Kinderkliniken im Saarland sind voll
Das RS-Virus und andere Atemwegserkrankungen grassieren derzeit bei Kindern. Seit Wochen schon beklagen Kinderärzte, dass keine Neupatienten mehr aufgenommen werden können. Die vier saarländischen Kinderkliniken sind faktisch voll.
In den vergangenen Wochen wurden im Saarland zwar immer wieder freie Betten in den vier Kinderkliniken in Saarbrücken, Homburg, Neunkirchen und Saarlouis gemeldet worden. Doch wirklich frei sind diese Betten eigentlich nicht. „Es gibt noch freie Kinder- und Jugendbetten, aber es gibt keine freien Kinder- und Jugendbetten mehr in der somatischen Versorgung“, sagt Thomas Jakobs, Geschäftsführer der Saarländischen Krankenhausgesellschaft (SKG), im SR-Interview. Mit der somatischen Versorgung ist die Versorgung aller körperlichen, nicht-psychischen Erkrankungen gemeint.
Meldeunschärfe aus Pandemie-Zeiten
Doch warum dann die Meldungen aus den vergangenen Wochen? „Da ist eine Meldeunschärfe in der Erfassung der freien Kapazitäten, weil diese beiden Arten von Betten einfach zusammengemischt wurden“, so Jakobs. Das heißt: Während der Pandemie wurde nur erfasst, wie viele freie Betten es insgesamt gibt – ohne näher auf deren Möglichkeiten einzugehen.
Denn ein Kind, das sich zum Beispiel mit einem RS-Virus infiziert hat, kann in einem psychiatrischen Kinderbett nicht behandelt werden, aber auch nicht in einem Erwachsenen-Intensivbett. Die Geräte sind nicht auf Kinder ausgelegt und eingestellt.
Es fehlt vor allem Personal
„Die Stationen sind voll belegt“, warnt Jakobs. Als Ursache sieht er zwar auch räumlich begrenzte Kapazitäten. „Aber mehr belasten uns im Augenblick die Einschränkungen beim Personal. Es fehlen Pflegekräfte, es fehlen auch Ärzte, sodass wir nicht das Optimum an Personal zur Verfügung haben.“
Ursachen dafür gibt es laut Jakobs mehrere. „Der Engpass hängt damit zusammen, dass die Kinder-Abteilungen seit vielen Jahren unterfinanziert sind“, sagt er. Während der Corona-Pandemie sei außerdem auch auf den Kinderstationen Personal verloren gegangen. Menschen hätten aufgehört, den Beruf gewechselt, seien in Teilzeit oder in Rente gegangen. Gleichzeitig verweist Jakobs auf den fehlenden Nachwuchs. Es könne nicht genügend ausgebildet werden, „weil nicht genügend Menschen da sind, die sich für diesen Beruf interessieren."
Lauterbach-Idee „völlig untauglich“
Auch die saisonalen Schwankungen bei den Infektionen hätten einen Einfluss. Die Idee von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), Personal von den Erwachsenenstationen in den Kinder-Abteilungen einzusetzen, hält Jakobs für „völlig untauglich“. Es brauche dort speziell für den Umgang mit Kindern ausgebildetes Personal.
Und Besserung ist in den Kinderkliniken nicht in Sicht. Jakobs verweist auf eine Untersuchung vergangener Infektionswellen aus Baden-Württemberg. Legt man diese auf die Gegenwart um, ist der Höhepunkt bei den Atemwegsinfektionen erst für Mitte oder Ende Dezember zu erwarten. „Das heißt, die Lage ist wirklich ernst und wird sich auch in den nächsten Tagen nicht entspannen.“
Worauf müssen sich Eltern einstellen?
Jakobs rät Eltern von Kindern, bei Atemwegsinfekten vorab mit der Klinik Kontakt aufzunehmen, statt einfach spontan hinzufahren – es sei denn, der Kinderarzt diagnostiziert einen medizinischen Notfall. Dann werde aber in aller Regel auch der Rettungszweckverband alarmiert.
Es könne aber durchaus sein, so Jakobs, dass die Kinder nicht in der nächstgelegenen Klinik versorgt werden können, sondern stattdessen andernorts aufgenommen werden.
Mehr Geld und mehr Werben um Personal
Um diese Situation dauerhaft zu beheben, sind für Jakobs Investitionen in die Kliniken unumgänglich. „Langfristig brauchen wir mehr Geld im System. Das hat Gott sei Dank der Bundestag Ende vergangener Woche für die Pädiatrien im Land beschlossen.“
Kurzfristig müsse man schauen, doch noch mögliche Reserven auszuloten, zu aktivieren und die Zusammenarbeit von Kliniken und Kinderärzten zu intensivieren. Gleichzeitig appelliert Jakobs aber auch an die Bevölkerung, „nicht immer darauf zu bestsehen, dass ein Kind, das fiebrig ist, auch im Krankenhaus behandelt werden muss“.
Und Jakobs geht noch weiter. Wer selbst infiziert sei oder Kontakt zu einem infizierten Kind hat, soll unbedingt die bekannten Schutzmaßnahmen ergreifen – Maske tragen, Abstand halten und regelmäßig Hände waschen und desinfizieren.
Über dieses Thema hat auch die SR 3 Region am Nachmittag vom 06.12.2022 berichtet.