Stephan Toscani beim Landesparteitag der CDU-Saar (Foto: picture alliance/dpa | Oliver Dietze)

Wie geschlossen ist die CDU wirklich?

Ein Kommentar von Janek Böffel   29.05.2022 | 11:36 Uhr

Mit Wahlergebnissen von über 90 Prozent beim Landesparteitag der CDU am Samstag hat sich die Partei geschlossen präsentiert. Dieses Bild trügt aber, sagt SR-Reporter Janek Böffel. Denn auch Hans wurde vor sechs Monaten mit 95 Prozent trotz innerparteilicher Zweifel wiedergewählt. Warum die CDU mehr braucht als diese Ergebnisse, um sich neu zu definieren – ein Kommentar.

Die CDU hat sich ziemlich genau zwei Monate nach der Wahlniederlage am Samstag beim Landesparteitag geschlossen gezeigt. Fast alle Kandidatinnen und Kandidaten mit Ergebnissen über 90 Prozent, auch der neue Landesvorsitzende Stephan Toscani kam auf 92,7 Prozent.

Und man wurde nicht müde, das Ergebnis als Zeichen der Geschlossenheit zu werten. Doch ganz so ist es dann doch nicht, denn diese Ergebnisse können der Partei auch gefährlich werden, findet Janek Böffel aus der SR-Politikredaktion.

 100 Prozent-Ergebnis für Roland Theis

Immerhin, Parteitag, das kann sie also noch diese CDU Saar. Da mag man noch so tief ins Mark erschüttert sein, da mag man noch so sehr am Wahlabend und in den Wochen danach wie ein geprügelter Hund dagestanden sein. Parteitage, das geht immer und wählen also zumindest die eigenen Funktionäre, sowieso.

Hier 92,7 Prozent, 94,4 dort oder wie bei Roland Theis gleich 100 Prozent. Das Wunder von Eppelborn. Alles Murren und Rumoren verstummt in dem Moment, in dem ein Stimmzettel vor den Delegierten liegt. So läuft das eben bei der CDU. Schon immer. Und ja so ganz unverständlich ist das ja auch nicht.

Geschlossenheit als Schutz vor negativem Image

Da stürzt die Partei, die 23 Jahre lang nichts anderes als Regieren gewohnt war, plötzlich ab auf 28,5 Prozent – also nach eigenem Verständnis ins Bodenlose – und verliert nicht nur die Führungsrolle, sondern quasi alles. Dass da so ein Parteitag auch ein bisschen Balsam sein soll, ein bisschen Selbstvergewisserung, dass sich die innerparteiliche Unruhe nicht komplett Bahn bricht, das ist ja sogar verständlich.

Lieber das Murren verstummen lassen, lieber die geballten Fäuste in den Hosentaschen lassen und stattdessen brav das Stimmkärtchen heben, als vollends in Aufruhr zu verfallen. Zwei Wortmeldungen sind keine Aussprache. Die Sorge vor dem negativen öffentlichen Bild diszipliniert ungemein. Das ist verständlich, aber auch nicht ohne Gefahr.

Ergebnis des Parteitags Vertrauensvorschuss

Denn dieses Ergebnis ist viel deutlicher, als die tatsächliche Stimmung in der Partei. Auch die 92,7 Prozent für Stephan Toscani. Für viele verkörpert er eben nicht die Erneuerung, nicht die abgeschnittenen Zöpfe und die Genese seiner Kandidatur ohne Konkurrenz, direkte Basisdemokratie sieht anders aus. Das Ergebnis war mehr ein Vertrauensvorschuss als tatsächliches Vertrauen. Denn das wird er sich nämlich bei vielen erst erarbeiten müssen.

Toscani und sein gesamtes Team sollten sich hüten, sich an diesen Ergebnissen zu berauschen und nur zu denken, diese CDU wäre gesammelt, nur weil beim Ergebnis vorne eine neun steht. Das ist sie nicht und die Basiskonferenzen, bei denen sich die Mitglieder ein bisschen auskotzen durften, sie waren nicht mehr, als ein Überdruckventil für die dringlichste Entladung vor dem Parteitag.

Regieren als Markenkern der CDU Saar

Die Probleme reichen tiefer als die verlorene Wahl an sich. Die CDU ist eine Partei, die satt war, müde vom Glauben an die eigene Unersetzlichkeit und Unbesiegbarkeit, bräsig geworden in ihrer Machtfülle, die gleichzeitig der Kitt war, der sie zusammenhielt. All das fehlt jetzt.

Zu regieren, das war der wahre Markenkern dieser CDU im Saarland. Sie wird einen neuen finden müssen und vor allem einen erkennbaren. Und ja, sie wird auch alte Zöpfe abschneiden müssen. Stephan Toscani kennt die Partei, wie kaum ein Zweiter.

Das kann Segen und Fluch sein, wenn es um mutige Entscheidungen geht. Er hat mit diesem Ergebnis zumindest die Prokura der Partei dafür bekommen. Aber auch die Erwartung diese Prokura zu nutzen.

Hans vor halbem Jahr bei 95 Prozent

Denn er sollte auch eines nicht vergessen. Vor ziemlich genau einem halben Jahr hat die CDU Tobias Hans als Landesvorsitzenden wiedergewählt. Trotz damals schon schwindender Überzeugung, da den richtigen Kandidaten vorne stehen zu haben. Trotz Fremdelns mit dem Mann an der Spitze und trotz allen Murrens und Rumorens. Sein Ergebnis damals: 95 Prozent.

Es sollte dem neuen Vorstand ein mahnendes Beispiel für die Aussagekraft von Wahlergebnissen auf CDU-Parteitagen sein. Und auch die vielbeschworene Basis, sie sollte sich Gedanken über das eigene Stimmverhalten machen.

Wer mit geballter Faust trotzdem zu allem die Hand hebt und Ja und Amen sagt, darf sich am Ende auch nicht beschweren. Das gestrige Ergebnis, es ist eine Arbeitsgrundlage und ein Vorschuss für den neuen Vorstand. Aber auch nicht mehr.

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