"Wir schaffen das" - Eine Spurensuche im Saarland
Es sind nur drei Worte "Wir schaffen das". Heute vor genau fünf Jahren, auf dem Höhepunkt des Flüchtlingszuzuges 2015, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel diesen Satz gesagt. Und er polarisiert bis heute. Fünf Jahre später begeben wir uns auf Spurensuche und treffen Helfer und Geflüchtete von damals. Und fragen nach: "Was haben wir geschafft?"
"Ich muss sagen, dass sich auf dem Weg hierher meine Erinnerungen fast überschlagen haben."
Astrid Kany steht vor der Essensausgabe in der Landesaufnahmestelle in Lebach. Es ist ihr erster Besuch seit dem Sommer 2015. Damals hat die Hebamme ehrenamtlich in Lebach geholfen: "Eine fantastische und wunderbare Erfahrung, die ich nie wieder in meinem Leben missen möchte - aber genauso gut schlimme Bilder. Man kriegt sie einfach nicht mehr raus aus dem Kopf."
Die Zustände in der Landesaufnahmestelle waren damals teils chaotisch, es wurden Not-Zelte aufgebaut, in einer Einrichtung die für so viele Menschen nicht gemacht war. Selbst der saarländische Innenminister Klaus Bouillon sagt heute, man habe nicht immer gewusst wie es weitergeht: "Es gab nichts, das Lager und die Republik waren ja dafür nicht gerüstet."
"Willkommen" gefühlt - "Willkommen" geheißen
Allein im zweiten Halbjahr 2015 kamen fast 11.000 Menschen ins Saarland. Laut Innenministerium leben heute noch rund 24.000 Geflüchtete hier. Auch Marwan Mohamad ist im Herbst 2015 nach Lebach gekommen. "Das war gut. Das war besser als alle Zwischenstationen, die ich damals erlebt habe." Viele Geflüchtete berichten uns heute, sie hätten sich willkommen gefühlt im Saarland und viel Unterstützung erfahren.
Zum Beispiel von Helmut Kohler. Er hat das Netzwerk "Ankommen in Altenkessel" gegründet, um den Neuangekommenen im Ort zu helfen. Inzwischen haben viele der ehemaligen Geflüchteten aber eigene Netzwerke aufgebaut und können sich gegenseitig unterstützen. Während es 2015 vor allem darum ging, Sprachkurse zu organisieren und bei der Wohnungssuche zu helfen, ist die zentrale Frage heute die, Geflüchteten in Arbeit zu bringen.
Arbeit und Ausbildung: Schaffen schaffen
Aktuell sind 10.000 Geflüchtete im Saarland arbeitssuchend gemeldet, 6.000 haben eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung.
"Individuell betrachtet hat es nicht für jeden geklappt mit dem Schaffen. Aber es hat doch deutlich besser geklappt als in früheren Situationen."
Das sagt die Chefin der Bundesagentur für Arbeit im Saarland, Heidrun Schulz. Grundsätzlich hätte nach fünf Jahren rund die Hälfte der Geflüchteten Arbeit, aber diese fünf Jahre brauche es auch.
Was auffällt: Vor allem Frauen sind deutlich seltener in Arbeit, was auch mit kulturellen Unterschieden begründet wird. Gut die Hälfte der Geflüchteten sind als Facharbeiter und höher beschäftigt – viele haben aber lediglich Hilfsarbeiter-Jobs. Arbeitsagentur und Wirtschaft versuchen daher, junge Geflüchtete für die Ausbildung zu gewinnen. Heute sind etwa 850 von ihnen in den saarländischen Unternehmen.
Bei der Schreinerei Haas in Elm hat ein junger Flüchtling aus Eritrea gerade seine Ausbildung abgeschlossen. Sein Chef Raphael Haas ist stolz, auch wenn die gesamte Familie bis heute an der Bürokratie verzweifelt. Dennoch ermutigt er andere Unternehmer, den Geflüchteten eine Chance zu geben:
"Ich kann es nur jedem Unternehmer ans Herz legen, sich auch auf Flüchtlinge einzulassen. Man bekommt so viel zurück."
Wohnraum für Geflüchtete: die Lage hat sich entspannt
Allein in den Jahren 2015 und 2016 wurden knapp 15.000 Geflüchtete auf die Kommunen im Saarland verteilt. Auch Herrmann Josef Schmidt (CDU), Bürgermeister von Tholey und Präsident des Saarländischen Städte- und Gemeindetages, sagt heute:
"Das war schon teilweise heftig."
Zwischenzeitlich haben rund 470 Geflüchtete in Tholey gelebt, heute sind es noch etwa 170. Rund 35 Millionen Euro hat das saarländische Innenministerium seit 2015 für Wohnraum bereitgestellt. "Es sind über 1500 Wohnungen, und 7000 Menschen sind heute integriert. Und diese Mittel sind alles ausschließlich Landesmittel. Das ist ja auch schon sozialer Wohnungsbau", sagt Innenminister Klaus Bouillon (CDU).
Die Wohnungen sind zwar ursprünglich für Geflüchtete geschaffen worden – stehen aber im Prinzip allen Bedürftigen zur Verfügung. Auch deshalb ist das Wohnungsbau-Programm aus Bouillons Sicht ein Grund dafür, dass das Zusammenleben zwischen den Geflüchteten und den Einheimischen im Saarland besser läuft als anderswo in Deutschland.
Bildung bleibt Daueraufgabe
Der Grundstein für Integration – und Zukunftschancen – vor allem für die Kinder von Geflüchteten ist Bildung. Heute besuchen rund 11.500 geflüchtete Kinder und Jugendliche eine Schule. Uwe Sander, der Rektor der Bachschule in Neunkirchen, erinnert sich an die teils chaotischen Zustände an seiner Schule. Er betont aber, dass er sich vom Bildungsministerium größtenteils gut unterstützt gefühlt habe.
Rund 90 Millionen Euro sind bis heute an saarländische Schulen geflossen, davon wurden unter anderem 90 neue Lehrer eingestellt. Aber auch nach fünf Jahren sieht der Schulleiter der Bachschule noch Verbesserungsbedarf, etwa bei den Kindergartenplätzen oder bei der Betreuung von traumatisierten Geflüchteten. Auch wenn man Vieles geschafft habe, so Uwe Sander, "wir sind weit davon entfernt, es als beendet zu erklären, etwa bei der Sprachförderung. Das ginge nicht gut aus."
Was also wurde nun geschafft nach fünf Jahren?
In manchen Bereichen wie zum Beispiel bei der Unterbringung Vieles, in vielen Bereichen sind bisher nur erste Schritte gemacht. Versteht man "Wir schaffen das" als Aufgabe, dann gibt es noch einiges zu tun im Saarland.