HNO-Klinik des UKS in Homburg (Foto: Sebastian Knöbber/SR)

Zeugenaussagen erhärten Vertuschungsverdacht

Kai Forst mit Informationen von Barbara Spitzer   23.09.2020 | 15:13 Uhr

Haben Verantwortliche der Homburger Uni-Klinik über Jahre hinweg Kindesmissbrauch vertuscht? Nach den Zeugenaussagen von Schwestern und Pflegern im U-Ausschuss hat sich dieser Verdacht erhärtet. Ein Gutachten der Uni Mainz stützt zudem den Verdacht des Missbrauchs eines sechsjährigen Mädchens.

Im Sommer 2012 wird im OP-Bereich der Hals-Nasen-Ohren-Klinik bei einem sechsjährigen Mädchen eine Wunde im Genitalbereich festgestellt. Der Verdacht: Das Mädchen könnte in der Klinik vergewaltigt worden sein. Die Klinikleitung lieferte später ein möglicherweise falsch eingeführtes Zäpfchen als Erklärung für die Verletzung.

"Theorie kann nicht stimmen"

Nach der Anhörung von sechs Schwestern und Pflegern im U-Ausschuss am Dienstag ist für die Abgeordneten von CDU, SPD und der Linken inzwischen allerdings klar: Die Zäpfchentheorie ist nicht haltbar. „Die Theorie kann nicht stimmen, das hat die Zeugenbefragung deutlich gemacht“, sagt etwa die Abgeordnete und Obfrau des Ausschusses, Jutta Schmitt-Lang (CDU). Keiner der Beteiligten im OP sei auf den Gedanken gekommen, dass die Wunde von einem Zäpfchen verursacht werden konnte. „Die Theorie kam nachher irgendwo auf, aber befragt wurde danach niemand“, sagte Lang-Schmitt dem SR.

Niemand wurde befragt

Auch die Schwester, die dem Mädchen damals das Zäpfchen verabreichte, und damit für die Wunde verantwortlich gewesen wäre, wurde befragt. Dass die Verletzung durch ein möglicherweise nicht ausgepacktes Zäpfchen entstanden sein soll, ist für sie nicht vorstellbar. Die Verpackung habe sie entfernt. Zudem fette sie vor der Vergabe stets jedes Zäpfchen ein.

Zudem sei sie von niemandem aus der Klinik im Nachhinein zu den Vorkommissen im OP befragt worden - ebenso wenig wie die anderen Schwestern und Pfleger, die damals zugegen waren. Dennoch vertritt die Klinikleitung nach wie vor die Zäpfchentheorie. Für den Linken-Abgeordneten Dennis Lander ist das nicht nachvollziehbar. „Man hat sich nicht mal die Mühe gemacht, mit Pflegepersonal Rücksprache zu halten. Aufgrund dieser Tatsache muss man von Vertuschung reden“.

Sollte der Ruf der Klinik geschützt werden?

Das OP-Team rief damals die Kinderschutzgruppe, um den Vorfall aufzuklären. Die Klinikleitung ermittelte danach aber nur intern. Strafanzeige wurde weder in diesem noch in zwei weiteren Verdachtsfällen gestellt.

U-Ausschuss-Obmann Jürgen Renner (SPD) sieht darin ein Indiz für eine Vertuschung. In allen Fällen der internen Ermittlungen seien keine Ergebnisse zu Tage gekommen. „Und das erhärtet den Verdacht, dass es hier wirklich darum ging, unter dem Deckmantel den Ruf der Klinik zu schützen, die Vorfälle nicht weiter aufgeklärt wurden.“

"Zäpfchentheorie ist Ablenkungsmanöver"

Die Zäpfchentheorie sei nicht mehr als ein Ablenkungsmanöver der Klinikleitung, das dafür sorgen soll, dass wieder Ruhe in die Einrichtung einkehre. Renner betonte zudem erneut, dass in der HNO-Klinik offenbar ein "Klima der Angst" herrsche. Die Zeugen trauten sich nicht, etwas zu sagen.

Mainzer Gutachten geht von Missbrauch aus

Ein externes Gutachten der Universität Mainz stützt zudem den Verdacht des Missbrauchs des sechsjährigen Mädchens in der HNO-Klinik. Nach SR-Informationen weist demnach vieles auf einen sexuellen Missbrauch etwa durch Eindringen mit Gegenständen hin. Andere plausible Erklärungen für die Wunde im Intimbereich seien nach Aktenlage derzeit nicht erkennbar. Bei zwei weiteren Verdachtsfällen bei Kindern im OP-Bereich der HNO-Klinik ist dem Mainzer Gutachten zufolge Missbrauch ebenfalls nicht völlig auszuschließen.

Über dieses Thema hat auch der aktuelle bericht am 23.09.2020 berichtet.

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