Foto: Ein Rentner und eine Rentnerin sitzen auf einer Parkbank und schauen auf eine asphaltierte Fläche vor sich

Wie der demografische Wandel Saar-Kommunen zusetzt

Frauke Feldmann   30.05.2023 | 15:54 Uhr

Die Einwohnerzahl des Saarlandes ist über Jahre zurückgegangen. Die Landesregierung versucht unter anderem mit Investitionen in die Industrie gegenzusteuern. Doch vor allem kleinere Kommunen auf dem Land kämpfen mit der Schrumpfung, wie das Beispiel Namborn zeigt.

Namborn hat einiges zu bieten: Es ist grün, ruhig, ein Paradies für Radfahrer. Gleichzeitig hat die Gemeinde im Landkreis St. Wendel mit der B41 eine gute Verkehrsanbindung, liegt nah an der Kreisstadt.

Trotzdem: Seit Jahren verliert die Gemeinde, wie so viele im Saarland, Einwohner.

Video [aktueller bericht, 30.05.2023, Länge: 5:03 Min.]
Kommune 66: Einwohnerverlust und seine Folgen in St. Wendel

Wohnungsmarkt bereitet Probleme

Die Ursachen seien vielfältig, erklärt Bürgermeister Sascha Hilpüsch: Jüngere Leute hätten nichts mehr zum Bauen oder zum Mieten gefunden, ältere, die ihre Häuser haben abgeben müssen, sich etwas in der Kreisstadt St. Wendel gesucht.

In seiner Gemeinde sei lange nichts erschlossen worden, Baulücken waren in privater Hand, so Hilpüsch. Mit zwei Neubaugebieten in den Ortsteilen Baltersweiler und Hirstein will Namborn darum mehr junge Familien anlocken.

Das könnte auch dazu beitragen, die Einwohnerzahl im Saarland wieder über eine Million zu heben. Dieses Ziel hat die SPD-Landesregierung ausgegeben, um dem Trend zum demografischen Schrumpfen entgegenzuwirken.

Kommune 66: Einwohnerschwund - Beispiel Namborn
Audio [SR 3, Frauke Feldmann, 30.05.2023, Länge: 03:12 Min.]
Kommune 66: Einwohnerschwund - Beispiel Namborn

Bevölkerungszahl im Saarland über Jahrzehnte rückläufig

Denn bis 2022, als viele Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine kamen, war die Bevölkerungszahl im Saarland über rund zwei Jahrzehnte rückläufig. Zwischen 2016 und 2021 ging die Einwohnerzahl in 50 von 52 saarländischen Gemeinden zurück. Namborn gehörte mit einem Minus von vier Prozent zu den am stärksten betroffenen Kommunen.

Die Prognose ist laut dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung für das gesamte Saarland negativ. Besonders betroffen ist demnach der Landkreis St. Wendel. Dort könnte bis 2040 die Einwohnerzahl um rund 15 Prozent sinken. Und auch wenn die Zahl der Einbürgerungen saarlandweit 2022 ein Zwanzig-Jahres-Hoch erreicht hat: In St. Wendel waren es mit nur 63 die wenigsten.

Ländliche Struktur, Digitalisierung, Infrastruktur als Faktoren

St. Wendels Landrat Udo Recktenwald (CDU) sieht einen Grund für die Probleme in der ländlichen Struktur des Kreises. Dennoch sieht er Möglichkeiten: „Für ein Wirtschaftsunternehmen spielt es keine Rolle, ob es im Ballungsgebiet sitzt oder auf schöner großer Wiese im ländlichen Raum, wenn die technischen Voraussetzungen stimmen. Da ist Digitalisierung eine Chance.“

Doch es braucht auch analog eine gute Infrastruktur vor Ort. In Namborn konzentriert sie sich im Ortsteil Eisweiler an der Allerburg mit Supermärkten, Bäckern und Tankstellen. Das Gewerbegebiet soll erweitert werden, auch aus finanziellen Gründen: „Unsere Gewerbesteuereinnahmen sind aktuell knapp bei über 500.000 Euro, das ist nicht viel“, sagt Bürgermeister Hilpüsch. „Wir möchten da entgegenwirken. Die kommunale Finanzsituation ist nicht toll.“

Einwohnerzahl wirkt auf Finanzaustattung

Auf die finanzielle Ausstattung einer Kommune hat die Einwohnerzahl einen erheblichen Einfluss. Neben Einnahmen etwa durch Grund- und Gewerbesteuern bestimmt sie auch maßgeblich über die sogenannten Schlüsselzuweisungen und damit darüber, wie viel Geld aus dem kommunalen Finanzausgleich fließt. Für Namborn bringt der pro Einwohner gut 1200 Euro jährlich. Bei einem Rückgang von rund 7300 auf 7000 Einwohner wie in den Jahren bis 2021 würden rund 360.000 Euro fehlen.

Auch auf das Saarland als Ganzes wirkt sich eine sinkende Bevölkerungszahl im Vergleich zum Bundestrend finanziell negativ aus. Denn es bedeutet weniger Geld aus dem Länderfinanzausgleich.

Kraftakt für Gemeinden und Land

Die Kommunen fordern mehr Unterstützung besonders vom Bund. Vor allem, weil sie von dem immer mehr finanzielle Lasten wie Wohn- und Bürgergeld aufgebürdet bekämen: „Wer bestellt, muss auch bezahlen", sagt Ole Franke, Vorsitzender der CDU-Fraktion in der Gemeinde Namborn. Es könne nicht sein, dass die Lasten für finanzschwache und starke Gemeinde gleich verteilt sind.

Lasten, die auch nicht auf dem Rücken junger Leute ausgetragen werden sollen. Um die überhaupt für das Leben auf dem Land begeistern zu können, sei die frühe Bindung an die Gemeinde wichtig, sagt Namborns Jugendbeauftragte Hannah Zöhler: „Ein wichtiger Punkt wäre es, Orte zu schaffen, an denen sich Jugendliche treffen können und auch die Jugendarbeit in den Vereinen zu stärken." Von klein auf müssten attraktive Angebote geschaffen werden, dann kämen junge Menschen nach der Ausbildung oder dem Studium vielleicht zurück.

Doch Vereinsarbeit und erschwingliche Bauplätze alleine werden wohl nicht reichen. Der Bevölkerungsrückgang bleibt für Gemeinden wie Namborn und für das gesamte Saarland ein Kraftakt.

Über dieses Thema berichtet die "Region am Nachmittag" auf SR 3 Saarlandwelle am 30.05.2023.


Zum Projekt Kommune 66

Eins eint alle Kommunen im Saarland: Die Postleitzahl beginnt mit 66. Aber auch darüber hinaus gibt es viele Gemeinsamkeiten. Egal ob Kirkel, Oberthal oder Dillingen, Kommunen und Kreise müssen umsetzen, was in Brüssel, Berlin oder der Landeshauptstadt Saarbrücken entschieden wird. Bestellt wird oben, bezahlt werden muss oft unten – trotz klammer kommunaler Kassen.

In einer monatlichen Serie werden Reporterinnen und Reporter des SR in diesem Jahr noch genauer hinschauen, wo die Kommunen politisch der Schuh drückt.

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