahnanschluss
Auf sieben Hektar Land liegen die ehemaligen Zentralwerkstätten, erzählt Bier. Auf der Hälfte dieser Fläche stehen Gebäude. Die „Hirschbach“ liegt verkehrsgünstig: Bis zur Autobahn sind es zwei Minuten, die Eisenbahnstrecke nach Mainz verläuft direkt neben dem Gelände.
Früher gab es sogar einen eigenen Gleisanschluss, fast 500 Meter lang. „Den könnte man wieder in Betrieb nehmen“, sagt Bier. Dazu kommt, dass es hier kaum Altlasten gibt: Im Gegensatz zu vielen anderen Bergbau-Grundstücken sind in Sulzbach keine Schadstoffe in den Boden gelangt.
Zuerst kontaminierte Grundstücke saniert
Was für potentielle Investoren beruhigend ist, bedeutet für die RAG in erster Linie: mehr Zeit. „Wir können nicht alle Grundstücke gleichzeitig entwickeln“, sagt RAG-Immobilien-Prokurist Rudolf Krumm, „deshalb haben wir nach dem Bergbauende zuerst die Flächen saniert, die belastet waren. Die restlichen haben wir nach hinten geschoben – und die sind jetzt dran.“
Was passieren kann, wenn alte Bergbau-Flächen mit Giftstoffen kontaminiert sind, hat die RAG in Völklingen erlebt. Dort, wo früher die Kokerei Fürstenhausen und die Saarland-Raffinerie standen, hat die Stadt Völklingen inzwischen ein großes Gewerbegebiet entwickelt.
Bergbau-Giftstoffe metertief eingesickert
Fast 25 Jahre, nachdem hier der letzte Koks gedrückt wurde, stehen nur noch wenige Grundstücke zum Verkauf. Es dauerte lange, bis die Stadt damit beginnen konnte: Die Umweltschäden waren groß. Sieben Meter tief war die giftige Chemie in den Boden eingedrungen.
Die kontaminierte Erde wurde aufgeschüttet, dicht eingepackt und unter einem Hügel begraben – und der wird auch bis auf weiteres dort bleiben. „Betreten der Bergwerksanlagen verboten“, warnt ein Schild an der Zufahrt.
Viele Flächen bereits verkauft
Die Grundstücke mit den größten Altlasten hat das Unternehmen nach eigenen Angaben schon weitgehend zu Ende saniert. Von 2500 Hektar Grundbesitz ist das „Portfolio“ der RAG auf heute 1100 Hektar geschrumpft. Auch viele eher nutzlose Flächen sind verkauft:
„Da kann es passieren, dass wir dann ein paar Quadratmeter im Wald oder eine Verkehrsinsel im Bestand haben“, erzählt Rudolf Krumm. „Da haben wir dann Pakete geschnürt mit besser nutzbaren Flächen und diese Pakete dann – teilweise recht günstig – den Kommunen angeboten“. Und die haben in der Regel auch zugeschlagen.
RAG in Ensdorf größter Grundbesitzer
Trotzdem gibt es noch Kommunen im Land, in denen die RAG der größte private Grundbesitzer ist. 13 Prozent der gesamten Fläche der Gemeinde Ensdorf beispielsweise gehören dem Bergbauunternehmen.
Das ist zwar ein Ausreißer nach oben, aber ein Anhaltspunkt dafür, wie groß die Macht des Bergbaus im Saarland einst war – und was noch alles gemacht werden muss, bis „Bergbauerbe“ im Saarland nicht mehr zwangsläufig „Brache“ oder „Leerstand“ heißt.