Modellhaus auf einem Bebauungsplan. (Foto: IMAGO / U. J. Alexander)

Politik muss Grundlage für neue Bauvorhaben schaffen

Michael Schneider   24.08.2022 | 08:01 Uhr

Wo wie gebaut werden darf, bestimmt der Landesentwicklungsplan. Er ist deshalb für alle Saar-Kommunen ein sehr wichtiges Dokument. Der jetzige Plan ist hoffnungslos veraltet - und die dringend notwendige Neuauflage lässt auf sich warten.

Caroline Kirsch hat wirklich alles versucht. Vier Jahre lang suchte die Saarbrückerin nach Bauland für sich und ihre vierköpfige Familie. Ihre Erwartungen waren nicht besonders anspruchsvoll: Ab 500 Quadratmeter Grundstück, Platz für ein Einfamilienhaus, irgendwo rund um Heckendalheim. Denn das Mandelbachtal sollte es schon sein – wegen der Ruhe, der landschaftlichen Schönheit und der guten Verkehrsanbindung, sagt Kirsch. Doch dort war jahrelang kein einziges geeignetes Grundstück zu finden.

Gerade einmal acht Bauplätze wurden in Heckendalheim in den vergangenen zehn Jahren ausgewiesen, sie waren quasi über Nacht weg. Mehr ist derzeit nicht in Planung. Und auch Restgrundstücke waren kaum zu bekommen, vor allem nicht für Auswärtige. „Die gehen hier unter der Hand weg“, sagt Kirsch, werden in der Familie weitergereicht. Ihr hätten einfach die Kontakte gefehlt.

Neuer Landesentwicklungsplan lässt auf sich warten
Video [SR Fernsehen, (c) SR, 24.08.2022, Länge: 04:16 Min.]
Neuer Landesentwicklungsplan lässt auf sich warten

Mangel im ganzen Mandelbachtal

Bei Weitem kein Einzelfall, weiß Andreas Greß. Er ist Ortsvorsteher in Heckendalheim und kann von vielen verzweifelten Familien berichten, die irgendwo im Mandelbachtal Bauland suchen. Manche klingelten sogar bei Wildfremden und böten eine halbe Million Euro für ein Grundstück.

Greß sagt, die Gemeinde würde sehr gerne noch mehr Bauland ausweisen. Doch man warte seit Jahren auf einen neuen Landesentwicklungsplan. Denn der gibt die Rahmenbedingungen vor: Wie groß dürfen Grundstücke sein, wieviel Fläche darf versiegelt werden, welche Flächen können umgewidmet werden?

Zerreißprobe Zukunft: Landesentwicklungsplan
Audio [SR 3, Simin Sadeghi/Michael Schneider, 24.08.2022, Länge: 03:52 Min.]
Zerreißprobe Zukunft: Landesentwicklungsplan

Entwurf für Jahresende angekündigt

So lange die Politik hier keine Neuauflage vorlege, trete man im Mandelbachtal und anderswo auf der Stelle, so Greß. Versprochen hatte diese Neufassung bereits die letzte Landesregierung, die aktuelle will nun zumindest bis Jahresende einen ersten Entwurf vorlegen.

Frühestens kommenden Sommer könnte die endgültige Fassung stehen. Doch Greß glaubt noch nicht so recht, dass der Durchbruch für seinen Ort schnell kommt. Dabei wäre das dringend nötig, um junge Familien anzuziehen. Von 1100 Einwohnern in Heckendalheim seien 1000 wahlberechtigt, erzählt Greß, das sage doch schon viel über die Bevölkerungsstruktur aus.

Andreas Greß. Sommerserie Zerreißprobe Zukunft - Landesentwicklungsplan (Foto: SR)
Ortsvorsteher Andreas Greß wartet seit Jahren auf neuen Plan.

Strengere Regeln für Flächenversiegelung?

Während es im Süden des Landes also nicht voran geht, wird anderswo gerade besonders viel Bauland ausgewiesen – etwa im Kreis St. Wendel. Auch das habe mit dem veralteten Landesentwicklungsplan zu tun, glaubt Wendelin Schmitt vom Naturschutzbund NABU.

Denn in der künftigen Neufassung soll der Umweltschutz stärker hervorgehoben werden, die Regeln für die Flächenversiegelung könnten strenger ausfallen, das neue Bauland begrenzt werden. Schmitts Verdacht: Einige Gemeinden versuchten jetzt noch schnell, Fakten zu schaffen.

Naturschützer wünschen sich Klarheit

So etwa am Ortsrand von Freisen. Auf neun Hektar sollen dort über 100 neue Bauplätze entstehen, mehr als der Ort brauche, so Schmitt. In Tholey passiere ähnliches. Wenn die Bebauungspläne noch rechtzeitig durchkommen, bevor ein strengerer Landesentwicklungsplan greift, dann gelten für sie noch die alten Regeln.

Das bedeute: Mehr Flächenversiegelung, die Umwidmung wichtiger Biotope und möglicherweise unzureichende Ausgleichsflächen. Auch der Naturschützer wünscht sich deshalb, dass endlich gesetzliche Klarheit kommt – vor allem, um Bauland zu begrenzen. Schließlich sei es eine EU-Vorgabe, bis 2050 keine neuen Flächen mehr zu bebauen, da müsse auch das Saarland langsam mit dem Gegensteuern anfangen.

Wendelin Schmitt. Sommerserie Zerreißprobe Zukunft - Landesentwicklungsplan.  (Foto: SR)
Wendelin Schmitt vom Naturschutzbund hoffte auf neue Zuständigkeit beim Umweltministerium.

Landesregierung lässt sich Zeit

Beim NABU hätten sie sich gewünscht, dass die Zuständigkeit für das Thema in der neuen Regierung beim Umweltministerium angesiedelt werden könnte. Das kam dann doch nicht so, am Ende landete der Landesentwicklungsplan - wie zuvor - beim Innenminister.

Der immerhin heiße Reinhold Jost, sagt Naturschützer Schmitt, und sei zumindest im Thema eingearbeitet. Schließlich war er in der vergangenen Legislatur Umweltminister. Ein erstes Informationstreffen zwischen Gemeinden, Ministerium und NABU hat es in diesem Sommer auch schon gegeben. Leider noch ohne allzu konkrete Aussagen, sagt Schmitt. Er befürchtet, dass die Feinabstimmung noch monatelang dauern kann.

Abstimmung mit allen Gemeinden notwendig

Die einen wollen bauen und finden kein Land, die anderen wollen klare Regeln, um die Kommunen im Zaum zu halten – einig sind sich beide Seiten darin, dass die Politik jetzt endlich Tempo machen müsse. Dass es mit der neuen Landesregierung nun schnell geht, daran gibt es aber große Zweifel. Immerhin muss das Papier noch mit allen Gemeinden abgestimmt werden. Und solange herrscht Unsicherheit.

Zumindest für Caroline Kirsch ist es am Ende noch gut ausgegangen. Ihre Familie hat irgendwann den Traum vom Neubau aufgegeben und mit viel Glück ein altes Haus gefunden, das genug Platz bietet. Dort müsse zwar viel renoviert werden. Dafür aber liegt es mitten in ihrem Wunschdorf Heckendalheim.

Über dieses Thema haben auch die SR-Hörfunknachrichten am 24.08.2022 berichtet.


Serie: Zerreißprobe Zukunft

Übersicht über alle Beiträge
Worum es für die Kommunen jetzt geht
Wie wirken sich landespolitische Entscheidungen und Projekte - oder auch das Fehlen von Entscheidungen - in den Kommunen aus? Und: Vor welchen zentralen Herausforderungen stehen saarländische Kommunen? Diesen Fragen geht die SR-Serie „Zerreißprobe Zukunft“ auf den Grund und spricht dafür vor allem mit den Bürgern des Landes. Unter anderem liegt der Fokus dabei auf Themen wie Strukturwandel, fehlendes Personal oder auch Klima.

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