Wie die Kommunen im Saarland auf einen längeren Stromausfall vorbereitet sind
In der Regel sind Stromausfälle nach nur wenigen Augenblicken vorbei und ihre Ursache behoben. Die Energiekrise treibt aber Sorgen vor möglicherweise länger anhaltenden und flächendeckenden Blackouts an. Einige Saar-Kommunen sind auf solche Fälle vorbereitet - bei anderen gibt es aber noch große Lücken.
Direkt zu den Themen:
Die Preise allgemein, aber besonders für Energie steigen derzeit auf neue Rekordwerte, die Bevölkerung wird zum Energiesparen aufgerufen, da anderenfalls Ressourcen knapp werden könnten. Noch kann der Bedarf zwar gedeckt werden - dennoch klären Behörden zur Sicherheit an einigen Stellen schon darüber auf, was man an Lebensmitteln auf Vorrat lagern sollte, um im Falle eines Blackouts vorgesorgt zu haben. Informationen dazu gibt es zum Beispiel beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.
Viele Kommunen ohne Notfallpläne
Vorsorgen für solche Fälle müssen die Länder und Kommunen, dazu sind sie gesetzlich verpflichtet. Denn ohne Strom fällt weit mehr aus, als nur der Kühlschrank oder die Zimmerbeleuchtung daheim: Wo gibt es Trinkwasser, wenn aus dem Wasserhahn kein Wasser mehr kommt? Wie informiert man die Bevölkerung über Maßnahmen oder Hilfsangebote, wenn das Internet oder Mobilfunknetze ausfallen? Wie versorgt man Patientinnen oder Patienten in Krankenhäusern, wenn der Strom für das Beatmungsgerät ausfällt?
Zuständig dafür, Notfall- oder Alarmpläne für solche Szenarien zu erstellen, sind die Katastrophenschutzbehörden der Länder. Laut einer Umfrage des ARD-Politikmagazins "Report Mainz" gibt es in vielen Landkreisen und Städten bundesweit allerdings genau solche Pläne noch nicht.
Verweis auf Landkreisebene
Auch im Saarland beschäftigen sich Landkreise, Kommunen und Gemeinden verschieden intensiv damit - und einige bislang gar nicht, wie eine SR-Anfrage zeigt. Darauf haben von den 52 saarländischen Kommunen 32 geantwortet, außerdem die sechs Landkreise.
14 Städte und Gemeinden gaben konkret an, Pläne für solche Notfallszenarien zu haben, zum Beispiel Blieskastel oder Überherrn, bei 15 liegen diese gar nicht oder nicht konkret für einen Blackout vor, zum Beispiel in Friedrichsthal. Bei drei Kommunen sei ein solcher Plan immerhin derzeit in Arbeit, so etwa in Dillingen oder in Bous.
Viele Städte und Gemeinden verwiesen auf die Landkreise als untere Katastrophenschutzbehörden. Davon gaben im Saarland alle an, zumindest teilweise für einen Stromausfall gewappnet zu sein. Für Saarbrücken allerdings könne die Versorgung nur für einen kurzfristigen Ausfall gesichert werden, nicht aber für einen mehrtägigen.
Und der Kreis St. Wendel betont, dass die Verantwortung auch bei den Kommunen liege: "Ein Landkreis ist nicht der einzige Akteur, denn die Kommunen haben die Aufgabe, für Ihre Bürger Infrastruktur in angemessenem Maße anzubieten beziehungsweise aufrecht zu erhalten", heißt es. "Der Landkreis ist unterstützend tätig."
Notwasserbrunnen oder mobile Wassertanks
Damit die Trinkwasserversorgung trotz Stromausfall gewährleistet bleibt, können 13 Kommunen nach eigenen Angaben auf Trinkwasserbrunnen zurückgreifen. In Lebach etwa gebe es in nahezu allen Stadtteilen Notbrunnen, ebenso in Rehlingen-Siersburg, wo die Wasserversorgung über mehrere Tage sichergestellt werden könne.
Auch weitere Gemeinden können die genaue Anzahl solcher Notbrunnen nennen, so etwa Nohfelden, wo es 14 Brunnen gebe und zur Trinkwasseraufbereitung Chlortabletten zur Verfügung stünden. Diverse andere Kommunen sehen die Zuständigkeit allerdings eher beim Versorger oder den Landkreisen, haben gar keine Notbrunnen oder zumindest noch keine Pläne für den Notfall.
Auf Kreisebene gehen die Informationen auseinander. Der Saarpfalz-Kreis komme auf 35 Notwasserbrunnen, ebenso seien Standorte in Merzig-Wadern vorhanden. Im Kreis Neunkirchen gebe es nach eigenen Angaben gar keine Trinkwasserbrunnen, St. Wendel verweist auf die örtlichen Versorger, sagt aber, die Versorgung sei "durch technische und organisatorische Maßnahmen des Versorgers zu fast 100 Prozent" sichergestellt. Auch Saarlouis und Saarbrücken geben an, die Zuständigkeit liege bei den Kommunen und Versorgern.
Teils gebe es zudem die Möglichkeit, Wasserwerke über Notstromaggregate weiterbetreiben zu können. Davon können im Saarland 14 Kommunen Gebrauch machen, außerdem geben die Landkreise Neunkirchen und Merzig-Wadern diese Möglichkeit explizit an. Im Wasserwerk Homburg dient zum Beispiel ein Blockheizkraftwerk als Notstromaggregat, um die Pumpen dort weiter zu betreiben.
Informationsinfrastruktur aufrechterhalten
Bei den meisten Kommunen kann man sich auf deren Internetseite über Aktuelles in der Region informieren. Bei einem Stromausfall fällt diese Möglichkeit aber weg.
Elf saarländische Gemeinden setzen auf Warnungen über Sirenen, in drei davon gibt es dabei die Möglichkeit, Durchsagen über die Sirenenanlagen zu machen. 17 Kommunen geben dazu an, die Bevölkerung per Durchsagen über Feuerwehrfahrzeuge oder andere Hilfsorganisationen zu informieren. In der Gemeinde Schiffweiler gebe es dafür je nach verschiedener Lage sogar bereits vorgefertigte Durchsagetexte. Sechs Kommunen setzen außerdem auf analoge Mittel wie Handzettel, Plakate oder auch Botengänge.
(Beheizte) Notunterkünfte
Notunterkünfte, in denen sich Menschen sammeln können und die teils auch beheizt sind, gibt es nach SR-Recherchen in 14 saarländischen Kommunen. Dazu zählen häufig stadteigene Mehrzweckhallen, Turnhallen, Dorfgemeinschaftshäuser oder auch Grundschulen. In Schwalbach stehen zum Beispiel sieben Notunterkünfte fest, die Platz für 1700 Personen bieten, in Oberthal sollen künftig zwei Hallen mit Notstrom sowie mit einer Zeltheizung betrieben werden können.
Die Landkreise verweisen zum Großteil hingegen auf die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger. In Merzig-Wadern etwa könne nur ein Prozent der Bevölkerung in Notunterkünften unterkommen - für diese Personen sei dann aber die komplette Ausstattung vorhanden. Die untere Katastrophenschutzbehörde in Saarbrücken rät, auf eigene Winterkleidung, Decken und Schlafsäcke zurückzugreifen und sich außerdem ausreichend zu bewegen.
Einige Städte und Gemeinden nennen außerdem Anlaufstellen, die für Bürgerinnen und Bürger in Notfällen bereitstehen sollen. Von dort aus können etwa Notrufe abgesetzt werden oder Einsatzkräfte können Fragen zur aktuellen Lage beantworten. Solche Anlaufstellen, teils auch "Leuchtturmzentren" genannt, sind bislang in acht saarländischen Kommunen geplant.
Medizinische Versorgung
Stromausfall bedeutet auch Ausnahmezustand in Krankenhäusern sowie in Senioren- und Pflegeheimen. Einrichtungen und Betreiber sind per Gesetz zwar selbst dafür zuständig, Patientinnen und Patienten oder Bewohnerinnen und Bewohner in einem solchen Fall weiterhin versorgen zu können.
Teils könnten die Einsatzkräfte der Feuerwehr oder Hilfsorganisationen aber in Pflegeheimen aushelfen. Dafür haben in manchen Gemeinden bereits Übungen stattgefunden, damit sich die Feuerwehrleute mit den Örtlichkeiten bekannt machen konnten. Teils sei außerdem eine Notstromversorgung für Pflegeheime vorgesehen, zum Beispiel in Wadgassen.
Krankenhäuser halten zum Beispiel Notstromaggregate vor, teilt das Klinikum Saarbrücken mit. Im Falle eines Stromausfalls müsse innerhalb von 30 Sekunden eine Ersatzversorgung anspringen und eine stabile Stromversorgung aufgebaut werden, sagt Klinikumssprecherin Kristin Schäfer. "Um diese Zeit zu überbrücken, müssen lebenserhaltende medizintechnische Geräte, zum Beispiel Beatmungsgeräte, eine Akkupufferung haben."
Wichtig sei die Notfall-Stromversorgung aber auch für die Küche oder Medikamentenausgabe in der Apotheke, erklärt sie. "Unsere Dieselvorräte reichen für zwei bis drei Tage Betrieb aus. In dieser Zeit müsste für Nachschub gesorgt werden."
Im Krankenhaus Saarlouis vom Träger DRK gibt es nach eigenen Angaben ein Notstromaggregat, das alle zwei Wochen im Echtzeitbetrieb getestet werde und mit dem ohne Nachtanken 48 Stunden lang Strom produziert werden könne. Im Falle eines längerfristigen Stromausfalls würden nur noch Notoperationen durchgeführt.
Auch die SHG-Kliniken Sonnenberg in Saarbrücken können auf Notstromaggregate zurückgreifen. Hier sei für sieben Stunden ohne Nachtanken vorgesorgt - es gebe aber Reservetanks, erklärt Verwaltungsdirektor Martin Huppert.
Wer hat die Verantwortung?
In den meisten der Kommunen soll im Katastrophenfall ein Krisenstab ausgerufen werden. Der Fokus müsse dann darauf liegen, dass dieser seine Arbeit trotz Stromausfall ausführen kann. In vielen saarländischen Orten stehen dafür Notstromaggregate bereit. Damit die Einsatzkräfte von Feuerwehr und Polizei mobil bleiben, halten einige Kommunen auch Kraftstoff und Tankmöglichkeiten bereit, so etwa die Gemeinden Schmelz oder Blieskastel.
In St. Ingbert haben die Mitglieder des Krisenstabs zuletzt Mitte Oktober ein Seminar bei der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und zivile Verteidigung zum Thema Risiko- und Krisenmanagement gemacht, um für den Notfall vorbereitet zu sein. Eine Katastrophenschutzübung des Landkreises Saarlouis habe zuletzt 2019 stattgefunden, im Landkreis Neunkirchen 2020.
Generell laufe die Zusammenarbeit in vielen Städten und Gemeinden eng mit den örtlichen Feuerwehren. Allerdings: "Jede Katastrophe ist individuell und muss aufgrund dessen einzeln betrachtet und begutachtet werden", merkt der Bürgermeister von Friedrichsthal, Christian Jung, an. "Die Vorgehensweise 'Schema F' ist nicht möglich."
Saarlandweit diverse Lücken
Mancherorts sieht es mit der Vorsorge schwieriger aus. Von der Stadt Bexbach etwa heißt es klar: "Ab den 1990er Jahren wurden viele Strukturen und Einrichtungen des Bevölkerungsschutzes abgebaut." Auch auf kommunaler Ebene sei das Thema "leider vernachlässigt" worden. "So steht Bexbach, wie viele andere Kommunen in der Bundesrepublik auch, vor der Aufgabe, ein Krisenmanagement aufzubauen, um auf künftige Schadensereignisse vorbereitet zu sein, was nicht nur mit einem großen finanziellen Aufwand verbunden ist."
Verschiedene Expertinnen und Experten sehen das Szenario derzeit aber generell als unwahrscheinlich an - und darauf beruft sich auch die Katastrophenschutzbehörde Saarbrücken. Zu vernachlässigen sei es aber dennoch nicht. Saarbrückens Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU) sagt: "Der Bund hat den Katastrophenschutz in Deutschland in den letzten Jahrzehnten regelrecht ausbluten lassen. Bei meinem Amtsantritt war in der unteren Katastrophenschutzbehörde nur noch ein einziger Mitarbeiter ausschließlich für den Katastrophenschutz zuständig. In anderen Landkreisen gibt es gar keine Stelle mehr nur für Katastrophenschutz."
Es brauche Zeit, Katastrophenschutzkonzepte neu zu erstellen. "Es wäre deshalb falsch zu sagen, dass wir auf alle möglichen Bedrohungslagen bereits optimal eingestellt sind", fügt er hinzu. Aber auch das sei ein bundesweites Phänomen und es drohe sogar eine "radikale Kürzung beim Katastrophenschutz".
Bevölkerung sensibilisieren
Vor allem die Landkreise setzen darauf, die Bevölkerung zu sensibilisieren. Dafür sind teils Aufklärungskampagnen vorgesehen oder es wird auf Informationen des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe und die dortigen Informationen zum Selbstschutz verwiesen.
Die Gemeinde Überherrn arbeitet außerdem an einem "Notfallhelferplan". Dieser solle die Öffentlichkeit für das Thema nicht nur sensibilisieren, sondern auch zum Mithelfen aufrufen. Auch auf Nachbarschaftshilfe und Solidarität der Bürgerinnen und Bürger untereinander werde gesetzt, zum Beispiel in St. Ingbert.
Denn: "Eine vollumfassende Versorgung der Gesamtbevölkerung kann kein Katastrophenschutz flächendeckend gewährleisten", heißt es aus dem Landkreis Saarlouis. Und zu diesem Fazit kommen auch zahlreiche Städte und Gemeinden im Saarland.