Ein erfahrener Gitarrenbauer repariert den Hals einer Gitarre (Foto: IMAGO / Westend61)

Sind Arbeitnehmer im Rentenalter die Lösung für den Fachkräftemangel?

Tabea Prünte   23.05.2023 | 06:38 Uhr

Mit der Baby-Boomer-Generation werden mehr Beschäftigte in Rente gehen, als jüngere Fachkräfte nachrücken. Kann es also eine Lösung sein, die ältere Generation länger am Arbeitsmarkt zu halten? Verbände sehen dies als ein wichtiges Puzzlestück, um den Fachkräftemangel zu bewältigen.

Fachkräftemangel bezeichnet das Loch, das durch zu wenig geeignetes Personal am Arbeitsmarkt entsteht: Ob im Bereich der Pflege, im Handwerk oder in der Industrie - dieses Personalloch scheint allgegenwärtig. Auch in Kfz-Werkstätten sorgt der Nachwuchsmangel derzeit für Probleme.

Dass sich das Problem in den kommenden Jahren eher verschärfen wird, zeigen Zahlen der saarländischen Arbeitsagentur ganz deutlich: Beinahe jede vierte sozialversicherungspflichtig beschäftigte Person im Saarland war im Juni vergangenen Jahres zwischen 55 und 65 Jahre alt - das heißt, diese 23,7 Prozent der Beschäftigten werden in absehbarer Zeit in Rente gehen.

Sie gehören zur Generation der sogenannten Baby Boomer und hinterlassen am Arbeitsmarkt ein großes Loch, das nachrückende Generationen kaum füllen können werden.

Arbeiten im Rentenalter

Immer wieder ist daher auch die Rede davon, das Renteneintrittsalter zu erhöhen. Nach aktueller Rechtslage wird die Altersgrenze für die Rente ohne Abschläge bis 2029 schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben. Ein noch höheres Rentenalter von 70 Jahren hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im vergangenen Jahr vehement abgelehnt.

Auf SR-Anfrage teilte aber die Arbeitsagentur mit, dass immer mehr Menschen freiwillig über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus arbeiten. Mehr als 6000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Saarland sind 65 Jahre und älter, mehr als 15.000 über 65-Jährige sind noch geringfügig beschäftigt.

Warum sich Menschen für die sogenannte Erwerbsarbeit im Ruhestand entscheiden, hat nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung verschiedene Gründe. Einer davon kann etwa sein, weiterhin Geld verdienen zu wollen oder zu müssen. Das sei aber selten der Hauptgrund.

Es seien sogar mehr Beschäftigte mit höherem Einkommen länger berufstätig. Viele erwerbstätige Rentnerinnen und Renter sehen es neben den finanziellen Gründen auch als Möglichkeit, im Alter aktiv zu bleiben.

Verbände bestätigen Trend

Der allgemeine Trend bestätigt sich auch in den verschiedenen Branchen. Die Industrie- und Handelskammer im Saarland stellt etwa fest, dass sich die Zahl der Berufstätigen über 64 Jahren in den letzten Jahren mehr als verdoppelt hat (von 3,2 Prozent im Jahr 2010 auf 7,6 Prozent im Jahr 2022).

In welchem Bereich das besonders verbreitet ist, hängt laut Geschäftsführer Carsten Meier neben der Rentenhöhe auch von den körperlichen Anforderungen des Berufs ab. Je körperlich anstrengender ein Beruf, desto weniger führen ihn bis ins höhere Alter aus.

Ältere Berufstätige seien dabei eine sogenannte Potenzialquelle für den Arbeitsmarkt, also eine Chance, den Fachkräftemangel abzuschwächen. Sie seien auch mit ihrem Erfahrungsschatz und Wissen wertvoll für die Arbeitswelt. Meier spricht sich aber deutlich gegen ein verpflichtend erhöhtes Rentenalter aus.

Anreize für Weiterbeschäftigung im Alter

Die Frage müsse eher lauten: "Wie können Menschen auch nach Erreichen des Renteneintrittsalters für die Weiterbeschäftigung begeistert werden?" Dafür müssten Barrieren abgebaut und Anreize geschaffen werden. Meier nennt in dem Zusammenhang altersgemischte Teams, mehr Wertschätzung im Berufsalltag oder Gesundheitsförderung.

Weitere "Potenzialquellen", also Puzzlestücke, um das Personalloch zu stopfen, sei etwa das Ziel, mehr Migrantinnen und Migranten und mehr Frauen in den Arbeitsmarkt einzubinden.

Ältere Arbeitnehmer können Erfahrungen weitergeben

Ähnlich äußert sich Sarah Materna von der saarländischen Handwerkskammer (HWK). Auch dort werde das Ziel verfolgt, auf Migrantinnen und Migranten und mehr Frauen zu setzen. Außerdem gelte, "mehr Jugendliche für eine handwerkliche Ausbildung und Berufslaufbahn zu begeistern". 

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Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das Rentenalter bereits erreicht haben, können im Betrieb dann weniger erfahrene Mitarbeitende anleiten und bei der Ausbildung von Jugendlichen durch die Weitergabe ihres Wissens unterstützen.

"Das grundsätzliche Problem des Fachkräftemangels im Handwerk wird dadurch allerdings nicht gelöst", sagt Materna ebenfalls deutlich.

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Gesetzliches vs. tatsächliches Rentenalter

Carsten Meier von der IHK spricht außerdem noch an, dass sich viele Menschen für eine frühzeitige Rente entscheiden. Auch die fehlten dann als Personal. Mit Anreizen für ein besseres Arbeitsklima im Alter könnte man seiner Ansicht nach auch diese Menschen erreichen, sodass sich das tatsächliche Rentenalter, das im Durchschnitt niedriger ist, an das gesetzliche annähert - auch das würde einen Beitrag leisten, das Personalloch zu verkleinern.

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