Wie die Cannabis-Legalisierung rechtlich funktionieren soll
Welche Chancen auf Erfolg haben die neuen Konzepte zur Cannabis-Legalisierung? Die bisherigen drohten am EU-Recht zu scheitern. Nach Meinung eines saarländischen Strafrechtsprofessors sind die am Mittwoch vorgestellten Pläne aber durchaus realisierbar.
Schon im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung festgelegt: Der Besitz und Konsum von Cannabis sollen legal werden. Seitdem gab es bereits verschiedene Ideen, wie die Umsetzung funktionieren könnte. So war etwa die Abgabe in lizenzierten Geschäften oder in Apotheken im Gespräch.
Dabei kamen aber Bedenken auf, dass ein entsprechendes Gesetz am EU-Recht scheitern könnte. Denn in der EU ist Cannabis eigentlich verboten. Am Mittwoch haben Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) daher neue Pläne vorgestellt.
Abgabe über "Cannabis-Social-Clubs"
Diese sehen vor, dass bestimmte Mengen an Erwachsene ab 18 Jahre abgegeben werden dürfen. Das soll in einem ersten Schritt über sogenannte Cannabis-Social-Clubs geschehen.
Das sollen kleine, angemeldete und nicht gewinnorientierte Vereine sein, die bis zu 25 Gramm pro Mitglied abgeben dürfen. Höchstens aber 50 Gramm im Monat. Außerdem soll der Anbau von bis zu drei eigenen Pflanzen erlaubt sein. Noch im April soll ein erster konkreter Gesetzentwurf vorliegen, der Besitz und Eigenanbau regelt.
In einem zweiten Schritt soll es auch erneut um die Abgabe in Geschäften gehen. Das soll zunächst aber wissenschaftlich begleitet in regionalen Modellprojekten passieren. An den Modellvorhaben werden Kreise und Städte verschiedener Bundesländer freiwillig teilnehmen können, heißt es vom Bundesgesundheitsministerium. Weitere Einzelheiten, wie die Regionen ausgewählt werden, sind noch nicht festgelegt.
Cannabis für private Zwecke
Das Vorgehen über Social-Clubs sei grundsätzlich weniger problematisch als die vorherigen Konzepte, sagt der Professor für Strafrecht an der Universität des Saarlandes, Mustafa Temmuz Oğlakcıoğlu. "Man orientiert sich da am belgischen und spanischen Modell, und diese standen, bis dato zumindest, nicht in Verdacht europarechtswidrig zu sein."
Demnach könnten die neu vorgestellten Pläne die Hürden des EU-Rechts nach Einschätzung des Strafrechtlers meistern. Das hängt laut Oğlakcıoğlu damit zusammen, dass Cannabis für private Zwecke weniger streng geregelt ist.
Steigende Nachfrage könnte zum Problem werden
Trotzdem sieht der Experte Risiken in den neuen Ideen. Der Anbau durch die Social-Clubs könne nur schwer kontrolliert werden. "Man kann natürlich rechtlich bestimmte Mechanismen schaffen, aber man wird die Vereinsaktivität nicht komplett durchleuchten können", so Oğlakcıoğlu. Auch die steigende Nachfrage könne zum Problem werden.
Vorteile der Entkriminalisierung
"Auf der anderen Seite ist jedes dieser Konzepte immer noch besser als das derzeitige", sagte Oğlakcıoğlu. Man könne dadurch sogar auf internationaler Ebene Pionierarbeit leisten. Drogen zu verbieten, führe seiner Meinung nach dazu, dass insbesondere Erstkonsumierende stigmatisiert werden und vielleicht auch weiter in die Kriminalität geraten.
Die Bundesregierung zielt durch die Legalisierung unter anderem darauf ab, gegen den Schwarzmarkt vorzugehen. Zudem soll die Qualität von Cannabis-Produkten besser kontrollierbar und allgemein die Justiz durch klarere Regelungen entlastet werden.
"Niemand wird ernsthaft behaupten können, dass dieses neue Modell den Schwarzmarkt vollständig beseitigen wird", sagt Oğlakcıoğlu. Aber versuchen könne man es.
Gemischte Reaktionen im Saarland
Auch Headshop-Betreiber Michael Reufsteck befürwortet die Schritte der Bundesregierung. Durch die Legalisierung würde auch verhindert, dass gefährliche Substanzen beigemischt werden.
Die Ärztekammer im Saarland hingegen sieht die Pläne kritisch. Der Chef der Ärztekammer, Josef Mischo, rechnet künftig mit mehr Suchterkrankungen. Er sieht die Gefahr, dass der Konsum von Cannabis durch die Legalisierung verharmlost wird. Stattdessen solle mehr in Prävention und Aufklärung investiert werden.
Auch Sven Schäfer vom Drogenhilfezentrum Saarbrücken ist der Meinung, dass die Suchtprävention ausgebaut werden müsse. Grundsätzlich befürwortet er die Entkriminalisierung von Cannabis aber.
CDU Saar gegen die Cannabis-Legalisierung
Die CDU Saar lehnt die vorgestellten überarbeiteten Pläne der Bundesregierung weiterhin ab. "Die Ampel handelt hier komplett verantwortungslos", sagte Generalsekretär Frank Wagner.
"Die geplanten Regelungen für einen Verkauf in lizenzierten Stellen sowie die Möglichkeit zur Schaffung von Cannabis-Social-Clubs sind ein Test im Reallabor mit unabsehbaren Risiken und Folgen und ohne effektive Kontrolle."
Die FDP Saar blickt positiver auf die neuen Pläne und schlägt das Saarland sogar als Modellregion für den zweiten Schritt der Legalisierung vor: "Im Saarland kann durch die Grenze zu Frankreich gut überprüft werden, ob die Vorgabe unter den neuen Gegebenheiten realisierbar ist und in wieweit die Polizei stärker be- oder entlastet wird", sagt Generalsekretär Marcel Mucker. Ein "Drogentourismus aus Frankreich" müsse aber "unbedingt unterbunden werden".
Ähnliches fordert auch die Grüne Jugend Saar. Zudem müsse die Cannabis-Versorgung im medizinischen Bereich besser werden. Die Strafverfolgung verhindere aber weitergehende Forschung, so die Sprecherin der Grünen Jugend Saar, Jeanne Dillschneider.
Das SPD-geführte Gesundheitsministerium hingegen verweist auf das frühe Stadium der Pläne. Bisher liege nur ein Entwurf vor, teilte eine Sprecherin mit, in dem gebe es noch viele offene Fragen. Erst wenn die beantwortet seien, könne man sich dazu äußern.
Über dieses Thema haben auch die SR-Hörfunknachrichten am 12.04.2023 berichtet.