Stempelhalter mit Holzstempel mit der Aufschrift: Rente 63 (Foto: IMAGO / blickwinkel)

Steigende Zahl an Frührentnern wird zur Herausforderung

Thomas Braun   16.12.2022 | 15:30 Uhr

Das eigentliche Rentenalter steigt in den kommenden Jahren; tatsächlich gehen aber immer mehr Menschen frühzeitig in Rente. Nicht nur Bundeskanzler Scholz, sondern auch die Arbeitskammer und die Industrie- und Handelskammer im Saarland sehen hierin ein Problem  - und liefern auch gleich Lösungsvorschläge.

Viele Arbeitnehmer gehen bereits mit 63 oder 64 Jahren in Rente, zeigt eine neue Berechnung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB). Während beispielsweise von den 63-jährigen Männern im vergangenen Jahr noch über 60 Prozent erwerbstätig waren, waren es bei den 64-Jährigen nur noch weniger als die Hälfte.

"Der Hauptgrund sind gesundheitliche Einschränkungen"
Audio [SR 3, Moderation: Frank Hofmann/ im Interview: Torsten Brandt, 16.12.2022, Länge: 03:35 Min.]
"Der Hauptgrund sind gesundheitliche Einschränkungen"

Weniger als jeder Dritte 65-Jährige ist erwerbstätig

Im Alter von 65 Jahren arbeitete sogar nur noch knapp jeder dritte Mann. Bei Frauen liegt die jeweilige Quote noch einmal fünf bis zehn Prozent niedriger. Beispiele wie von Horst Köhler, der mit 81 Jahren noch in der familieneigenen Werkstatt mitarbeitet, sind eine absolute Ausnahme.

Mit 81 in der Werkstatt
Video [SR Fernsehen, (c) SR, 04.11.2022, Länge: 05:00 Min.]
Mit 81 in der Werkstatt

Eine wichtige Rolle bei der aktuellen Entwicklung spielt laut BiB die "Rente mit 63", also die seit 2014 bestehende Möglichkeit des frühzeitigen Rentenbezugs ohne Abschläge für besonders langjährig Versicherte. Jeder Dritte ging laut im Jahr 2021 über diesen Weg in die Rente. Zudem wächst die Zahl derer, die trotz Abschlägen früher in Rente gehen.

Erneute Debatte um Rentenalter entbrannt

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verfolgt die Entwicklung mit Sorge. Der Anteil derer, die wirklich bis zum Renteneintrittsalter arbeiten können, müsse gesteigert werden, sagte er vor wenigen Tagen den Zeitungen der Funke Mediengruppe - und hat damit eine Debatte um das Rentenalter losgetreten, in der nun auch Forderungen nach Abschaffung der Rente mit 63 und eine Erhöhung des Rentenalters auf den Tisch kommen.

Arbeitskammer: "Rente mit 63" unbedingt erhalten

Von diesen Forderungen hält die Arbeitskammer des Saarlandes wenig. So sollte etwa die Möglichkeit, nach 45 Versichertenjahren abschlagsfrei in Rente zu gehen, unbedingt erhalten bleiben. "Hier geht es schlicht um die Anerkennung eines langen Arbeitslebens, das häufiger mit einer kürzeren Lebenserwartung verbunden ist", so Arbeitskammer-Hauptgeschäftsführer Thomas Otto.

Die Arbeitskammer verweist darauf, dass viele Menschen das anvisierte Rentenalter gar nicht erst erreichen und bereits früher versterben. So seien etwa 2019 rund 17 Prozent der Verstorbenen jünger als 67 gewesen.

Renteneintritt der Babyboomer verschärft Arbeitskräftemangel

Gleichwohl sieht die Arbeitskammer - wie auch die Industrie- und Handelskammer - die großen Herausforderungen für den Arbeitsmarkt und für die Gesellschaft ingesamt, wenn nun die Babyboomer-Jahrgänge in Rente gehen. Nicht nur, dass der sowieso schon herrschende Fach- und Arbeitskräftemangel im Saarland dadurch dramatisch verschärft wird.

Es steigt auch die Belastung für diejenigen, die dann noch im Berufsleben stehen. Auf eine erwerbstätige Person im Saarland kommen derzeit laut Statistischem Bundesamt 35,5 Menschen über 67 Jahren - und damit bereits jetzt mehr als im Bundesschnitt. In den kommenden 15 Jahren könnte dieser sogenannte Altenquotient auf über 50 ansteigen. Heißt vereinfacht: Die Rente von immer mehr Menschen muss von immer weniger Arbeitnehmern getragen werden.

Berechnung des Statistischen Bundesamts
Bevölkerung im Saarland wird wohl weiter sinken

Sowohl Arbeitskammer als auch Industrie- und Handelskammer haben gleich mehrere Lösungsvorschläge. Alle zielen in die gleiche Richtung: Mehr Menschen in Arbeit bringen.

Wie mehr Menschen in Arbeit kommen sollen

Ein zentraler Punkt ist dabei die Problematik, die bereits Bundeskanzler Scholz angesprochen hat: Dafür sorgen, dass tatsächlich mehr Menschen bis zum regulären Rentenalter arbeiten können. Und genau auf diesem "können" liegt die Betonung.

Denn bislang sei es so, dass viele Arbeitnehmer vor allem aus gesundheitlichen Gründen früher in Rente gingen, berichtet die Arbeitskammer aus ihrer täglichen Beratungspraxis. Hinzu kämen teils auch die Insolvenz des Arbeitgebers und Vorruhestandsregelungen größerer Unternehmen.

Bessere Gesundheitsfürsorge und altersgerechte Arbeitsplätze

Gerade die Gesundheitsfürsorge und altersgerechte Arbeitsplätze sind daher eine Kernforderung der Arbeitskammer. Auch im Zehn-Punkte-Katalog der Industrie- und Handelskammer gegen den Fachkräftemangel steht dieser Punkt ganz oben.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärken

Hinzu kommen als weitere zentrale Forderungen beider Kammern, mehr Frauen für einen Beruf zu gewinnen, indem zum Beispiel die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert wird. Die Betreuungsangebote müssten weiter ausgebaut werden - und die Betriebe müssten flexible Arbeitszeit- und Arbeitsortmodelle anbieten.

Zuwanderung und Integration ausbauen und verbessern

Außerdem betont die IHK die Bedeutung der Zuwanderung: die gezielte Anwerbung ausländischer Fachkräfte, die bislang nur sehr wenig genutzt wird, müsse gesteigert werden - zudem sollten etwa ins Saarland geflüchtete Menschen besser in den Arbeitsmarkt integriert werden.

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