Kontroverse Debatte über saarländisches Wahlrecht
Die Absenkung des Wahlalters im Saarland bleibt ein umstrittenes Thema. Neben der SPD hat sich auch die AfD im saarländischen Landtag dafür ausgesprochen, die CDU bleibt bei ihrem Nein. Die AfD fordert aber eine noch weitergehende Überprüfung des Wahlrechts.
Sie wollen das Gleiche, doch ihre Motive scheinen meilenweit auseinander. Sowohl die AfD als auch die SPD haben im saarländischen Landtag die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre zum Thema gemacht: die AfD als Gesetzesentwurf, die SPD als Antrag. Und beide haben den Vorstoß der jeweils anderen Partei abgelehnt.
Vorwurf der "Instrumentalisierung"
Die SPD-Abgeordnete Kira Braun störte sich vor allem an der Begründung, die die AfD für ihren erneuten Gesetzesentwurf ins Feld führte. Diese hatte wie schon 2019 auf die Einführung des inklusiven Wahlrechts verwiesen und gesagt, wenn Menschen wählen könnten, die auf Betreuung angewiesen seien, dann müsse das auch für politisch interessierte 16-Jährige gelten.
Braun sah darin eine "Instrumentalisierung junger Menschen, um Stimmung zu machen gegen ein inklusives Wahlrecht". AfD-Fraktionschef Josef Dörr verwahrte sich gegen den Vorwurf und verwies auf seine langjährige berufliche Arbeit mit behinderten Menschen.
Die CDU sah im Verhalten der AfD vor allem einen Versuch, zu "destabilisieren, Unruhe zu stiften und gegen die Volksparteien aufzuhetzen", so der Parlamentarische Geschäftsführer Raphael Schäfer. Die Union lehnte die Einbringungen beider Parteien ab und blieb bei ihrer Einschätzung, dass ein niedrigeres Wahlalter sowohl wegen der Entkopplung von der Volljährigkeit juristisch problematisch als auch von einer breiten Bevölkerungsmehrheit nicht gewollt sei.
AfD fordert Überprüfung des Saar-Wahlrechts
Die Forderungen der AfD gingen allerdings noch weiter. In einem zusätzlichen Antrag regte sie eine allgemeine Überprüfung des saarländischen Wahlrechts an. Denn dieses habe "offensichtliche Demokratiemängel", sagte der AfD-Abgeordnete Christoph Schaufert.
So sei das Saarland das einzige Bundesland mit reiner Verhältniswahl. Nirgendwo sonst könne der Wähler sein Kreuz ausschließlich bei einer Partei beziehungsweise einer Liste machen, ohne gleichzeitig für einen Direktkandidaten abstimmen zu können. Das sei nicht mehr zeitgemäß.
Problematisch sei zudem, dass bei der vergangenen Landtagswahl wegen der Fünf-Prozent-Hürde mehr als jeder fünfte Wähler nicht im Parlament repräsentiert sei, sagte Schaufert. Das habe auch dazu geführt, dass die SPD dort eine klare absolute Mehrheit besitze, obwohl nur 43,5 Prozent der Wähler für sie gestimmt hätten. Die AfD schlug darum eine parteiübergreifende "Evaluierung" des Saar-Wahlrechts vor.
Änderungen der Saar-Verfassung möglich
Die anderen Parteien gingen darauf in der Debatte nicht weiter ein. Die SPD stellte dafür weitere Verfassungsänderungen zur Diskussion. Sie schlug in ihrem Antrag neben der Absenkung des Wahlalters auch vor, den Begriff "Rasse" aus der saarländischen Verfassung zu streichen. Dieser sei "längst nicht mehr zeitgemäß", außerdem "menschenverachtend und fachlich falsch", sagte Kira Braun. Aufgenommen werden solle hingegen die Verankerung von Nachhaltigkeit als Staatsziel.
Die CDU zeigte sich bei beiden vorgeschlagenen Änderungen gesprächsbereit. Damit könnte wohl anders als bei der Absenkung des Wahlalters die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit zustande kommen und eine entsprechende Verfassungsänderung im März oder April erfolgen.
Gleichzeitig mahnte Braun aber an, mit Änderungen der Verfassung "sparsam" umzugehen. Sie stimme mit dem Präsidenten des saarländischen Verfassungsgerichtshofs Roland Rixecker überein, der im SR-Interview betont hatte, dass die Verfassung kein Parteiprogramm sei.
Über dieses Thema hat auch die SR 3-Rundschau am 15.02.2023 berichtet.