Ein Obdachloser sitzt auf der Straße vor einem geschlossenen Geschäft (Foto: IMAGO/imagebroker/begsteiger)

Kostenlose Personalausweise für Obdachlose im Saarland?

Tabea Prünte   15.04.2023 | 19:50 Uhr

Wer wenig Geld hat, für den kann die Gebühr für den Personalausweis eine große Belastung sein. In einigen Städte in Deutschland gibt es daher kostenlose Ausweise für obdachlose oder wohnungslose Menschen. Im Saarland gehen die Kommunen mit der Situation sehr unterschiedlich um.

Ein Personalausweis kostet derzeit 37 Euro - Geld, das wohnungslose oder obdachlose Menschen nicht unbedingt haben. Ohne gültige Ausweisdokumente stehen sie aber vor diversen weiteren Hürden: Das Dokument braucht man, um Sozialleistungen zu beantragen, eine Wohnung oder einen Job zu suchen.

"Das ist ein großes Problem" sagt Achim Ickler, der beim Projekt Housing First von der Diakonie Saar mitarbeitet. Zwar ist innerhalb der Sozialleistungen auch ein Betrag für die Antragsgebühr vorgesehen. Der Ausweis gilt aber laut Ickler als Legitimation, um überhaupt an diverse Hilfsleistungen zu kommen, auch beim Jobcenter etwa müsse man sich ausweisen. "Da beißt sich Katze selbst in den Schwanz", so Ickler.

Kostenloser vorläufiger Personalausweis

Während es in einigen deutschen Städten kostenlose Angebote für obdachlose Menschen schon gibt oder bald geben soll, etwa in Hamburg oder Bremen, gehen die Kommunen im Saarland verschieden mit diesem Dilemma um. Einige Städte weisen darauf hin, dass Leistungsbezieherinnen und -bezieher selbst verantwortlich seien, das Geld für den Personalausweis zusammenzusparen. "Das ist de fakto natürlich nicht der Fall", sagt Achim Ickler von der Diakonie.

In Saarbrücken stelle das Bürgeramt seit vergangenem Jahr einmalig einen kostenlosen Personalausweis aus, wenn ein karitativer Träger für die betroffene Person eine Bescheinigung ausstellt, dass die Person bedürftig ist. Dieser vorläufige Personalausweis ist dann drei Monate gültig. Doch auch das ist laut Icklers Einschätzung nicht ganz realitätsnah. "Diese einmalige Gelegenheit ist relativ schnell wieder hinfällig", sagt er. Spätestens dann, wenn der vorläufige Ausweis abläuft.

Fälle müssten individuell geprüft werden

Die Sprecherin der Stadt Homburg, Linda Barth, rät davon ab, auf eine pauschale Regelung zu setzen. Zwar sehe eine Verordnung auch hier vor, dass im Einzelfall die Antragsgebühr von 37 Euro erlassen werden kann, wenn die Person bedürftig ist. Allerdings sei der Begriff 'bedürftig' in diesem Zusammenhang schwer zu deuten, so Barth. Es fehle eine eindeutige Definition. Derzeit seien in Homburg sieben wohnungslose Personen in Notunterkünften untergebracht und werden auch bei solchen Fragen betreut.

Auch in Völklingen gibt es die Möglichkeit, für bedürftige Personen die Gebühr zu erlassen, heißt es auf SR-Anfrage. Hier wird der Bedürftigkeitsbegriff aber offenbar getrennt von obdachlosen Personen betrachtet, denn weiter heißt es: "Eine Erweiterung des Personenkreises auf Obdachlose oder Menschen ohne festen Wohnsitz ist bisher nicht vorgesehen", schränkt Sprecherin Nina Apfelbaum ein.

Städte gehen verschiedene Wege

In Merzig, Saarlouis und Neunkirchen ist nicht geplant, dass die Kosten für den Personalausweis übernommen werden. "Obdachlose, Wohnungslose oder von Obdachlosigkeit bedrohte Menschen können sich aber immer an die Stadt oder die Wohlfahrtsverbände wenden, um Hilfe oder Unterstützung zu erhalten", heißt es aus der Stadt Neunkirchen.

In Saarlouis können sich Betroffene bei der Sozialbehörde beraten lassen, "sodass an sich in praktisch allen Fällen bei Bedürftigkeit eine Kostenübernahme möglich sein müsste", sagt die Sprecherin Sophia Tull. "Die dafür zuständigen Behörden erhalten zu diesem Zwecke auch entsprechende Haushaltsmittel vom Bund." Die Stadt biete außerdem an, die Gebühr in Raten zu zahlen. Im Härtefall werde der Ausweis auch herausgegeben, bevor die Gebühr bezahlt ist.

Mehr Transparenz gewünscht

Eine einheitliche Lösung gibt es im Saarland also nicht, auch weil die Frage der Bedürftigkeit nicht klar definiert ist. Achim Ickler von der Diakonie Saar wünscht sich für die Zukunft mehr Absprachen und mehr Transparenz über die Möglichkeiten in den verschiedenen Städten und Kommunen.

Ein offizielles Formular, das Wohlfahrtsverbände ausfüllen können, um die Bedürftigkeit einer Person zu bestätigen, wäre aus seiner Sicht schon ein erster Schritt. Bislang geschehe dies, wenn überhaupt, über formlose Schreiben. "Das wird aber nur sehr selten genutzt", sagt er auch.

Zahlreiche Hürden vor dem Antrag

Der finanzielle Aspekt ist aber nicht die einzige Hürde für obdachlose Menschen. Sie stehen ohne Computer oder andere Geräte auch vor der technischen Aufgabe, einen Termin zum Beantragen des Ausweises bei den Bürgerämtern online zu reservieren. Hinzu komme der Aufwand, dass sie sich Informationen aus der jeweiligen Stadt einholen müssen, bei der sie vorher gemeldet waren, beziehungsweise Menschen aus dem Ausland müssten dazu ins jeweilige Konsulat.

"Insbesondere Obdachlose haben außerdem das Problem, dass sie häufiger bestohlen werden", sagt der Sozialarbeiter. Schnell sei der Ausweis, wenn denn einer vorhanden ist, im Alltag auf der Straße auch verloren. Dennoch: Die persönlichen Dokumente können dabei helfen, aus der Obdachlosigkeit zu kommen und zum Beispiel Sozialleistungen zu beantragen oder eine Wohnung zu suchen.

Hilfsangebote im Saarland

Unterstützung zum Beispiel in Form von Beratungen bekommen obdachlose und bedürftige Personen im Saarland beispielsweise bei der Diakonie Saar oder den Verbänden der Caritas im Saarland.

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