Keyvisual Milliardenraub im Netz (Foto: Marc Misman)

Täter packt aus: So läuft die Milliarden-Betrugsmasche

Niklas Resch, Caroline Uhl   24.05.2023 | 06:26 Uhr

Gefälschte Cybertrading-Portale verursachen in Deutschland einen Milliardenschaden. Allein im Saarland haben Anleger in den letzten beiden Jahren rund zehn Millionen Euro verloren. Hinter den Portalen stecken hochorganisierte Banden – ein ehemaliges Mitglied gab SR-Journalisten exklusive Einblicke.

Gut eine Milliarde Euro haben Anlegerinnen und Anleger in Deutschland in den vergangenen beiden Jahren durch den Betrug mit gefälschten Online-Plattformen für Finanzwetten verloren. Das geht aus Zahlen des saarländischen Landeskriminalamtes hervor.

Video [aktueller bericht, 24.05.2023, Länge: 4:20 Min.]
ARD zeigt Dokumentation zu Cybertrading-Betrug

Der Schaden im Saarland liegt in diesem Zeitraum bei mindestens zehn Millionen Euro. Der SR steht in Kontakt mit einem Saarländer, der zuletzt mehr als 30.000 Euro auf der Plattform „Investirex“ verloren hat.

Die ganze Doku in der ARD Mediathek: "I want more - Milliardenraub im Netz"
Der Betrug mit gezinkten Geldanlage-Portalen im Internet ist eine der größten Betrugsmaschen unserer Zeit: Anleger werden um Milliarden geprellt. Es gibt tausende Betroffene alleine in Deutschland. Wir zeigen was hinter dem Mega-Betrug steckt.

Callcenter „Maschinenraum des Betrugs“

Bei der Masche spielen Callcenter in Osteuropa eine wesentliche Rolle, Ermittler sprechen vom „Maschinenraum des Betrugs“. Von dort aus geben sich die Täter als Finanzmarktexperten aus, und versprechen interessierten Anlegern aus dem deutschsprachigen Raum gute Gewinne.

Durch Cybertrading, also Wetten auf fallende oder steigende Börsenkurse, sollen sie in kurzer Zeit ihr eingezahltes Geld kräftig vermehren. Außerdem erschleichen sich die Callcenter-Agenten das Vertrauen der Opfer, so dass diese mehr Geld einzahlen. 

Das Callcenter in Pristina (Foto: Originalfoto - dem SR-Rechercheteam zugespielt)
Das Callcenter in Pristina

Exklusiver Einblick in Betrugsnetzwerk

Für die ARD-Fernsehdokumentation „I want more – Milliardenraub im Netz“ ist es dem SR-Rechercheteam gelungen, mit einem ehemaligen Mitarbeiter eines kriminellen Callcenters im Kosovo ein Exklusiv-Interview zu führen. Deutsche Behörden können ihn dort nicht festnehmen.

"Es waren schon sehr schwere Schicksale dabei"
Audio [SR 3, Moderation: Dorothee Scharner / im Gespräch: Caroline Uhl, 24.05.2023, Länge: 03:47 Min.]
"Es waren schon sehr schwere Schicksale dabei"

Adrian (Name geändert) bestätigt, dass das Geld der arglosen Anleger direkt in die Taschen der Betrüger floss und diese sich so ein Luxusleben leisten konnten.

Fotos und Videos der Täter, die dem SR zugespielt wurden, zeigen unter anderem Sportwagen, teure Uhren und Designerklamotten.

Callcenterleiter Azem S. steht vor einem BMW und einem Mercedes vor dem Callcenter in Pristina (Foto: Originalfoto - dem SR-Rechercheteam zugespielt)
Callcenterleiter Azem S. steht vor einem BMW und einem Mercedes vor dem Callcenter in Pristina

Adrian erzählt, dass erfolgreiche Broker des Callcenters als Belohnung unter anderem ein Auto oder eine Wohnung bekommen hätten – als Verdienst für gute Arbeit.

Das Callcenter in Ferizaj (Foto: Originalfoto - dem SR-Rechercheteam zugespielt)
Das Callcenter in Ferizaj

Saarbrücker Ermittler lassen Bande auffliegen

Auf der anderen Seite verlieren manche Opfer ihre komplette Existenz. Nach SR-Recherchen haben einige Betrogene sechsstellige Summen verloren. Einzelne haben aufgrund des Zuredens ihres Brokers Lebensversicherungen aufgelöst oder Kredite aufgenommen. Ein Betroffener, der auf diese Weise 300.000 Euro verlor, hat nach Angaben von Ermittlern schließlich Suizid begangen.  

Die saarländische Polizei hat die Bande, der Adrian angehörte, mittlerweile bei internationalen Ermittlungen auffliegen lassen.

Ein Chef des Callcenters im Kosovo wurde im vergangenen Jahr vom Landgericht Saarbrücken zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Eine Hand legt viele 50-Euro-Scheine in einem Auto ab (Foto: Originalfoto - dem SR-Rechercheteam zugespielt)
Ein Screenshot aus einem Handyvideo zeigt Geldbündel

Doch auch wenn dadurch einige Cybertrading-Portale abgeschaltet sind, läuft die Betrugsmasche nahezu identisch auf hunderten anderen Portalen weiter. Auch Adrian sagt: Er würde wieder von einem Callcenter aus Anleger betrügen, wenn „ich es nötig hätte“.

Die Story „I want more – Milliardenraub im Netz“ steht ab sofort in der Mediathek bereit. Am Mittwoch, den 24.5. um 22.50 Uhr läuft der Film im Ersten.

Über dieses Thema haben auch die SR-Hörfunknachrichten am 24.05.2023 berichtet.


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