Ein Tempo-30-Schild in der Innenstadt (Foto: IMAGO / BildFunkMV)

Saar-Kommunen wollen leichter Tempo-30-Zonen einführen

  02.02.2023 | 18:44 Uhr

Mehr als 400 Städte und Gemeinden deutschlandweit wollen innerorts leichter Tempo-30-Zonen einrichten können. Dazu zählen auch Saarbrücken, Riegelsberg und Kirkel. Doch aktuell werden sie noch vom Bund ausgebremst. Deshalb fordern sie den Gesetzgeber auf, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen.

Städte und Kommunen sollen künftig eigenmächtig und ohne weitere Einschränkungen darüber entscheiden können, ob beziehungsweise wo sie innerorts Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit einführen. Das fordern der Deutsche Städtetag und die Initiative "Lebenswerte Städte und Gemeinden", der sich mehr als 400 Kommunen in Deutschland angeschlossen haben – darunter auch Saarbrücken, Riegelsberg und Kirkel.

Schon auf seiner Tagung vergangene Woche in Chemnitz hatte der Städtetag eine Resolution verabschiedet und den Bund dazu aufgefordert, vom Bundestag beschlossene Empfehlungen umzusetzen. Bei einer Online-Konferenz am Donnerstag sollte diesen Forderungen Nachdruck verliehen werden.

Video [aktueller bericht, 02.02.2023, Länge: 2:57 Min.]
Kirkel will Tempo 30 selbst anordnen können

Kommunen sind viele Grenzen gesetzt

Denn die gegenwärtige Situation sei nicht länger hinnehmbar: So lege Paragraf 45 der Straßenverkehrsordnung (STVO) fest, dass Tempo 30 nur bei konkreten Gefährdungen beziehungsweise vor sozialen Einrichtungen wie beispielsweise Kitas und Schulen angeordnet werden kann, erklärt Thomas Dienberg (Grüne), Bürgermeister von Leipzig und Sprecher der Initiative "Lebenswerte Städte und Gemeinden", auf SR-Anfrage. In allen anderen Bereichen sei das nur unter hohen Hürden möglich.

"In der Gestaltung sicherer und nachhaltigerer Stadträume sind den Kommunen durch das Straßenverkehrsrecht derzeit enge Grenzen gesetzt." Die Handlungsfreiheit der Städte, Gemeinden und Landkreise sei damit stark eingeschränkt. Regelungen vor dem Hintergrund städtebaulicher Prämissen, dem Klima- und Umweltschutz oder der Gesundheit sehe der Gesetzgeber bis heute nicht vor.

"Mit unseren Forderungen wollen wir erreichen, dass die Kommunen selbst darüber entscheiden dürfen, wann und wo welche Geschwindigkeiten angeordnet werden – zielgerichtet, flexibel und ortsbezogen", so Dienberg. Es dürfe nicht immer Jahre und viele Gutachten brauchen, bis sich etwas ändere, ergänzt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy.

Video [aktueller bericht, 27.04.2022, Länge: 3:36 Min.]
Wie wirken sich Tempo-30 Zonen in der Saarbrücker Innenstadt aus?

Beispiel Kirkel und Riegelsberg

Dass die Einführung eines Tempo-30-Limits auf Hauptverkehrsstraßen so kompliziert ist, beklagt auch die Gemeinde Kirkel. Zwar gelte dort bereits in allen Ortsstraßen Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit. Die Durchgangsstraßen seien allerdings Landstraßen – und der Saarpfalz-Kreis als zuständige Verkehrsbehörde verweigere eine entsprechende Anordnung mit Verweis auf die Rechtslage, sagt Max Limbacher (SPD), Ortsvorsteher der Gemeinde Kirkel.

Dabei könnten nur die Bürger, Mandatsträger und die lokale Verwaltung die Situation vor Ort einschätzen. "Nur über sie ist eine bedarfsorientierte Regelung möglich. Die Kommunen sollten deshalb befähigt werden, ihren Verkehr und entsprechende Anordnung selbst festzusetzen."

Limbacher ist sich sicher, dass eine Tempominderung auf den Durchgangsstraßen ausschließlich positive Effekte für die Gemeinde und ihre Einwohner hätte: "30er-Zonen ermöglichen eine annähernde Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer und erhöhen die Attraktivität von Zentren." Durch eine abnehmende Lärm- wie Schadstoffbelastung führten sie zudem zu einer besseren Lebensqualität.

Auch in Riegelsberg scheiterte man bisher am aktuellen Verkehrsrecht. Die politischen Gremien sowie die Gemeindeverwaltung könnten sich zwar Teile der Wolfskaulstraße sowie die Hixberger Straße als Tempo 30-Straßen vorstellen, so Rouven Winter, Pressesprecher der Gemeinde Riegelsberg. Doch solange die rechtlichen Voraussetzungen dazu auf Bundesebene fehlten, sei die Umsetzung schwierig.

Mit Tempo 30 / 40 durch Saarbrücken
Audio [SR 3, Stephan Deppen, 03.02.2023, Länge: 01:00 Min.]
Mit Tempo 30 / 40 durch Saarbrücken

Saarbrücken: Erst zwei von 14 Straßen mit Tempo 30

In Saarbrücken sollten seit Anfang vergangenen Jahres eigentlich sukzessive 14 Hauptverkehrsstraßen in der City zu Tempo-30-Abschnitten werden, um die Lärmbelästigung für die Anwohner zu verringern. Umgesetzt wurde das bisher allerdings nur in zwei Straßen – in der Paul-Marien- und in der Egon-Reinert-Straße gilt seit April vergangenen Jahres eine Höchstgeschwindigkeit von 30 Kilometern pro Stunde.

Und das führt zu Kritik. So drängen die Grünen im Stadtrat auf mehr Tempo bei der Umsetzung. “Seit dem Frühjahr 2022 wurden keine weiteren Tempo-30-Straßen beziehungsweise Straßenabschnitte mehr ausgewiesen, obwohl seitens der Stadt bereits im Sommer die baldige Ausweitung angekündigt wurde”, moniert die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Stadtrat, Claudia Schmelzer. Deshalb werde man am kommenden Dienstag eine Resolution in die Stadtratssitzung einbringen.

Dabei spreche man sich auch für eine flächendeckende Einführung von Tempo 30 aus. "Wir setzen uns dafür ein, dass perspektivisch nicht nur im Innenstadtbereich, sondern in allen Bezirken Straßen ausgewiesen werden, in denen eine Tempo-30-Begrenzung gilt." Zudem soll geprüft werden, an welchen Stellen nach Möglichkeit verkehrsberuhigte Bereiche – darunter auch sogenannte Sommerstraßen in der Sommerferienzeit – eingerichtet werden können.

Eine Karte mit den geplanten Tempo-30-Straßen in Saarbrücken

Der Sprecher der Stadt Saarbrücken, Thomas Blug, verweist derweil auf die Abhängigkeit vom Bund, der aktuell noch auf die Bremse drückt. "Das bisherige System von der Regelgeschwindigkeit abzuweichen, ist sehr bürokratisch, auch der Modellversuch, den die Stadt Saarbrücken mit der Einführung von Tempo 30 auf 14 Hauptverkehrsstraßen verfolgt, hat eine Verfahrensdauer von über einem Jahr." Deshalb habe man sich auch der Initiative für mehr Entscheidungsfreiheit für Städte und Kommunen angeschlossen.

Unterdessen lehnt Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) eine flächendeckende Einführung von Tempo 30 innerorts weiter ab – dafür sehe er keinen Handlungsbedarf. Das Bundesverkehrsministerium prüft nach eigenen Angaben aber gerade Vorschläge aus den Ländern zu diesem Thema.

Über dieses Thema haben auch die SR-Hörfunknachrichten am 03.02.2023 berichtet.


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