"Landesregierung hat kein Interesse an einer starken Elternvertretung"
Eltern von Schulkindern sollen eigentlich bei Entscheidungen rund ums Thema Schule mitbestimmen. Dazu ist die Gesamtlandeselternvertretung da. Doch das Gremium besteht inzwischen nur noch aus zwei Leuten. Schuld daran ist auch ein Gesetz, dessen Überarbeitung für die Landesregierung offenbar keine Priorität hat.
Rund 118.000 Schülerinnen und Schüler besuchen aktuell die saarländischen Schulen. Um ihre Interessen gegenüber der Landespolitik zu vertreten, gibt es neben den Schülervertretungen auch die Elternvertretungen. Deren oberstes Gremium ist die Gesamtlandeselternvertretung (GLEV).
Dort engagiert sind Eltern von Schülern aller Schulformen. Sie kämpfen für die Interessen von Kindern und Eltern im Land: Sie machen auf Missstände wie den Lehrermangel und Unterrichtsausfälle aufmerksam und arbeiten in Fachkonferenzen an der Gestaltung der Bildungspolitik mit. Sie sollen eine starke Stimme sein und Demokratie in der Bildungspolitik ermöglichen.
Fast handlungsunfähig
Doch die Gesamtlandeselternvertretung (GLEV) steht im Saarland kurz davor, handlungsunfähig zu sein. "Aktuell besteht die GLEV de facto nur noch aus zwei Personen", berichtet Stefan Kreis. Er und seine Mitstreiterin Katja Oltmanns sind die letzten verbliebenen Eltern in dem wichtigen Gremium.
Eigentlich sollen es fünf Eltern sein, einer für jede Schulform: Grundschule, Gymnasium, Gemeinschaftsschule, Berufsschule und Förderschule.
"Wir zwei tun alles, was geht, aber eigentlich sind wir nicht mehr richtig handlungsfähig", sagt Kreis. Dass die GLEV so geschrumpft ist, liegt vor allem daran, dass seit Jahren keine Wahlen mehr zustande kommen.
Hat die Regierung kein Interesse?
Schuld daran sei "ein viel zu komplizierter Wahlvorgang", berichtet Kreis. "Seit Jahren beklagen wir gegenüber der Landesregierung, dass das Schulmitbestimmungsgesetz geändert werden muss." Dieses Gesetz legt nämlich fest, wie die Wahlen zur GLEV auszusehen haben.
Die Landesregierung hat das Gesetz auch 2021/2022 novelliert. "Doch unsere Vorschläge wurden nicht umgesetzt" so Kreis. "Offenbar hat die Landesregierung kein Interesse daran, dass die Eltern wirklich mitbestimmen. Kein Interesse an einer starken Elternvertretung."
Extrem komplizierter Wahlvorgang
Tatsächlich sind die Wahlen für die GLEV so kompliziert, dass es für Laien schwer zu durchschauen ist:
Zunächst werden an jeder Schule Elternvertretungen gewählt. Diese wählen schulintern Delegierte, die in eine Schulregionkonferenz entsendet werden und gleichzeitig noch direkte Delegierte für die Landeselternvertretung. Insgesamt gibt es sechs Schulregionkonferenzen, eine für jeden Landkreis. In diesen Konferenzen werden dann wieder Delegierte gewählt, die zu den Wahlen für die Landeselternvertretungen geschickt werden. Aus den gewählten Vertretern der Landeselternvertretung wird dann der Vorstand für die GLEV gewählt.
Stefan Kreis, GLEV
Nachdem zwei Jahre lang wegen Corona keine Neuwahlen möglich waren – digitale Wahlen waren nicht erlaubt, berichtet Kreis – gab es auch im aktuellen Schuljahr noch keine Neuwahlen. "Dafür müssen alle Regionskonferenzen gewählt haben. Aktuell fehlt hier z. B. noch der Landkreis Neunkirchen."
Mitbestimmung stark geschwächt
Auch bezogen auf die einzelnen Schulformen leidet deswegen seit Jahren die Mitbestimmung durch die Eltern. Eigentlich soll jede der fünf Schulformen durch zwei Eltern vertreten werden, die Kinder in der jeweiligen Schulform haben. Also Eltern von Grundschülern für die Grundschulen und Eltern von Gesamtschülern für die Gesamtschulen und so weiter.
Für die Grundschulen beispielsweise ist aktuell immer noch Stefan Kreis zuständig, doch er selbst hat schon seit Jahren kein Grundschulkind mehr. Auch das jüngste Kind seines Stellvertreters Alexander Maul ist schon in der 7. Klasse.
"Auch in den anderen Schulbereichen sind Eltern weggebrochen, weil ihre Kinder längst mit der Schule fertig sind", sagt Kreis.
Hilferuf per Brief
Katja Oltmanns und Stefan Kreis haben sich deshalb an die Öffentlichkeit gewandt, um auf die Probleme aufmerksam zu machen. In einem Brief an die Presse beklagen sie, dass das aktuelle Schulmitbestimmungsgesetz die Mitwirkung der Eltern an der Schulpolitik verhindere.
Ohne eine starke GLEV kann "Mitwirkung und gelebte Demokratie, die die Landesregierung sich auf ihre Fahnen schreibt, bei Schulmitbestimmung nicht gelingen", so Oltmanns und Kreis.
Über dieses Thema haben auch die SR-Hörfunknachrichten am 16.01.2023 berichtet.