Politik für eine Million: Nadine Schön (CDU) und Esra Limbacher (SPD) (Foto: SR)

Krieg in der Ukraine, eine Zeitwende in der deutschen Politik

Nelly Thelen   22.07.2022 | 06:30 Uhr

2022 war bislang ein anstrengendes Politik-Jahr: Wahlkampf, der Ukraine-Krieg und seine Folgen. Was bedeutet das für Bundestagsabgeordnete? Die beiden Saarländer in Berlin Nadine Schön und Esra Limbacher geben Einblick in ihre Arbeit und Köpfe.

Steigende Preise, Zuschüsse für Bürger oder Waffenlieferungen an die Ukraine - im Bundestag sind es Volksvertreterinnen und Volksvertreter, die in den vergangenen Monaten über folgenschwere Fragen abgestimmt haben. Teilweise junge Abgeordnete, die im direkten Umfeld nur Frieden kannten - so wie Nadine Schön (CDU), aus St. Wendel und Esra Limbacher (SPD) aus Homburg.

Am 24. Februar sind russische Truppen auf Befehl von Präsident Wladimir Putin in die Ukraine einmarschiert. Seitdem herrscht Krieg mitten in Europa. Menschen sind auf der Flucht, weil ihre Städte, Straßen und Häuser zerstört wurden; weil sie weitere Angriffe fürchten.

Gleichzeitig hungern Menschen in der Welt wegen ausbleibenden Getreidelieferungen aus der Ukraine. In Deutschland kämpft man gegen eine Inflation, steigende Lebensmittel- und Energiepreise, die Menschen in existenzielle Nöte bringen könnten. 

Schön: „Wir sind mit der harten Realität konfrontiert“

In den Bundestag in Berlin sind bei der vergangenen Wahl viele junge Abgeordnete gewählt worden, die jetzt mit dieser Situation konfrontiert sind. Wie gehen sie damit um?

Nadine Schön aus Tholey, 39 Jahre alt, sitzt zwar schon seit 2009 für die CDU im Bundestag, aber auch für sie ist das eine völlig neue Welt: „Wir sind eine Generation, die dachte, dass alles immer besser und friedlicher wird. Jetzt sind wir mit der harten Realität konfrontiert, dass eben nicht alle nach den gleichen Spielregeln spielen wollen.“

Der 33-jährige Esra Limbacher, der für die SPD neu im Bundestag ist, erklärt, er spüre eine enorme Verantwortung. Das empfinde auch jeder, der die Aufgaben im Bundestag ernst nehme. Die Situation bedrücke ihn nicht, sondern er spüre die ganz besondere Verantwortung jeden Tag stärker als sonst.

Limbacher: „Wir können nicht alles abfedern“

Für die SPD steht viel auf dem Spiel. Die Bürger haben die Partei zum Wahlsieger gemacht, jetzt will man liefern. Aber viele Projekte sind in den Hintergrund getreten, stattdessen waren in den letzten Monaten harte Entscheidungen notwendig: Spritpreisbremse, Sanktionen gegen Russland, Milliarden für die Bundeswehr, um Verteidigung sicher zu stellen.

Viele Abgeordnete haben langjährige Überzeugungen über Bord geworfen. Zumindest für viele jüngere Abgeordnete in diesem Bundestag, erklärt Esra Limbacher, waren es schwere Entscheidungen. „Wir haben uns dafür entschieden, die Bundeswehr viel, viel stärker finanziell zu unterstützen, richtig auszustatten. Und das war für viele ein großer Schritt.“

Für ihn sei er ein bisschen kleiner, weil er sich in der Bundeswehr engagiere und schon immer dafür gewesen sei, sie zu stärken. 

Gerade SPD-Politiker betonen dieser Tage, dass sie nicht sagen könnten, wie es mit der Gasversorgung weiter gehe, auch Esra Limbacher - als wollte er vorbauen, falls Russland den Gashahn abdreht. Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel, schon jetzt sind die Energiekosten hoch. Sie könnten weiter steigen.

Limbacher sagt, die Politik habe die Verantwortung, Maßnahmen zu ergreifen um das abzufedern. „Gleichzeitig weiß aber auch jeder in der Politik, dass das nicht endlos geht und wir nicht alles abfedern können. Das ist ein Konflikt, ein innerer Konflikt, der mich zumindest umtreibt.“

Schön: „Europa muss in der digitalen Welt souveräner werden“

Nadine Schön findet nicht, dass die Themen, auf die sie sich spezialisiert hat, unter dem Eindruck des Krieges unbedeutender geworden sind. Sie kommt auch bei dem Thema Krieg ziemlich schnell auf die Digitalisierung zu sprechen.

Denn jeder Einzelne müsse sich in dem Bereich stärker schützen. Aber auch der Staat und Europa müsse in der digitalen Welt souveräner werden. Auch das bezeichnet sie als eine Zeitenwende, weil man bisher auch hier sehr global vernetzt gearbeitet habe.  

„Optimistisch, dass wir das gut hinbekommen“

Für die saarländische CDU-Bundestagsabgeordnete ist das Jahr nicht besonders gut gelaufen. In ihrem Wahlkreis haben sie die Menschen nicht in den Bundestag gewählt. Sie ist nur als Nachrückerin eingezogen. In Berlin gab es direkt die nächste Niederlage, als sie im Team von Helge Braun für den Parteivorsitz kandidierte und scheiterte.

Sie lacht und sagt: „Mir geht's gut. Es war anstrengend. Natürlich gab es auch Niederlagen, aber in meiner Heimatgemeinde haben wir den Bürgermeister gewonnen. Und ja, das sind eben auch die positiven Elemente, die einem auch Kraft und Mut geben.“ Von daher sei sie bei all den schwierigen Themen, „optimistisch, dass wir das als Land auch gut hinbekommen,“ erklärt die CDU-Politikerin. 

Limbacher: „Da braut sich was zusammen, was nicht gut für unser Land ist“

Esra Limbacher schaut weniger hoffnungsvoll in die nächsten Monate. Neben seiner Sommertour durch den Wahlkreis will er eine Woche Urlaub mit seiner Lebensgefährtin machen: „Das werde ich auf jeden Fall genießen,“ sagt er, "aber wenn ich politisch daran denke, wie es weitergeht, habe ich zumindest ein sehr mulmiges Gefühl. Und ich glaube, dass sich da was zusammenbraut, was nicht gut für unser Land ist."

Limbacher schließt auch nicht aus, dass er und die anderen Volksvertreterinnen und -vertreter in der Sommerpause des Bundestages für eine Sondersitzung zurück nach Berlin müssen. 


Die Serie

Die Serie "Politik für eine Million" ist eine Langzeitbeobachtung - wir begleiten die beiden saarländischen Bundestagsabgeordneten Nadine Schön (39 Jahre alt) und Esra Limbacher (33 Jahre alt) durch die neue Legislaturperiode.

In dieser Legislatur werden sie Gesetze mit verabschieden oder kritisieren. Parteivorsitzende werden gehen und kommen, Ministerinnen und Minister ernannt, die beiden Politiker werden einen neuen Kanzler mit wählen, durch Höhen und Tiefen ihrer Parteien gehen, Kompromisse werden geschlossen - als Abgeordnete werden sie Erwartungen erfüllen oder enttäuschen.

Dabei wird Nelly Thelen sie zwischendurch treffen und begleiten, in Berlin und im Saarland. Was können sie im Bundestag fürs Saarland erreichen, wo wirklich mit gestalten, was erleben sie und wie erleben sie die aktuellen Zeiten, die Politik. Schön und Limbacher machen Politik für eine Million - fürs kleine Saarland sind sie in Berlin. 

Die erste Folge:

Schön und Limbacher fürs Saarland in Berlin
Video [SR Fernsehen, (c) SR, 07.11.2021, Länge: 13:34 Min.]
Schön und Limbacher fürs Saarland in Berlin
Nadine Schön, CDU, 38 Jahre und Esra Limbacher, SPD, 32 Jahre, vertreten im Bundestag als Abgeordnete aus dem Saarland rund eine Million Menschen. Für Schön ist es ihre vierte Legislaturperiode, für Limbacher die erste. Die beiden Abgeordneten bewegen sich zwischen Anspruch und Wirklichkeit, Verantwortung, Amt und Karriere.

Die zweite Folge:

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