Was jetzt in der Pflegebranche passieren muss
In der Pflegebranche müssen in den nächsten Jahren Tausende Stellen neu besetzt werden. Arbeitskammer und Gewerkschaftsbund sprechen von "alarmierenden Zahlen" und einem "Warnschuss". Aus Sicht der Pflegegesellschaft muss auch am Image des Pflegeberufs gearbeitet werden.
Bis zu 8000 Vollzeitstellen in der Altenpflege müssen bis zum Jahr 2035 im Saarland neu besetzt werden, zeigen aktuelle Berechnungen von Arbeitsmarktforschern der Arbeitsagentur.
Um dies zu schaffen, "müssen wir allerdings an einigen Hebeln mehr ansetzen", ist die Arbeitskammer überzeugt. Ausbildung und Qualifizierung seien enorm wichtig, auch ohne die Anwerbung ausländischer Fachkräfte werde es nicht gehen.
Enormes Potenzial bei Berufsrückkehrern
"Ein enormes Potential steckt aber auch bei den Berufsrückkehrern und Pflegekräften in Teilzeit", sagt die Geschäftsführerin der Arbeitskammer des Saarlandes, Beatrice Zeiger. Sie verweist auf die Studie "Ich pflege wieder, wenn ...", nach der viele Teilzeitkräfte bereit wären, ihre Arbeitszeit zu erhöhen und auch ehemalige Pflegekräfte zurückkehren würden, wenn die Bedingungen verbessert würden.
Neben einer besseren Bezahlung und generell mehr Personal seien vor allem verlässliche Dienstpläne wichtig, so dass man nicht häufig "aus dem Frei" gerufen werde. Auch die mangelnde Wertschätzung durch Vorgesetzte sei ein häufiger Kritikpunkt.
Um diese beiden Punkte - Führungskultur und verlässliche Arbeitszeiten - soll es auch beim Arbeitskammer-Pflegeforum am 25. Januar gehen. Hier sollen in Workshops Lösungsvorschläge erarbeitet werden.
DGB: Arbeitsbedingungen schnell verbessern
Der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB sieht ebenfalls steigenden Handlungsbedarf. "Diesen Warnschuss der Regionaldirektion dürfen wir nicht ignorieren", sagte der stellvertretende Vorsitzende des DGB Rheinland-Pfalz/Saarland, Timo Ahr. Die Pflegebranche sei jetzt schon bundesweit das am stärksten wachsende Arbeitsfeld. "Der Pflegebereich ist eine Zukunftsbranche, auch wenn die Beschäftigten aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen oft einen anderen Eindruck gewinnen müssen", so Ahr.
Man begrüße zwar die "Konzertierte Aktion Pflege" des Ministeriums, um die Missstände anzupacken - die Umsetzungsschritte müssten allerdings schnell erfolgen. Zudem müsse die Arbeitsmarktpolitik auf den steigenden Bedarf angepasst werden.
Berufsimage der Pflege muss verbessert werden
Die Saarländische Pflegegesellschaft ist von den aktuellen Modellrechnungen der Arbeitsmarktforscher und der Größenordnung des Fachkräftebedarfs nicht überrascht. „Es ist aus unserer Sicht sogar noch zu niedrig angesetzt“, sagte der Vorsitzende Holger Wilhelm.
Um den künftigen Bedarf zu decken, gibt es aus Wilhelms Sicht mehrere Punkte, an denen man ansetzen kann. Ein zentraler Punkt dabei ist das Berufsimage. „Beim Thema Nachwuchs konkurriert die Pflege mit vielen Branchen. Deshalb müssen das Berufsbild und das Image verbessert werden, damit sich junge Menschen für eine Ausbildung in der Pflege entscheiden.“
Bezahlung nicht mehr der entscheidende Punkt
Die Bezahlung sei dabei noch nicht einmal der Knackpunkt – da habe sich in den vergangenen Jahren viel getan. Vielmehr stünden jetzt verlässliche Dienstzeiten im Fokus, wie auch schon die Arbeitskammer betonte. „Das geht aber nur mit mehr Personal“, so Wilhelm. Dabei gehe es nicht nur um Fachkräfte - sondern generell "helfende Hände". Hier könnte zum Beispiel auch durch Umschulungen etwas erreicht werden oder wenn Ausbildungen wie die Pflegeassistenz bekannter würden.
Beim Blick auf Fachkräfte aus dem Ausland betont Wilhelm, dass es hier nicht nur darum gehen könne, sie anzuwerben – die Menschen müssten dann auch erfolgreich in die Gesellschaft integriert werden, sonst würden sie das Saarland nach einiger Zeit wieder verlassen.
Belastungsgrenze durch anhaltende Corona-Restriktionen erreicht
Ein Problem sieht Wilhelm auch in den nach wie vor bestehenden Corona-Restriktionen im Pflegebereich – etwa die Maskenpflicht. Beim Personal seien die Belastungsgrenzen nach mehr als drei Jahren Pandemie erreicht.
Insgesamt gebe es viele Stellen, an denen man ansetzen könne und müsse, um den absehbaren Bedarf erfüllen zu können. „Es muss auch politisch gewollt sein, diese Maßnahmen umzusetzen“, so Wilhelm.