"Keine Zeit, den Kopf in den Sand zu stecken"
Mit Ford kam die Autoindustrie ins Saarland. Der Fahrzeugbau ist die wichtigste Branche im Land. Deshalb ist die Entscheidung gegen den Standort Saarlouis ein Schock für die Beschäftigten und das Land. Für die Landesregierung kann es jetzt nur eines geben: volle Kraft voraus. Ein Kommentar von Karin Mayer.
Was für ein Tiefschlag: Für die Ford Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Saarlouis und für die Beschäftigten im Zuliefererpark. Für das ganze Land. Vor allem aber für die rund 6000 Menschen und ihre Familien, die seit Jahren um ihre berufliche Zukunft gebangt haben. Viele werden sich schon bald neu orientieren müssen.
Beschäftigte baden Miss-Management aus
Das gilt übrigens auch für viele Beschäftigte in Valencia, wo Ford trotz Modellzusage ebenfalls Jobs streichen will. Der Umbruch in der Autoindustrie, die Abkehr vom Verbrenner, Probleme mit Lieferketten – der Autohersteller Ford hat das schlechter gemanagt als viele andere Hersteller.
Dafür bezahlen jetzt die Beschäftigten. Obwohl in Saarlouis die Angst vor dieser Entscheidung seit Jahren umging, ist die endgütige Klarheit erschütternd. Jobverlust, Sorge ums Eigenheim, um die Familie – das geht ans Eingemachte.
Konzern Teil der Misere
Umso schlimmer ist, dass die Unsicherheit bleibt. Ford will das Werk weiter nutzen. Wie genau? Dazu schweigt der Konzern. Das zeigt erneut: der Konzern selbst ist ein Teil der Misere. Später als die meisten Autohersteller hat Ford auf das E-Auto gesetzt.
Den Managern in den USA hat die Perspektive auf den europäischen Markt gefehlt. Selbst ein Unterstützungsangebot der Landesregierung von bis zu einer Milliarde Euro hat am Ende nicht gereicht, den Konzern umzustimmen. Nicht nur diese Summe zeigt, dass die Landesregierung alles gegeben hat, um die Arbeitsplätze zu halten.
Saarland kann Autoland bleiben
Und deshalb gilt: So schwer die Niederlage im Bieterverfahren ist, ab jetzt muss gelten: volle Kraft voraus. Der Focus läuft noch drei Jahre vom Band. Diese Zeit bleibt, um Ansiedlungen ins Saarland zu holen, die Beschäftigten in andere Branchen zu vermitteln und zu qualifizieren.
Das Saarland definiert sich als Autoland, dabei kann es auch nach 2025 bleiben. Autonomes Fahren, Batterieherstellung, Recycling oder Wasserstoffauto können Zukunftsthemen sein. Jetzt geht es aber darum, neue Perspektiven zu schaffen und Zukunftsbranchen zu definieren.
Keine Zeit zum Trauern
So groß die Trauer ist, es bleibt wenig Zeit, um den Kopf in den Sand zu stecken. Die Kompetenz in der Industrieproduktion, in der Metallverarbeitung, die Bereitschaft zum Schichtdienst, können in Zeiten des Fachkräftemangels für andere Unternehmen interessant sein. Auch wenn es heute vielen vermutlich nicht gelingt: Nie war es wichtiger als heute, nach vorne zu schauen.
Über dieses Thema haben auch die SR-Hörfunknachrichten am 22.06.2022 berichtet.