Kabinett der Regierung unter Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (Foto: Staatskanzlei/Jennifer Weyland)

Was die Saar-Minister nach einem Jahr vorzuweisen haben

Christian Leistenschneider   23.04.2023 | 08:27 Uhr

Ein rein rotes Kabinett nur aus SPD-Leuten konnte Anke Rehlinger nach ihrem Erdrutschsieg bei der Landtagswahl 2022 zusammenstellen. Wie sie und ihre Minister sich im ersten Regierungsjahr geschlagen haben.

Am 25. April 2022 wurde Anke Rehlinger als erste saarländische SPD-Ministerpräsidentin vereidigt, einen Tag später folgten die Ministerinnen und Minister. Wie fällt ihre Bilanz nach einem Jahr im Amt aus?

Anke Rehlinger, Ministerpräsidentin

Anke Rehlinger (Foto: picture alliance/dpa | Harald Tittel)

Ihren haushohen Wahlsieg hatte die SPD neben der Schwäche der CDU vor allem der großen Popularität von Anke Rehlinger zu verdanken. Die hat auch im ersten Jahr ihrer Amtszeit keine nennenswerten Einbußen erfahren.

Rehlinger präsentiert sich gerne als engagierte Kämpferin für die Interessen des Saarlandes sei es gegenüber dem Bund, sei es gegenüber globalen Konzernen. Dabei ist sie mal mehr und mal weniger erfolgreich.

Ob sie schlussendlich die im Wahlprogramm gegebenen Versprechen einlösen kann, hängt nicht zuletzt von der Arbeit derjenigen ab, die sie als ihre wichtigsten Mitarbeiter ins Kabinett berufen hat.

Jürgen Barke, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie

Jürgen Barke (Foto: IMAGO / BeckerBredel)

Die langjährige rechte Hand Rehlingers in ihrer Zeit als Wirtschaftsministerin hat nach seiner Übernahme des Chefpostens der Behörde bereits Höhen und Tiefen kennengelernt.

Kurz nach seinem Amtsantritt verkündete Ford entgegen zuversichtlicher Aussagen der Landesregierung die Hiobsbotschaft, dass es sein neues E-Auto nicht in Saarlouis produzieren werde. Ein Dreivierteljahr später präsentierte der amerikanische Chiphersteller Wolfspeed in Anwesenheit von Bundeskanzler Scholz dann Pläne für die Ansiedlung einer Halbleiterfabrik im Saarland.

Eine gemischte Bilanz also, die Barke unbedingt ins Positive drehen will. Denn Erhalt und Aufbau von Arbeitsplätzen waren das zentrale Wahlversprechen der Sozialdemokraten, daran werden sie sich messen lassen müssen. Genau wie am Ausbau der erneuerbaren Energie, die Barke in seinem Ressort verantwortet.

Jakob von Weizsäcker, Minister für Finanzen und für Wissenschaft

Jakob von Weizsäcker (Foto: IMAGO / BeckerBredel)

Er ist Rehlingers Mann für die großen Schlagzeilen. Bereits die Nominierung des bundes- und europapolitisch erfahrenen Ökonomen mit dem traditionsreichen Namen sorgte für Aufsehen.

Ein knappes halbes Jahr nach Amtsantritt präsentierte er dann ein Projekt, das sicherlich von Mut, aber auch einer erheblichen Risikobereitschaft zeugt: Die Einrichtung des sogenannten Transformationsfonds in Höhe von bis zu drei Milliarden Euro, mit dem der Strukturwandel an der Saar unterstützt werden soll. Dafür nimmt das bereits hochverschuldete Saarland neue Kredite in zuvor nicht gekannter Größenordnung auf.

Die sollen nach dem Kalkül des Finanzministers dem Land langfristig mehr Rendite als Lasten bringen. Bei der Frage, ob das aufgeht, steht nicht nur für die SPD viel auf dem Spiel. Und von Weizsäcker hat bereits angekündigt, dass das Land nicht nur frisches Geld ausgeben kann, sondern an vielen Ecken auch sparen muss. Das könnte zu Konflikten etwa mit den Kommunen führen, die nachdrücklich mehr Unterstützung fordern.

Reinhold Jost, Minister für Inneres, Bauen und Sport

Reinhold Jost (Foto: IMAGO / BeckerBredel)

Den Ausgleich von kommunalen und Landesinteressen hinzubekommen, ist zuvorderst seine Aufgabe: Reinhold Jost, der zu Beginn der Legislaturperiode vom Umwelt- ins Innenministerium wechselte.

In seiner neuen Funktion sorgte er erst für Irritationen und Verärgerung bei den Kommunen, als er die Zuwendungen des Landes an sie als „Gudzjer“ bezeichnete und eine Neuordnung des Finanzausgleichs auch ohne ihr Einverständnis erwog. Später näherte man sich wieder an, doch eine Lösung des Mammutprojekts kommunaler Finanzausgleich konnte damit noch lange nicht erreicht werden.

Auch die Neuauflage des Landesentwicklungsplans und die Reform und der Ausbau des sozialen Wohnungsbaus sind unbewältigte Herausforderungen. Und beim Personalaufbau der Polizei konnte Jost sich bislang regierungsintern nicht durchsetzen, die Zahlen blieben hinter den im Wahlprogramm angekündigten zurück.

Magnus Jung, Minister für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit

Dr. Magnus Jung (Foto: IMAGO / BeckerBredel)

Der Neuzugang auf der Regierungsbank konnte die Ausläufer der Corona-Pandemie verwalten, ohne mit allzu harten Maßnahmen eine schwere Welle brechen zu müssen. Reibungen gab es dennoch, als die Landkreise im Spätsommer Widerstand ankündigten, die von Jung geforderte Konsequenz beim Umsetzen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht an den Tag zu legen.

Als Sozialminister hatte Jung die Aufgabe, die Folgen der Energie- und Inflationskrise abzufedern, ohne dafür die ganz großen Instrumente zur Verfügung zu haben. Mit der versprochenen Aufstockung des Pflegepersonals und der Neuordnung der saarländischen Krankenhauslandschaft hat Jung noch viel Arbeit vor sich.

Christine Streichert-Clivot, Ministerin für Bildung und Kultur

Christine Streichert-Clivot (Foto: IMAGO / BeckerBredel)

Die einzige, die ihre Arbeit nach dem Regierungswechsel eins-zu-eins fortgesetzt hat. Steht oft in der Schusslinie, weil die Ansprüche der unterschiedlichen Interessengruppen im Bildungsbereich kaum unter einen Hut zu bringen sind.

Streichert-Clivot hat im ersten Jahr der Legislatur zwei Wahlversprechen der SPD in Gesetzesform gegossen: die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium und die schrittweise Abschaffung der Kita-Gebühren. Die Herausforderung für sie wird sein, bei der Umsetzung dafür zu sorgen, dass auch die inhaltliche Qualität des Bildungsangebots gewährleistet ist. Dafür dürfte unter anderem entscheidend sein, ob es gelingt, den notwendigen Personalbedarf zu decken.

Petra Berg, Ministerin für Umwelt, Klima, Mobilität, Agrar und Verbraucherschutz, sowie Justiz

Petra Berg (Foto: IMAGO / BeckerBredel)

Auch die vormalige parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion hat in ihrer neuen Funktion bereits zwei Gesetze zu wichtigen Wahlkampfversprechen der Sozialdemokraten vorgelegt. Allerdings wird das Klimaschutzgesetz, mit dem das Saarland spät dran ist, ob seines Mangels an Konkretheit und Ambition vielfach kritisiert. Und beim 365-Euro-Ticket für junge Leute, das als Variante des Deutschlandtickets eingeführt wird, ist ungewiss, ob der Preis dauerhaft gehalten werden kann.

Auch abseits finanzieller Anreize wird es für Berg darauf ankommen, die Attraktivität des ÖPNV und auch des Radverkehrs im Saarland zu steigern, um die Verkehrswende im Saarland voranzutreiben.


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