Geld sparen durch dynamische Stromtarife?
Strom dann nutzen, wenn er im Überangebot ist und damit Geld sparen – das ist der Gedanke hinter dynamischen Stromtarifen. Das kann für Anbieter und Kunden profitabel sein. Allerdings müssen dafür einige Voraussetzungen gegeben sein. Ein Überblick über ein neues Tarifsystem.
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- Was sind dynamische Strompreistarife?
- Wann ist Strom günstig?
- Voraussetzung: Ein intelligentes Messsystem
- Für wen können sich dynamische Strompreise lohnen?
- Profitable Nutzung mit hohem Aufwand verbunden
- Wie viele Saarländer nutzen bisher dynamische Tarife?
- Wie viel kann man sparen?
- Börsenpreise sind spekulativ – über das Risiko mehr zu zahlen
- Wer sparen will, muss Zeit investieren
Was sind dynamische Strompreistarife?
Normale Stromtarife setzen sich aus einem fix vereinbarten Grundpreis und einem festen Arbeitspreis pro Kilowattstunde zusammen. Dynamische Stromtarife hingegen haben keinen festen Arbeitspreis. Dieser ist stattdessen an die Preise des Großhandels gekoppelt, um genau zu sein an die europäische Strombörse EPEX Spot.
Dort wird noch gehandelt, kurz bevor der Strom benötigt wird. Das kann nur wenige Stunden oder einen Tag vor der Stromlieferung sein. Wer dynamische Stromtarife künftig nutzt, soll von günstigen Börsenpreisen profitieren können. Das ist die Idee hinter dynamischen Strompreisen. Damit verbunden ist auch der Gedanke, klimaangepasst Energie zu nutzen.
Wann ist Strom in der Regel günstig?
„Dynamische Tarife bilden den Börsenstrompreis ab und die schwanken täglich sehr stark. Was man bei den Schwankungen aber erkennt, ist ein Mittagstief, weil da, jetzt in den Sommermonaten zum Beispiel, die Solaranlagen eine Riesenmenge Strom einspeisen. Deswegen ist der Börsenpreis um die Mittagszeit relativ niedrig, manchmal sogar im Negativbereich“, sagt Hans Weinreuther von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.
Aber auch, wenn der Börsenpreis im negativen Bereich liegt: Geld zurück bekommen Nutzer dynamischer Stromtarife nicht. Das liegt an der Zusammensetzung aus dem Börsenpreis und dem Arbeitspreis – in dem Steuern, Abgaben, Umlage und Netzentgelte zusammengefasst sind. Letzterer ist immer Teil der Kosten und der größere Teil im Preisgefüge.
Voraussetzung ist ein intelligentes Messsystem
Die Idee dahinter ist gut, trotzdem sind die Tarife bisher kaum bekannt und werden nur von wenigen saarländischen Haushalten genutzt. Das hat mehrere Gründe:
Zum einen müssen Haushalte dafür zunächst einmal ein intelligentes Messystem haben, ein sogenanntes Smart Meter. Dieses schickt einmal am Tag die viertelstündlichen Verbrauchsdaten an den Messstellenbetreiber. Wer so einen nutzen will, kann das bei seinem Anbieter anfragen, ab kommendem Jahr muss dieser dem Wunsch auch nachkommen. Das ist gesetzlich geregelt.
Die Kosten dafür trägt der Nutzer, sie sind laut Bundesnetzagentur aber auch gedeckelt. Für Haushalte beispielsweise, die bis zu 10.000 Kilowattstunden jährlich verbrauchen, sind es maximal 20 Euro pro Jahr. Das beinhaltet Einbau, Betrieb, Wartung sowie Ablesung und Datenübertragung.
Wer eine Wärmepumpe und eine E-Auto-Ladestation hat, muss mit 50 Euro im Jahr rechnen. Wer vorzeitig, also noch in diesem Jahr, ein Smart Meter will, der muss außerdem noch 30 Euro extra zahlen.
Damit sind derzeit im Saarland aber noch nicht viele Haushalte ausgestattet. So verzeichnet der Energieversorger Energis im Juni 2024 derzeit erst bei einem Prozent der Kunden ein Smart Meter. Energie SaarLorLux hatte dazu keine Informationen dazu vorliegen, da der Energieversorger kein Netzbetreiber ist. Bisher sei die Nachfrage nach dynamischen Tarifen aber noch sehr gering. Das ist auch das Ergebnis einer aktuellen Studie von Stiftung Warentest.
Für wen können sich dynamische Strompreise lohnen?
Unabhängig vom Messsystem sind dynamische Stromtarife derzeit sowieso nur für bestimmte Haushalte interessant: „Es macht nur Sinn, wenn ich große Verbraucher habe, wie eine Wärmepumpe oder auch ein E-Auto und das Auto dann auch in der Mittagszeit laden kann. Oder, wenn ich die Pumpe so steuern kann, dass sie im Winter ein bisschen auf Vorrat Wärme produziert - dazu braucht man eben einen Pufferspeicher, oder man nutzt das Haus als Speicher“, erklärt Weinreuter von der Verbraucherzentale.
Die VSE-Gruppe, einer der größten Energieversorger für das Saarland, weist zudem darauf hin, dass ein Großteil des privaten Stromverbrauchs im sogenannten Basisverbrauch besteht. Dazu zählen unter anderem Beleuchtung, Kochen, Fernsehen oder auch Internetnutzung – alles Dinge, die man als Privatperson nicht in günstige Zeiträume legen kann oder will.
Profitable Nutzung mit hohem Aufwand verbunden
Den normalen Haushaltsstrom, wie zum Beispiel Wasch- oder Spülmaschine, könne man zwar auch konsequent mittags laufen lassen, das sei von der Auswirkung auf die Stromkosten aber eher gering. Dem gegenüber stehe aber ein hoher Aufwand. „Solange ich keine smarten Haushaltsgeräte habe, die ans WLAN angeschlossen sind und eine entsprechende Software haben, sodass sie bei günstigen Tarifen anspringen, macht das keinen Sinn.“
Selbst dann müsste ja aber im Vorfeld alles vorbereitet sein. „Für die meisten Privathaushalte kann das nur dann ein Vorteil sein, wenn sie viel Zeit in die Beobachtung der Preisentwicklung und in das Management des Tagesablaufs investieren. Man muss Zeit haben. Da sieht man auch schon, wie groß die Hürden sind, wenn man daraus wirklich Profit schlagen will“, sagt Weinreuter. „Für den Otto-Normalverbraucher und vor allem für Mieter, von denen es in Deutschland ja viele gibt, ist das wenig attraktiv.“
Wie viele Saarländer nutzen bisher dynamische Tarife?
Seit dem 1. Juli dieses Jahres bieten die beiden größten Energieversorger im Saarland dynamische Strompreistarife an. Das Interesse an den Tarifen hält sich nach deren Aussagen aber in Grenzen. Energie SaarLorLux spricht von einer generell geringen Nachfrage. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei Energis. Auch hier hätten sich nur ein paar Kunden dafür gemeldet. In der Nutzung sei es derzeit nur bei einigen wenigen Gewerbekunden.
Das könnte auch an der Bekanntheit liegen. „Die allermeisten Haushalte würden sagen ‚Hab ich noch nie davon gehört. Keine Ahnung, was das ist. Was muss ich tun, damit ich davon profitieren kann‘“, meint Verbraucherzentralen-Energie-Fachmann Weinreuter. „Den meisten ist es zu unklar, zu kompliziert und auch zu zeitaufwendig. Deswegen denke ich, die Psychologie der Leute spricht dagegen, sich damit auseinanderzusetzen.“ Wären in der Zukunft mehr Geräte im Haushalt smart und automatisierbar, könne das anders aussehen. Soweit sei man derzeit aber noch nicht.
Außerdem hinke man in Deutschland auch mit dem Einbau smarter Messsysteme hinterher. „Die werden ja erst ab einem Verbrauch von 6000 Kilowattstunden pro Jahr eingebaut, das passiert dann relativ automatisiert.“ Aber auch hier gebe es noch Unterschiede bei den einzelnen Netzbetreibern.
Wie viel kann man sparen?
Hat man alle technischen Voraussetzungen erfüllt und auch Lust darauf, sich mit dem Börsenpreis zu beschäftigen und dementsprechend die Nutzung verschiedener Geräte zu planen, kann man Geld sparen.
Wie viel, lässt sich laut Energis nicht sagen, da der Preis stark von Angebot und Nachfrage und das Einsparpotenzial zudem von dem individuellen Verhalten abhänge. Wer sich für einen dynamischen Preis interessiert, sollte besonders die Fixkosten der Tarife im Auge behalten.
Die machen laut Stiftung Warentest 57 Prozent aus. Nur 43 Prozent sind variabel. Das wiederum bedeutet, dass die Fixkosten eine besondere Rolle spielen. Bei einer aktuellen Untersuchung von Stiftung Warntest lagen die Fixkosten pro Kilowattstunde zwischen 19,3 und 26,2 Cent. Dazu kommt der monatliche Grundpreis, der in dem Fall bis zu 258 Euro pro Jahr ausmache.
Börsenpreise sind spekulativ – über das Risiko, mehr zu zahlen
Grundsätzlich können die Tarife, die sich nach den aktuellen Börsenpreisen richten, bei entsprechender Nutzung Geld sparen. Wie bei allen Börsenspekulationen steckt aber auch hier ein gewisses Risiko dahinter. „Man kann das schön sehen, wenn man ein paar Jahre zurückschaut, als die Börsenpreise explodiert sind. Passiert das, schießt natürlich auch mein individueller Strompreis durch die Decke. Will ich dauerhaft profitieren, muss ich permanent das Börsengeschehen im Blick behalten“, warnt Weinreuter.
Deshalb ist es auch wichtig, bei dem Tarif nicht nur auf die Preise, sondern auch auf die Laufzeit zu schauen. Dazu raten auch die Verbraucherzentralen und Stiftung Warentest. Die soll am besten möglichst kurz sein, so dass ein schneller Wechsel zu einen Festpreismodell umsetzbar ist.
Wer sparen will, muss Zeit investieren und risikobereit sein
Fazit: Um von dynamischen Stromtarifen zu profitieren, sind neben der technischen Voraussetzungen viele weitere Faktoren zu beachten. Richtig lohnen kann es sich besonders dann, wenn man große Verbraucher hat, die man zu besonders günstigen Zeiten am besten automatisiert nutzen kann. Es ist bisher aber noch relativ zeitaufwendig. Auch das Risiko eines plötzlichen starken Preisanstiegs muss immer mit einkalkuliert werden.
Wer einen Wechsel erwägt, sollte sich im Vorfeld genauestens informieren. Weitergehende Informationen dazu hat unter anderem die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz zusammengestellt.
Über dieses Thema berichtete die SR info Rundschau im Radio am 26.08.2024.