Eine Frau arbeitet am Laptop während ihr Kind im Hintergrund ist. (Foto: IMAGO / Westend61)

Wie die Parteien das Saarland familienfreundlicher machen wollen

  04.03.2022 | 14:43 Uhr

In wenigen Wochen wird im Saarland eine neue Regierung gewählt. Was die Parteien hinsichtlich der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf planen, haben sie in einer digitalen Gesprächsrunde am Donnerstagabend diskutiert.

Im Fokus der digitalen Podiumsdiskussion am Donnerstagabend stand die Frage, wie familienfreundlich sich die Parteien nach der Landtagswahl aufstellen werden und wie sie - gerade für Frauen - die Vereinbarkeit von Familie und Beruf steigern wollen.

Der Fachkräftemangel spielte in der Runde der frauenpolitischen Sprecherinnen der Saar-Parteien immer wieder eine große Rolle, denn insbesondere in den Bereichen der Pflege und der Kinderbetreuung fehlt Personal. Dadurch müssen insbesondere Frauen häufig auf die Erwerbstätigkeit verzichten, um diese Arbeiten innerhalb der Familie zu übernehmen.



Allgemeiner Fachkräftemangel

Dagmar Heib von der CDU ist der Meinung, dass der demografische Wandel aufgefangen werden müsse. Junge Menschen müssten also nachrücken und freie Stellen übernehmen. Gleichzeitig seien neue Rahmenbedingungen notwendig, "damit die Qualität bleibt, allerdings mit weniger Personal erreicht werden kann." Ziel müsse sein, Fachkräfte, die man nicht mehr habe, zu ersetzen - Stichworte Digitalisierung und interkommunale Zusammenarbeit. Auch Langzeitarbeitslose müssten besser integriert werden.

Digitale Podiumsdiskussion der frauenpolitischen Sprecherinnen der Saar-Parteien zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf (Foto: Tabea Prünte/SR)
Digitale Podiumsdiskussion der frauenpolitischen Sprecherinnen der Saar-Parteien zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Christina Baltes von der SPD sagt, man müsse noch früher ansetzen. Es brauche "viel mehr" als nur ein Pflichtpraktikum, damit Schülerinnen und Schüler in verschiedene Berufsbereiche hineinschnuppern können. Außerdem müsse man verstärkt Fachkräfte aus dem Ausland mit ins Boot holen und die Bezahlung verbessern.

Birgit Huonker von der Linken stimmt beim Thema Praktika zu und möchte gerade im sozialen Bereich dafür werben. Insgesamt plädiert sie dafür, die Berufsorientierung an Schulen zu fördern und Arbeitszeiten planbarer und damit familienfreundlicher zu machen. Um Erwerbstätigkeit für Frauen attraktiver zu machen, könne auch Jobsharing eine Möglichkeit sein.

Frühere Berufsorientierung

Auch Angelika Hießerich-Peter von der FDP findet, dass Schülerinnen und Schüler sich früher beruflich orientieren können sollten, zum Beispiel in sogenannten "Maker-Spaces" oder "Innovation-Labs". Die FDP setze ebenfalls an den Schulen an, fokussiere sich aber auf den MINT-Bereich, also die naturwissenschaftlichen Fächer. Dort müssten gerade Schülerinnen mehr integriert und dafür begeistert werden - schließlich seien das Bereiche, die später von Männern dominiert würden und in denen es im Berufsleben auch mehr Geld gebe.

Hießerich-Peter fordert außerdem mehr Unterstützung für Frauen, die lange Zeit Zuhause bei ihren Kindern geblieben sind und nun den Wiedereinstieg in den Beruf wagen wollten. Das betreffe vor allem Frauen zwischen 40 und 60. "Ich glaube, da verschenken wir ganz viel Potenzial."

Höhere Gehälter

Start-Up-Förderung ist ein Stichwort der saarländischen Grünen-Chefin Uta Sullenberger. Außerdem müsse man durch den Ausbau von erneuerbaren Energien "massiv Arbeitsplätze schaffen" sowie das Saarland als Arbeitsort generell attraktiver machen.

Gerade Jugendliche fänden das Saarland aufgrund vergleichsweise niedriger Gehälter nicht mehr attraktiv, wodurch viele gutqualifizierte Arbeitskräfte abwandern würden. Sie möchte außerdem mehr Homeoffice-Möglichkeiten schaffen, damit die Kinderbetreuung einfacher werde.

Außerdem fordert sie mehr Kita-Plätze, und die Gehälter von Frauen müssen an das Bezahlungsniveau der Männer angepasst werden.

"Gleicher Lohn für gleiche Arbeit", fordert auch Heike Hanson vom Wählerbündnis Bunt.Saar. Als weiteren wesentlichen Punkt nennt sie ebenfalls die fehlenden Kita-Plätze. "Das ist elementar, dort nachzubessern."


Bessere Ausbildungsbedingungen im sozialen Bereich

Bereits in jungen Jahren müsse also der Grundstein dafür gelegt werden, dass die Arbeit gerade im sozialen Bereich attraktiver werde. Bei der Kinderbetreuung und in der Pflege müssten Lücken geschlossen werden, denn dies würde letztendlich besonders Frauen eine bessere Möglichkeiten geben, erwerbstätig zu sein.

Eine tragende Maßnahme dafür wäre, die Bedingungen der Ausbildung in sozialen Berufen zu verbessern. Die Parteien nennen dafür verschiedene Ansätze.

Bessere Bezahlung und ÖPNV

Angelika Hießerich-Peter (FDP) spricht sich für eine bessere Bezahlung während der Ausbildung aus. Diesem Vorschlag schließen sich die anderen Parteien an. Christina Baltes (SPD) wirft noch ein, die praxisinterne Ausbildung (PIA) weiter voranbringen zu wollen.

Heike Hanson (Bunt.Saar) bringt an dieser Stelle den ÖPNV ein, der ausgebaut und günstiger werden müsse, damit junge Menschen überhaupt zu ihrer Arbeits- oder Ausbildungsstelle kommen können.

Gerade die Berufe, die besonders vom Arbeitskräftemangel betroffen sind, müssten in der Ausbildung "so attraktiv wie möglich" gestaltet werden, findet Birgit Huonker (Linke), zum Beispiel durch Fortbildungsmöglichkeiten oder Recht auf Bildungsfreistellung.


Situation in Kitas

Als besonders problematischer Punkt gerade für Frauen im Saarland stellt sich in der Diskussion das Betreuungsthema heraus. "Fehlende Kita-Plätze sind ein Riesenproblem", sagt Birgit Huonker (Linke). In diesem Punkt sind sich die Parteien einig.

Uta Sullenberger (Grüne) spricht das Problem an, das sich für die Frauen ergibt: Die geringerverdienende Person müsse die Betreuung der Kinder übernehmen und das seien in den meisten Fällen die Frauen.

Ein Teufelskreis entstünde, der eine hohe Frauenarmutsquote zur Folge hätte. Sie spricht sich daher dafür aus, das Elterngeld an die meistverdienende Person in einer Familie anzugleichen, damit es keine finanzielle Entscheidung sei, wer Zuhause bleibt.

Mehr Zusammenarbeit kommunaler und freier Träger

Letztlich laufe es aber erneut auf den Fachkräftemangel hinaus, so Christina Baltes (SPD). Sie bedauert, dass sich die kirchlichen Träger vermehrt zurückziehen würden, wodurch mehr Verantwortung auf die Kommunen übertragen werde.

An dieser Stelle greift Dagmar Heib (CDU) ein: "Den Rechtsanspruch auf Kindergartenplätze haben die Kommunen zu erfüllen, nicht die Kirchen oder freien Träger." Die Arbeit müsse Hand in Hand gehen. Sie warnt aber, dass jede Gehaltserhöhung oder Erhöhung des Betreuungsschlüssels, den zum Beispiel die Linken-Sprecherin Huonker fordert, die Kosten der Beiträge in die Höhe treiben würde.

Weniger Bürokratie

Bunt.Saar, Grüne und FDP stimmen darin überein, bürokratische Hürden einstampfen zu wollen, zum Beispiel beim Neubau von Kitas. "Selbst wenn Kommunen bereit sind, Bauvorhaben durchzusetzen, sind Genehmigungsverfahren zu langwierig", findet Heike Hanson (Bunt.Saar).

Damit an Schulen und in Kindergärten die eigentliche Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher nicht in den Hintergrund gerate, rät Uta Sullenberger von den Grünen zu multiprofessionellen Teams aus Psychologinnen und Psychologen sowie Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, die intern beschäftigt sein sollten.

Angelika Hießerich-Peter (FDP) findet, Kita-Plätze sollten zudem nicht wohnortgebunden vergeben werden. Stattdessen solle es auch möglich sein, sich zum Beispiel in der Nähe des eigenen Arbeitsortes nach Betreuungsmöglichkeiten umzuschauen.


Lücken in der Pflege

Ein weiterer Punkt, der vermehrt Frauen und im Durchschnitt weniger die Männer betreffe, sei die Pflege von Angehörigen. Und erneut sind sich die Parteien über den Kern des Problems einig: der Fachkräftemangel.

Birgit Huonker (Linke) wird bei diesem Thema sichtlich emotional. Sie habe selbst zehn Jahre lang ihre Großmutter gepflegt und währenddessen ihre Kinder betreuen müssen, sagt sie. Der Wiedereinstieg in den Beruf sei ihr anschließend schwergefallen.

Die sogenannte Care-Arbeit werde vorrangig den Frauen überlassen. Dabei sei es eine gesellschaftliche Aufgabe, die noch nicht als solche organisiert sei. Als politische Reform auf Bundesebene fordert Huonker die Bürgerversicherung, in die alle einzahlen.

Mehr Wertschätzung, bessere Bezahlung

Die Vertreterinnen der derzeitigen Regierungsparteien Heib (CDU) und Baltes (SPD) betonen, dass der Mensch im Mittelpunkt stehe und es für diese Arbeit mehr Wertschätzung geben müsste. "Warum wird die Arbeit an Maschinen so viel besser bezahlt als die am Menschen?", fragt Baltes.

Heib betont den wichtigen Schritt, dass bald tarifvertraglich gezahlt werde. Beide fordern Arbeitszeiten, die verlässlich sind und sich besser mit Familie vereinbaren lassen. Dem schließt sich Heike Hanson (Bunt.Saar) an.

Auf ausländische Pflegekräfte könne man kaum verzichten, meint Christina Baltes (SPD). Birgit Huonker (Linke) findet es jedoch "unmoralisch", auf Kräfte aus dem Ausland zu bauen: "Langfristig ist das kein guter Weg." Heib (CDU) versichert daher, dass man die Menschen nicht dort abwerbe, wo sie eigentlich genauso gebraucht würden, und dass man sie rechtlich absichere.


Fazit: Parteien stellen sich mit ähnlichen Punkten auf

Insgesamt sind sich die Teilnehmerinnen der Podiumsdiskussion einig darüber, dass die Sorgearbeit innerhalb einer Familie, also zum Beispiel die Kinderbetreuung, gleichberechtigter zwischen Frau und Mann aufgeteilt werden müsste. Um dafür bessere Strukturen zu schaffen, seien zwingend Lösungen für den Fachkräftemangel notwendig.

Zum Schluss meldet sich noch die Frauenbeauftragte des Landkreises St. Wendel, Ursula Weiland, zu Wort und fasst zusammen, dass die Ansätze der saarländischen Parteien hinsichtlich der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie doch recht ähnlich seien. Sie wünscht sich, "dass die künftige Regierung dann genauso gemeinsam an den Punkten arbeiten wird."

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